Der Americas Cup ist eine Mischung aus Materialschlacht, maritimem Größenwahn und menschlichen Dramen. Jetzt geht die Formel 1 der Meere in die Endphase. Sollte das führende Team gewinnen, wäre zum ersten Mal ein Deutscher an Bord.
Auckland liegt in Neuseeland, und das ist verdammt weit weg. So weit weg, dass Unkundige mit dem Eiland rechts von Australien allenfalls die Begriffe "Schaf", "Natur" oder "Auswandern" verbinden.
Für Segelbegeisterte ist die Zeit der Ignoranz schon seit Monaten vorbei. Auf dem Hauraki-Golf vor Auckland streiten sich seit Herbst vergangenen Jahres insgesamt neun Syndikate um die begehrteste Segeltrophäe der Welt.
Die Boote, die bei der bedeutendsten Regatta der Welt zum Einsatz kommen, vereinigen zahlreiche Superlative auf sich. Sie strotzen vor technischen Innovationen, sie sind leicht, lang, schnell - und teuer. So teuer, dass sich nur segelbegeisterte Nationen ein solches Abenteuer leisten können - oder wollen.
Durchschnittskosten pro Team: 100 Millionen Dollar
Neuseeland zum Beispiel. Zur Unterstützung ihres Skippers und Nationalhelden Sir Peter Blake, der den ewigen US-Sieger Dennis Connor 1995 in seinem Heimatrevier San Diego bezwang, trug die Nation aus Solidarität monatelang rote Socken und sammelte Geld.
Segel über Bord: Das erste America's-Cup-Rennen endete für Titelverteidiger Neuseeland als Gau
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Kopf-an-Kopf-Rennen: Die zweite Regatte entschied Alinghi mit nur sieben Sekunden Vorsprung für sich
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Wellenreiter: Die "Alinghi" mit einem Manöver vor dem Start zum ersten Rennen
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Nichts ist unmöglich: Doch nach der zweiten verlorenen Wettkampf lässt die neuseeländische Crew die Köpfe hängen
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Men at work: Das zweite Rennen verloren die Titelverteidiger mit nur sieben Sekunden Rückstand
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Fehlstart: Auf der ersten Regatta musste Team New Zealand die Segel streichen
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Vorteil Alinghi: Die neuseeländischen Titelverteidiger segeln der Schweizer Yacht hinterher
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Wetterfrösche: Der Neuseeländer Nick Heron (r.) und Murray Jones auf der "Alinghi" geben Änderungen der Windrichtung bekannt
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Feucht-fröhliche Wasserspiele: Die Schweizer Yacht "Alinghi" nach dem Auftaktsieg
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In Deutschland dagegen hielt sich die Euphorie für den Sport bisher eher in Grenzen. Trotz des Sieges der "Illbruck" beim Volvo Ocean Race musste der Mittelständler Michael Illbruck seine America's-Cup-Kampagne stoppen. Er hatte keine Sponsoren gefunden.
Keine Geldsorgen haben all die Milardäre, die sich ihre Segelbegeisterung beim America's Cup einiges kosten lassen. Nicht nur Material, sondern auch Konstrukteure, Meteorologen und Fachpersonal drücken den Kurs für ein konkurrenzfähiges Team nach oben.
Der Durchschnittspreis für eine Crew, die Chancen auf den Sieg haben soll, liegt gegenwärtig bei etwa 100 Millionen Dollar. So nimmt es nicht Wunder, dass sich am Rande der Regatten die Superreichen dieser Welt ein Stelldichein geben.
"Wie eine Schweizer Uhr"
Nach den Vorläufen sind von den neun Teams nur noch die Syndikate Alinghi aus der Schweiz und die Herausforderer aus Neuseeland im Rennen. Die anderen Sponsoren und Finanziers müssen auf den Zuschauerrängen Platz nehmen.
Dort trifft sich eine illustre Runde. Unter anderem Peter Harrison, millionenschwerer Internet-Tycon aus England. Der hatte Königin Elisabeth II persönlich versprochen, "den heiligen Gral nach Hause zu holen." Vergebens. Auch Prada-Boss Patrizio Bertelli muss am Katzentisch Platz nehmen. Er scheiterte in der Zwischenrunde. Von den 1,5 Milliarden Familienvermögen hat er geschätzte 100 Millionen im Golf von Hauraki versenkt.
Mit von der Partie ist Oracle-Chef Larry Ellison. Auch er verpasste das Finale. Ellison, der in der Szene als renommiersüchtiger Prahlhans verschrien ist, soll nach seiner Niederlage sichtlich geknickt gewesen sein.
"Wie eine Schweizer Uhr"
Der Software-Tycoon hatte während der Vorläufe mehrfach selbstherrlich in die Strategie seines Skippers eingegriffen und diesen wegen Erfolglosigkeit kalt abserviert. Der neue Steuermann Chris Dickinson brachte ebenfalls kein Glück. "Das Team Alinghi ist wie eine Schweizer Uhr", sagte Ellison nach der schmachvollen Niederlage respektvoll über seinen dominanten Gegner.
Unruhe und gleichzeitig Ruhepool des Schweizer Syndikats ist der gebürtige Berliner und Wahlbayer Jochen Schümann, mehrfacher Olympiagewinner und Segelweltmeister. Die Crew, deren sportlicher Direktor Schürmann seit drei Jahren ist, wird finanziert von Ernesto Bertarelli, 37 Jahre jung und Chef des profitablen eidgenössischen Biotech-Konzerns Serono.
"Er weiß seine Fähigkeiten einzuschätzen"
Bertarelli besetzt auf seinem Schiff den Posten des Navigators und betont immer wieder geflissentlich, dass "er noch viel lernen kann" und "die Arbeit mit den anderen genießt".
Schümann lobt im Gegenzug seinen diskreten Brötchengeber: "Er weiß seine Fähigkeiten einzuschätzen. Und mit denen macht er einen großartigen Job." So viel Harmoniebekunden ist ungewöhnlich für maritime Herrenrunden, in denen normalerweise ein preußisch-hierarchischer Ton herrscht.
Der Erfolg gibt der Strategie von Schüman und Bertarelli Recht. In den ersten drei Finalläufen des America's Cup bezwang das Team Alinghi den Herausforderer Neuseeland souverän. Das erste Aufeinandertreffen beendeten die "Kiwis" vorzeitig mit gebrochenem Baum, in der zweiten Runde wurden die Neuseeländer auf den letzten Metern niedergekämpft. Der dritte Vorlauf endete mit einem Kantersieg für die Schweizer. Die Neuseeländer hatten keine Chance. In der 152-jährigen Geschichte des America's Cup ist es keinem Team jemals gelungen, einen 0:3-Rückstand noch aufzuholen.
Kalkutta liegt am Ganges, Paris liegt an der Seine
Sollte das Schweizer Syndikat den America's Cup tatsächlich nach Hause tragen, wäre das in der Geschichte des Segelsports ein Novum in mehrfacher Hinsicht. Erstens hat noch nie ein europäisches Team den Cup gewonnen. Zweitens war noch nie ein Deutscher unter den Siegern.
Und drittens gäbe es ein elementares Problem: Der Inhaber der Trophäe muss die nächste Regatta ausrichten. Das gestaltet sich schwierig für die Alpenrepublik: Die Schweiz verfügt über keinen Quadratzentimeter Küste, hat aber immerhin den Genfer See. Der jedoch ist gänzlich ungeeignet.