

Lauftipp des Monats Laufen bei Hitze – worauf Sie achten müssen
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Irgendwas ist ja immer. Mal ist es zu kalt, mal fällt zu viel Regen, es liegt Glatteis auf der Laufroute oder ein Gewitter kündigt sich an. Im Moment ist es zu heiß. Wir haben Hochsommer und ja, da steigen die Temperaturen gern mal über 30 Grad im Schatten. Aber so ist das eben, wenn man Outdoor-Sportler ist.
Klar, Läufer können auch auf das Laufband in klimatisierten Fitness-Studio ausweichen, aber Hand aufs Herz: Draußen ist es schöner, oder? Das macht doch gerade den Reiz beim Laufen aus, dass man eins wird mit der Natur und mit den Jahreszeiten. Gerade bei Regenwetter sage ich meinen Athleten gern: Das Wetter da draußen ist selten so schlimm, wie es von drinnen aussieht. Also raus mit Ihnen!

Sonja von Opel ist Laufexpertin und Lebensläuferin. Mit einer Marathonbestzeit von 2:52h und als erfolgreiche Ultraläuferin gibt sie ihr Wissen und ihre Liebe zum Laufen in Laufcamps, Vorträgen, Büchern und vor allem als Online-Coach von über 100 Athleten pro Saison mit großer Begeisterung weiter. Als Geschäftsführerin der "Sonja von Opel Sports GmbH" bewegt sie nicht nur ihre Athleten vom Schreibtisch aus, sondern veranstaltet das ganze Jahr hindurch Laufreisen, Trainingscamps und Sportevents: www.sonjavonopel.com
Was? Das ist zu gefährlich bei der Hitze? Zugegeben, es ist für den Organismus eine Herausforderung, aber gefährlich würde ich es nicht nennen. Zumindest nicht, wenn sie grundsätzlich gesund und schon ein wenig trainiert sind. Selbstverständlich sollte man die gängigen Hochsommer-Regeln des Laufsports beachten:
· Lieber früh morgens laufen, als am Abend! Und zwar am besten ganz früh gleich um 6:00 Uhr. Schließlich geht die Sonne schon sehr früh auf, es ist hell, die Luft ist noch kühl und frisch und die Vögel zwitschern ein "Guten Morgen", wenn Sie vor die Tür treten. Den Wecker also abends pünktlich stellen, Laufklamotten so bereitlegen, dass man praktisch beim Toilettengang darüber fällt und los …
· Wer im Hochsommer bei Hitze läuft, der sollte unbedingt über Tag viel trinken. Mineralwasser oder eine dünne Schorle eignen sich prima, um stets ausreichend hydriert zu sein. Praktischer Tipp: Je heller die Farbe des Urins ist, desto besser sind Sie mit Flüssigkeit versorgt!
Tempo runter, und so oft wie möglich nass machen
· Beim Laufen selbst dürfen Sie sich gern so oft es geht nass machen. Wasser aus dem Dorfbrunnen über den Kopf kippen, einmal kurz durch den Rasensprenger hüpfen oder gleich in voller Laufmontur ins nächstgelegene Gewässer springen. Feuchtigkeit auf der Haut ist das ultimative Kühlsystem, dessen der Körper sich ja im Grunde auch bedient, indem er schwitzt. Und keine Angst vor nassen Laufschuhen: Die trocknen bei der Hitze schnell wieder! Sie sollten nur gute Laufsocken tragen, damit Sie sich mit nassen Füßen keine Blasen laufen.
· Tempo runter! Die Pace ist in diesen Tagen komplett zweitrangig. Am besten schalten Sie die Pace-Anzeige komplett aus und achten nur auf den Puls. Und der ist bei hohen Temperaturen natürlich extrem hoch, denn der Organismus muss viel Energie aufwenden, um die Körperkerntemperatur niedrig zu halten. Das gelingt ihm nur mithilfe eines erhöhten Herzschlags.
So, und damit bin ich beim entscheidenden Punkt: Der erhöhte Herzschlag. Was die einen "gefährlich" nennen, nenne ich "Trainingsreiz". Sie sollten ohnehin Kenntnis über Ihr Pulsverhalten haben, also über die Fähigkeit ihres Herzens, maximal schnell zu schlagen. Das nennen wir im Fachjargon "maximale Herzfrequenz" und die ist bei jedem Menschen unterschiedlich hoch. Die maximale Herzfrequenz, abgekürzt "HF max." sagt nichts darüber aus, ob jemand fit oder unfit ist. Sie ist eine individuelle Kenngröße, genetisch vorgegeben, die es alle paar Jahre zu bestimmen gilt, weil sie mit steigendem Alter sinkt. Wer also seine HF max. kennt, der kann von diesen 100 Prozent dann die einzelnen Belastungsintensitäten errechnen. Und wer meine Trainingspläne kennt, der kennt auch diese Einteilung:
Langsamer Dauerlauf
Intensität: 70–75% der maximalen Herzfrequenz
Skala von 1 bis 10: 1 bis 2
Beschreibung: extrem leichtes Tempo, fast zu langsam
Sprechtest: sehr problemlose Konversation in ganzen Sätzen
Ruhiger Dauerlauf
Intensität: 75–80% der maximalen Herzfrequenz
Skala von 1 bis 10: 3 bis 4
Beschreibung: leichtes Wohlfühltempo
Sprechtest: problemlose Konversation in kurzen Sätzen
Lockerer Dauerlauf
Intensität: 80–85% der maximalen Herzfrequenz
Skala von 1 bis 10: 5 bis 6
Beschreibung: moderates Tempo, was Spaß macht
Sprechtest: Sprechen wird auf Dauer schwierig aber kurze Sätze gehen noch
Zügiger Dauerlauf oder Tempodauerlauf
Intensität: 85–90% der maximalen Herzfrequenz
Skala von 1 bis 10: 7 bis 8
Beschreibung: hartes Tempo aber an guten Tagen länger machbar
Sprechtest: nur noch einzelne Worte sind möglich
Schnell oder Tempoläufe
Intensität: 95–100% der maximalen Herzfrequenz
Skala von 1 bis 10: 9 bis 10
Beschreibung: extrem hohes Tempo, was nur über eine kurze Distanz gut geht
Sprechtest: "Kann nicht sprechen!"
Man sollte seinen Pulsbereich kennen - und stets auf Belastung Erholung folgen lassen
So, und es spricht gar nichts dagegen, nach exakt diesen Pulsbereichen auch bei Hitze zu trainieren. Wichtig ist nur, dass Sie nicht jeden Tag einen Dauerlauf mit über 85 Prozent Ihrer HF max. machen, denn das macht gar keinen Sinn. Sinn macht immer, dass auf eine Belastung (Tempodauerlauf, Tempoläufe oder besonders langer Lauf) eine Erholung (langsamer oder ruhiger Dauerlauf) kommt.
Der lockere Dauerlauf ist eher eine Einheit für die Zwischensaison und hier zu vernachlässigen. An dem einem Tag laufen Sie also mit einem Puls von über 85 Prozent und beim nächsten Training achten Sie streng darauf, dass der Puls deutlich unter 80 Prozent Ihrer maximalen Herzfrequenz bleibt. Sollten Sie meinen Tipp vergessen haben, Ihre Paceanzeige auszuschalten, dann werden Sie natürlich sehen, dass Sie in vergleichbaren Pulsbereichen viel, viel, viel langsamer unterwegs sind, als bei Temperaturen unter 20 Grad, aber genau das ist ja im Hochsommer egal.
Laufen bei Hitze ist wie Training mit einer Gewichtsweste
Das Laufen bei Hitze ist vergleichbar wie das Training mit einer Gewichtsweste! Mit jedem Grad Hitze legen Sie sich sozusagen noch ein Kilo mehr auf die Brust und klar, dann müssen Sie das Tempo anpassen, um nicht zu kollabieren, aber der Trainingsreiz, also die Leistung, die Ihr Herz abliefern muss, ist ja trotzdem gegeben.
Und eines verspreche ich Ihnen: Wenn Sie sich streng an das Prinzip mit der Belastung und der ausreichenden Erholung halten, dann werden Sie im Herbst, wenn die Temperaturen sinken, einen großen Leistungssprung verzeichnen und schneller laufen können, denn je. Und dann melden Sie sich zu einem Lauf im Oktober an und überprüfen meine These. Viel Spaß und viel Erfolg!