
Natural Running Sind Sie auch so verletzt?
Kennen Sie das? Das Knie schmerzt, die Achillessehne fühlt sich morgens nach dem Aufstehen an, als würde sie jeden Moment zerreißen, der Rücken, die Hüften oder das Schienbein tun beim Laufen so weh, dass an Training nicht mehr zu denken ist.
Und tatsächlich: Statistisch gesehen werden 30 bis 50 Prozent aller Läufer (und dazu zählen nicht nur Leistungssportler) einmal im Jahr beim Orthopäden vorstellig. Die Konsequenz ist dann zumeist eine längere Laufpause. Dabei ist der Mensch doch eigentlich der perfekte Läufer! Warum reagiert der Körper aber so oft mit Entzündungen, Schmerzen oder Reizungen?
Heute werden schon Kinder von klein auf in Schuhe gesteckt. Menschen, die sich trauen, ohne Schuhe das Haus zu verlassen, werden mit einem müden Lächeln als "komisch" abgetan. Doch hat das ständige Schuhetragen enorme Auswirkungen auf unseren Bewegungsapparat.
Der Fuß wird passiv stabilisiert - und genau das sorgt für weniger aktive muskuläre Stabilität. Jeder kennt das Phänomen: Ein gebrochener und anschließend eingegipster Arm sieht, nachdem der Bruch geheilt ist und der Gips ab nur noch wie ein Schatten seiner selbst aus - die Muskulatur schwindet. Der Körper ist ein Wunder der Ökonomie - was er nicht braucht, stellt er ab.
Wir kommen immer noch barfuß auf die Welt
Als wir von den Bäumen kletterten und von Vierbeinern zu Zweibeinern wurden, entwickelte sich die heute immer noch aktuelle natürliche Art des Laufens. Wir kommen immer noch barfuß auf die Welt. Schuhe, wie wir sie kennen, gibt es generell erst seit ein paar hundert Jahren. Vorgesehen ist es also eigentlich nicht, dass wir mit Dämpfung, Pronationsstütze, Mittelfußbrücke und oftmals dazu noch mit prophylaktisch eingesetzter orthopädischer Einlage unter dem Fuß laufen gehen.
Doch auf der anderen Seite gab es zu Zeiten unserer Vorfahren auch viele andere Dinge nicht: asphaltierte Wege, ständig sitzende "Arbeit", jahrelange Immobilität und Übergewicht. Zudem fangen viele Läufer erst in höherem Alter mit dem Laufen an und haben nie gelernt, technisch halbwegs "korrekt" zu laufen.
Natürlich Laufen heißt heute "Natural Running". Alle sprechen darüber, aber gerade zu diesem Thema kursieren etliche Unwahrheiten und Halbwahrheiten. Klar ist: Wir brauchen trainierte Muskeln, die uns wieder aktiv stabilisieren können. Unser Körper besitzt Muskeln im Überfluss, die dafür sorgen, dass der Fuß nicht zu sehr nach innen kippt, dass das Bein stabil und gerade bleibt, dass die Gelenke gestützt und damit geschützt werden oder dass der Stoß beim Aufkommen abgedämpft wird. Wir müssen sie nur trainieren und nutzen.
Hier kommt das Barfußlaufen ins Spiel. Ohne Schuhe, ohne Socken auf weichen Untergründen wie Rasen oder Sand zu laufen, trainiert wunderbar unsere Fußmuskulatur, die dann nach einiger Zeit auch wieder in der Lage ist, die Füße zu stabilisieren. Barfußschuhe, wie sie als "Zehenschuhe" verkauft werden, dienen dabei als Schutz vor Kälte, Nässe oder auch spitzen Gegenständen.
Über die Ferse abrollen? Katastrophal
Weiter brauchen wir einen Laufstil, der unseren muskulären Voraussetzungen entspricht. Wurde uns in den letzten Jahrzehnten von der Laufschuhindustrie eingetrichtert, wir müssten beim Laufen (wir sprechen hier vom Laufen, beim Gehen sieht die Sache etwas anders aus) über die Ferse abrollen, ist das aus orthopädischer Sicht im Grunde eine Katastrophe.
Landen wir weit vor dem Körper auf der Ferse, oftmals dazu noch mit gestrecktem Knie, dann können die relevanten Muskeln aufgrund ihrer Lage und ihres Verlaufes in dem Moment, in dem der Stoß von unten kommt, gar nicht dagegen halten. Schaut man sich mal die nackte Ferse an, dann wird man feststellen, dass unter der Ferse wenig bis keine Dämpfung vorhanden ist. Sämtliche Kräfte, die dann dabei entstehen, werden dem Schuh aufgedrückt.
Barfuß auf harten Untergründen laufend wird kaum ein Mensch auf der Ferse landen - das würde schlichtweg Schmerzen verursachen. Landen wir aber auf dem ganzen Fuß und das idealerweise auch noch nah vor dem Körper, sind sämtliche Muskeln aktiv und können den Stoß abfedern. Sofern sie das beherrschen.
Natural Running bedeutet ein wenig Arbeit für den Läufer. Auf der einen Seite brauchen wir mehr Kraft in den laufrelevanten Muskelgruppen, auf der anderen Seite eine bessere, natürlichere und aktivere Lauftechnik. Arbeiten wir an diesen Voraussetzungen, können wir langsam auch die Schuhe weniger stabil werden lassen: Der Laufschuh kann dann weniger passive Stabilität, weniger Stütze, weniger Dämpfung haben.
Wichtig ist, dass wir uns langsam umstellen - radikale Wechsel von Laufschuh oder Lauftechnik wird der Körper schnell mit Überlastungsproblemen quittieren. Der Orthopäde wird dann den Kopf schütteln und sagen: immer dieses Natural Running...