Lauftipp des Monats Der perfekte Laufschuh

Was macht gute Laufschuhe aus?
Foto: REUTERSGute Schuhe müssen es sein, mit ganz viel Dämpfung und viel Stabilität. Am Laufschuh darf man nicht sparen, so sagt es die Schuhindustrie und auch der Verkäufer Ihres Laufschuhfachgeschäft. Und gerade letzterer muss es ja wissen. Also begeben wir uns in ebenjenes Geschäft und lassen uns beraten. Von nun an sind Sie als Laie ausgeliefert. Sie werden nämlich schnell bemerken, dass es schier unmöglich ist, das riesige Angebot an verschiedenen Marken und Modellen zu überblicken. Der Verkäufer wird Ihnen einige Dinge erzählen über "Impact Guidance System", "Fluid Ride", "Guidance Line", "Biomogo", "PDRB" oder "Ballistic Rock Shield". Und das ist nur eine kleine Auswahl an Technologien, die Sie im Rahmen dieser Beratung erwartet .
Technologien im Schuh? Brauchen wir das? Sie wollen doch nur einen Laufschuh, kein Hochleistungssportgerät.
Beim Bezahlen wird es einem dann etwas schwindelig. Technologien sind teuer. Das wird spätestens jetzt klar. Nun dürfen Sie den einen großen Fehler nicht machen: Rechnen Sie niemals den Eurobetrag in die ehemalige Deutsche Mark um, denn hätten Sie damals etwa 300,- bis 400,- DM für einen Laufschuh ausgegeben? Das sind die normalen Preise, die Sie heutzutage für einen Schuh ausgeben müssen.
Die große Frage ist aber nun: Brauchen wir das alles in unserem Laufschuh? Oder vielmehr: Was muss mein Laufschuh denn alles können?
Diagnostiken vorweg
Schauen Sie doch vor Ihrem Schuhkauf mal auf Ihren Laufstil! Das können Sie auch zu Hause machen. Bitten Sie Ihren Partner/Partnerin, das Smartphone zu nehmen und Sie laufen durch das Bild. Bei einer Aufnahme von der Seite erfahren Sie sehr viel über Ihren Laufstil.
Wie setzen Sie denn Ihren Fuß auf? Auf der Ferse? Auf dem Mittelfuß? Auf dem Vorfuß? Das ist relevant für den Schuh, den Sie tragen können. Ein Fersenläufer benötigt beispielsweise etwas mehr Dämpfung, als ein Mittelfuß/Vorfußläufer. Bei Aufnahmen von hinten sehen Sie, zum Beispiel ob Sie O-Beinig, X-Beinig oder mit einer geraden Beinachse laufen.
Wenn die Aufnahmen genau sind, dann sehen Sie vielleicht auch, ob sie im Sprunggelenk deutlich nach innen einknicken, oder ob Sie genügend Stabilität haben, um das Sprunggelenk mit Ihren Muskeln zu halten. Ihr Laufschuhfachberater wird (hoffentlich) ähnliche Aufnahmen machen, bevor er zum richtigen Schuh greift. Auf jeden Fall macht es Sinn, wenn Sie sich selbst vorab ein Bild gemacht haben. Je mehr Sie über sich selbst wissen, desto weniger abhängig sind Sie von den Meinungen anderer.
Im Laufschuhmarkt existieren dutzende Hersteller, die allesamt eine komplette und umfangreiche Produktpalette an Modellen auf dem Markt haben. Sie können gewiss sein: Die gängigen Hersteller produzieren keine schlechten Schuhe. Ihr Kumpel läuft gerne und gut mit Asics? Prima, nur muss das nicht zwingend heißen, dass Sie mit Asics auch gut zurechtkommen. Machen Sie sich frei von dem Markengedanken und probieren Sie auch mal Modelle und Marken aus, die Sie bisher noch nicht an Ihrem Fuß hatten. Das Wichtigste ist nämlich...
Er muss passen!

Passt wie angegossen ...., oder?
Foto: CorbisDas ist erst einmal das allerwichtigste beim Laufschuhkauf. Der Schuh muss passen! Die verschiedenen Marken und Modelle haben unterschiedliche Passformen, der eine ist zum Beispiel breiter, der andere schmaler. Hier ist der Verkäufer gefragt, Ihren Fuß vernünftig und individuell zu beurteilen, um die Auswahl der Schuhe einzugrenzen.
Als Faustregel bei der Länge gilt, dass Sie vorn im Schuh noch etwa einen halben bis ganzen Daumen Platz haben sollten. Der Fuß rutscht beim Laufen immer noch etwas in den vorderen Teil des Schuhs hinein, sodass bei zu kleinen Schuhen der Zeh (meist der große Zeh) immer wieder vorne anstößt. Kollateralschäden, wie blaue Zehennägel könnten die Folge sein.
Vor Verletzungen schützen
Wir haben Hornhaut unter den Füßen, die uns vor kleineren Gefahren schützen würde, wären wir barfuß unterwegs. Spitze Gegenstände, Steinchen oder kleinere Scherben können wir eigentlich ganz gut damit tolerieren. Doch unsere Hornhaut ist nicht mehr die, die sie sein sollte. Insofern macht es Sinn, unsere Füße vor diesen potenziellen Verletzungen zu schützen.
Ja, ein Laufschuh muss dämpfen können. Und zwar den Stoß, der beim Aufsetzen des Fußes entsteht. Das kann durchaus - je nach Geschwindigkeit - das drei- bis sechsfache des eigenen Körpergewichts ausmachen. Das hört sich viel an und wird auch von den Marketingabteilungen der Laufschuhhersteller gerne genutzt. Aber: Der liebe Gott hätte uns gedämpfte Schuhe an die Füße gegeben, würden wir diese Dämpfung in dem Ausmaß wirklich brauchen.
Unsere Füße und Beine sind eigentlich dafür gemacht, barfuß auf weichen, natürlichen Untergründen zu laufen. Doch heute laufen wir eben nicht mehr auf weichen Untergründen, sondern primär auf hartem Asphalt. Der Laufschuh sollte nun eigentlich einen Ausgleich zwischen dem weichen Untergrund und dem Asphalt darstellen - mehr nicht.
Wieviel Dämpfung sollte sein?

Je flacher, desto besser
Foto: E+/Getty ImagesViel Dämpfung, so wie es die Schuhindustrie proklamiert, führt unweigerlich auch zu einem hohen Absatz. Und das wiederum verstärkt die Pronationsbewegung (siehe Kapitel Pronationsstütze). Zudem wird der Schuh bei zu viel Dämpfung "schwammig". Sie würden ja auch keinen Ferrari mit Geländereifen fahren, oder? Der würde in der Kurve nicht besonders sicher fahren.
Zu guter Letzt führt ein zu weicher Schuh dazu, dass Sie nicht mehr spüren, was unter Ihren Füßen passiert. Normalerweise ist Ihr Fuß perfekt dafür gemacht, verschiedene Untergründe zu "erfühlen", Unebenheiten, unterschiedliche Materialien usw. Fällt das weg, weil der Schuh das nicht mehr weitergibt, dann steigt die Gefahr von Verletzungen durch Umknicken und Fehlbelastungen, weil der Fuß häufiger in Situationen gerät, in denen er zu spät reagiert.
Probieren Sie es einfach mal mit einem etwas fester gedämpften Schuh mit weniger Dämpfungsmaterial aus. Keine Angst! Ihre Gelenke und Knochen brauchen gewisse Stoßbelastungen, damit sie sich vernünftig entwickeln können.
Je flacher, desto besser
Schon mal was von der Sprengung gehört? Keine Sorge, das hat nichts mit explosiven Stoffen im Schuh zu tun. Vielmehr sagt die Sprengung eines Schuhs darüber etwas aus, wie flach er gebaut ist.
Messen Sie das Material unter der Ferse und unter dem Vorfuß in Millimeter. Die Differenz der beiden Werte ergibt die Sprengung - quasi den Absatz. In den meisten Schuhen wird die Ferse höher gebaut sein, als der Vorfuß. Mitunter gab/gibt es Schuhe, die mehr als 20 Millimeter Sprengung haben. Das ist vom lieben Gott sicherlich nicht so gewollt, denn barfuß stehen wir auf 0 Millimeter Sprengung. Dass im Schuh auf einmal 10 bis 20 Millimeter (je nach Schuh) Sprengung auftauchen, führt zu einem massiven orthopädischen Einfluss. Das Resultat ist eine signifikante Verschlimmerung der Pronationsbewegung - was meist mit einer Pronationsstütze wieder aufgefangen werden muss. Also auch hier: Lassen Sie sich von Ihrem Verkäufer auch mal einen flacher gesprengten Schuh geben - es muss ja nicht direkt einer mit 0 Millimeter sein. Sie werden den Unterschied sofort spüren!
Pronationsstütze oder lieber Leisten?

Stabilschuhe stützen den Fuß
Foto: © Fabrizio Bensch / Reuters/ REUTERSEs kann irreführend sein, wenn von Stabilschuhen gesprochen wird. Doch im Laufschuhmarkt spricht man von Stabilschuhen, wenn der Schuh mit einer so genannten Pronationsstütze ausgestattet ist. Dabei ist an der Innenseite der Sohle das Material härter geschäumt, als an der Außenseite der Sohle. Drücken Sie mit dem Finger kräftig in beide Seiten hinein, dann stellen Sie den Unterschied fest. Ein pronationsgestützer Schuh wird denjenigen Läufern empfohlen, die eine Überpronation haben - das bedeutet ein übermäßiges nach innen Kippen des Fußes in der Stützphase beim Laufen. Dazu wird im Geschäft häufig eine kleine Videoanalyse des Laufbildes gemacht.
Leider wird viel zu häufig und viel zu schnell auf einen pronationsgestützten Schuh zurückgegriffen. Diese können nämlich - falsch "verordnet" - zu massiven Problemen führen. Bei O-Beinen verbietet es sich beispielsweise, eine Pronationsstütze im Schuh zu haben, genauso bei denjenigen, die schon mit orthopädischen Einlagen laufen! In dem Fall greifen Sie auf einen neutralen Schuh ohne Stütze zurück! Generell gilt: Wenn keine Probleme bestehen, sollte nicht "eingegriffen" werden. Prophylaktisch einen Schuh mit Stütze zu nehmen, ist nicht sinnvoll!
Schuster, bleib bei Deinen Leisten
Der Leisten ist eine Möglichkeit, den Schuh individuell anzupassen. Es gibt tendenziell drei Leistenformen. Den geraden, halbgebogenen oder gebogenen Leisten. Der gerade Leisten ist eher breiter und hat viel Auflagefläche, insbesondere im inneren Bereich des Schuhs. Daher ist der besonders geeignet bei schwereren Läufern, die schwere Pronationstendenzen zeigen. Diese Methode wäre dann einem pronationsgestützen Schuh vorzuziehen.
Der halbgebogene Leisten ist ein Mittelding, bietet innen etwas weniger Unterstützung, als der gerade Leisten und ist damit bei Läufern sinnvoll, die leichte Pronationstendenzen haben. Laufen Sie aktiv und haben keine Pronationstendenzen, dann greifen Sie doch eher auf einen gebogenen Leisten zurück. Dieser ist der Fußform nachempfunden und ist somit ideal für den gesunden, stabilen Fuß.
Steifer Schuh oder doch eher flexibel? Es gibt Schuhe, bei denen die Sohle fester und steifer ist. Damit wird er stabiler gegen Verbiegen und Verdrehungen - die sogenannte Torsion. Um zu testen, ob sie grade einen stabilen oder flexiblen Schuh in der Hand halten, zerknautschen Sie ihn in der Hand. Sie werden schnell feststellen, welcher Schuh stabiler und welcher flexibler ist. Auch hier gilt wieder, weniger Stabilität ist oft mehr. Dafür haben viele Hersteller mittlerweile Kerben in die Sohlen geschnitten, damit der Schuh flexibler wird. Dies ähnelt dann auch mehr dem natürlichen Fuss, der mit seinen jeweils 26 Knochen ebenso sehr flexibel ist. Insofern: wenn sie nicht mit schweren Überpronationstendenzen zu kämpfen haben, warum nicht einen flexibleren Schuh ausprobieren?
Fazit

Dem Fuß Zeit lassen, sich an mehr Arbeit zu gewöhnen
Foto: Marius Becker/ picture alliance / dpaFlacher, flexibler, straffer gedämpft, leichter - probieren Sie es aus! Sie werden Ihre alten schweren, stabilen und steifen Schuhe nicht mehr gerne anziehen nach einem Wohlfühllauf in den neuen Tretern. Doch bei aller Freude: Beginnen Sie vorsichtig und machen Sie zunächst nur kurze Läufe damit. Lassen Sie Ihrem Körper Zeit, sich darauf einzustellen, dass der Fuß wieder mehr arbeiten muss. Langfristig tun Sie sich sehr viel Gutes! Das Problem: Auch die Schuhe mit weniger Technologien dürften sie nur geringfügig günstiger erhalten, als die oben genannten.