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Fit ohne Geräte: So ist man sich selbst genug beim Training

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"Fit ohne Geräte"-Experte Mark Lauren "Sie müssen schon Gas geben!"

Das Credo von Fitnessexperte Mark Lauren: Beim Training kann man sich selbst genug sein. Seine Bücher "Fit ohne Geräte" und "Fit ohne Geräte für Frauen" waren Bestseller. Demnächst erscheint seine App "You are your own Gym" auf Deutsch.
Von Sarah Tschernigow

mm: Herr Lauren, wie viele Liegestütze schaffen Sie aktuell?

Lauren: Jetzt am Stück? Das weiß ich gar nicht so genau. Mein Rekord lag bei 137 in zwei Minuten.

mm: Und in einer Minute?

Lauren: 60, 70 saubere.

mm: Aber Sie wollen mir doch nicht erzählen, dass Ihre Muskeln von einem Workout ohne Geräte kommen!

Lauren: Doch, sicher! (lacht). Die Leute haben völlig falsche Vorstellungen davon, wie man zu einem durchtrainierten Körper kommt. Sie glauben, das geht nur mit schweren Gewichten. Aber das stimmt nicht. Entscheidend ist die Intensität beim Trainieren. Ich muss meine Übungen so gestalten, dass meine Muskeln nach fünf bis fünfzehn Wiederholungen erschöpft sind.

mm: Ja eben. Es ist doch ein Unterschied, ob ich einfach Kniebeuge mache, oder dazu 80 Kilo auf der Schulter habe!

Lauren: Das stimmt. Erstmal ist es plausibel, mit Gewichten die Intensität des Trainings zu erhöhen. Sie legen einfach eine Scheibe mehr auf. Aber ich kann auch ohne Geräte meine Übungen so variieren, dass ich nach fünfzehn Wiederholungen erschöpft bin. Wenn Ihnen normale Kniebeuge zu leicht sind, dann machen Sie sie nur auf einem Bein. Oder Sie halten die Position an ihrem anstrengendsten Punkt mehrere Sekunden. Und beim Liegestütz: Legen Sie die Füße auf einen Stuhl und machen Sie die Liegestütze bergab. Oder einarmig. Mal sehen, wie viele Sie davon noch schaffen!

"Sogar meine Oma macht Liegestütze"

mm: Jeder soll die Übungen individuell anpassen?

Lauren: Genau. Sogar meine Oma macht Liegestütze! Sie lehnt sich schräg gegen die Wand oder einen hohen Tisch. Für sie ist das anstrengend, und der Körper bekommt seinen Trainingsreiz.

mm: Wie kann ich Intensität noch variieren?

Lauren: Sie haben zwei Möglichkeiten, die Intensität zu steuern. Einmal über die Hebelwirkung, wie eben am Liegestütz verdeutlicht: Je aufrechter ich dabei bin, desto einfacher wird es. Oder ich variiere das Tempo und mache zum Beispiele alles einmal doppelt so schnell. Aber bei der Frage der Intensität geht es auch immer darum, was Sie eigentlich wollen. Möchten Sie dicke Muskeln bekommen, oder ein guter Ausdauersportler sein?

mm: Ich möchte einfach fit sein.

Lauren: Fit sein heißt, dass Sie Ihren Alltag gut bewältigen können, dass Sie die Kraft und Ausdauer für das haben, was Ihnen begegnet. Treppen steigen, Kisten tragen, dem Bus hinterher rennen.

mm: Aber diese Grundlagen kriege ich doch mit allen möglichen Sportarten hin, oder? Reicht es dafür nicht, ab und zu joggen oder schwimmen zu gehen?

Lauren: Sportler sind immer in ihrer Disziplin fit, aber nicht generell. Schwimmer und Läufer haben Kondition, ja. Aber sind sie besonders gut darin, schwere Dinge von A nach B zu tragen? Nein. Und stellen Sie sich umgekehrt einen olympischen Gewichtheber vor, der mit Ihnen durch den Park rennen soll. Ich glaube nicht, dass er gewinnt.

"Crossfit ist ein gutes Konzept - aber ich habe ein Problem damit"

mm: Heißt fit sein also, dass ich alles können muss? Das geht doch gar nicht!

Lauren: Fitness heißt auf jeden Fall, dass Sie verschiedene Kompetenzen mitbringen: Kraft, Ausdauer, Beweglichkeit, Schnelligkeit und Koordinationsvermögen. Ein Marathonläufer, der einfach nur Ausdauer hat, aber keine Kraft, ist für mich kein fitter Mensch.

mm: Dann müssten Sie ein Fan von Crossfit sein, das viele Disziplinen kombiniert.

Lauren: Crossfit ist ein gutes Konzept, und die Athleten definieren Fitness genauso wie ich. Aber ich habe trotzdem ein Problem damit. Denn die Übungen beim Crossfit, zum Beispiel das olympische Gewichtheben, sind sehr anspruchsvoll und komplex. Sie setzen viel Knowhow voraus. Die meisten Menschen beherrschen das gar nicht. Und dann sollen sie das Ganze auch noch so schnell machen, wie sie können. Was ich hier in den USA sehe, wo es schon lange Crossfit gibt: nur wenige, vielleicht fünf Prozent, haben eine lange Crossfit-Karriere, weil Sie ihrem Körper ganz schön viel zumuten.

mm: Aber Ihre Übungen ohne Geräte haben es auch in sich...

Lauren: Ja. Nur wissen Sie, der Vorteil bei meinen Körperübungen ist? Dass Sie gut darin werden, das einzige zu benutzen, was Sie immer bei sich haben: sich selbst. Und das ist genial. Wenn Sie Gewichte stemmen, dann werden Sie in erster Linie darin gut, ein Gewicht zu stemmen, verstehen Sie? Im Fitnessstudio trainieren viele ihren Bizeps isoliert. Wie oft müssen Sie diese Bewegung im Alltag machen? Gar nicht. Morgen früh müssen Sie vielleicht Ihr Kind aus dem Auto heben. Eine komplexe Bewegung, bei der Sie rotieren und zahlreiche Muskeln auf einmal benötigen. Und genau das passiert auch bei meinen Körperübungen.

mm: Wieviel Training braucht der Mensch?

Lauren: Ich persönlich trainiere zweieinhalb bis drei Stunden pro Woche. Das reicht. Ich will ja kein Profiboxer oder Profigewichtheber werden, sondern fit sein.

"Die meisten Frauen haben andere Trainingsziele"

mm: Sie haben Anfang des Jahres ein Buch für Frauen herausgebracht. Warum sollen die anders trainieren als Männer? Das ist doch wieder so ein Fitnessirrtum!

Lauren: Sie haben Recht, Frauen müssen genauso trainieren wie Männer! Und genau das erkläre ich Ihnen in diesem Buch. Die meisten Frauen haben andere Trainingsziele. Sie wollen schlank sein und keine dicken Muskeln haben. Nur machen Sie den Fehler, dass Sie aus Angst vor Muskelwachstum in Aerobic- und Zumbakurse gehen. Und wenn Sie an den Geräten sitzen, wählen sie häufig ein leichtes Gewicht und machen unzählige Wiederholungen. Das ist falsch. Davon wird der Körper nicht geshaped.

mm: Frauen kriegen nicht so schnell Muskeln wie Männer?

Lauren: Richtig. Denn sie haben viel weniger Testosteron im Körper. Und gerade deshalb ist es für Frauen umso wichtiger, die Muskeln zu trainieren! Sie sehen das an älteren Damen, die sich nicht betätigen. Sie klagen schneller über Rückenprobleme und ähnliches. Sie bauen die Muskeln schneller ab. Also Frauen, macht Krafttraining! Glauben Sie mir, um Muskeln zu bekommen wie die Männer, müssen Sie über Jahre sehr hart trainieren. Das geht nicht so einfach.

mm: Was mache ich, wenn ich total untrainiert bin?

Lauren: Für jemanden, der sich nie bewegt, kann es schon anstrengend sein, 30 Minuten ohne Pause zügig zu gehen. Wunderbar! Machen Sie das! Fangen Sie auf ihrem Level an, geben Sie Ihrem Körper einen Reiz und schrauben Sie die Intensität höher. Immer so, dass es Sie fordert. Wenn Sie sehr sportlich sind, bringt es Ihnen nichts, wenn Sie sich zwei Stunden bei moderater Herzfrequenz auf einen Stepper stellen. Sie müssen schon Gas geben.

mm: Sie mögen wohl keine Stepper. Sie sind ein Gegner von Fitnessstudios generell, oder?

Lauren: Naja, es hat sich schon in diese Richtung entwickelt. Aber mein Konzept habe ich nicht gezielt als Gegenentwurf gemacht mit dem Ziel damit Geld zu verdienen. Es hat sich aus meiner eigenen Erfahrung entwickelt. Vor allem beim Militär. Da habe ich Soldaten fit gemacht. Wir haben gemeinsam Methoden gesucht, mit denen wir schnell gute Ergebnisse erzielen. Dann habe ich irgendwann ein Buch darüber geschrieben.

"Sie brauchen keine Fitnessstudios, um fit zu werden"

mm: Haben Fitnessstudios nicht das gleiche Ziel wie Sie? Leute fit zu machen?

Lauren: Fitnessstudios interessiert es nicht, ob Ihre Mitglieder schnell in irgendetwas gut werden. Ihnen geht es um Geld, darum, viele Menschen auf einmal günstig abzufertigen. Deshalb auch die ganzen Hilfsmittel und Geräte. Die stehen da und Sie können sich bedienen.

mm: Fitnessstudios haben auch viele Vorteile. Es gibt Trainer und Maschinen, die mich führen...

Lauren: Ich sage nicht, dass mein Weg der beste und einzige ist. Vieles, was im Fitnessstudio gemacht wird, ist auch effektiv. Langhanteltraining ist ja nichts Falsches oder Schlechtes. Gut am Fitnessstudio ist sicher auch die soziale Komponente. Menschen verabreden sich dort zum Training. Nur sage ich, dass Sie das nicht brauchen, um fit zu werden.

mm: Es gibt böse Rezensionen ihrer Bücher. Eine Leserin beschwert sich darüber, dass sie Klimmzüge an ihrer Wohnzimmertür machen soll. Sie sagt, dass ihre Tür das nicht aushält.

Lauren: Man kann immer Gründe finden, etwas nicht zu tun. Ich sage nicht, dass Sie die Klimmzüge an der Tür machen müssen. Suchen Sie sich draußen einen Baum. Oder testen Sie Ihre Möbel vorher. Oder lassen Sie sie eben weg. Sie brauchen für die allermeisten Übungen absolut keine Zusatzgeräte, sondern nur sich selbst.

mm: Sich selbst und Ihre neue App?

Lauren: Meine App "You are your own Gym" ist eine Zusammenstellung für unterwegs mit hunderten Workouts. Egal, wo Sie sind, überall können Sie trainieren. Im November kommt die deutsche Version raus.

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