Körperliche Ertüchtigung braucht meist etwas Überwindung. Leichter fällt sie mit schicken neuen Geräten - auch wenn es am Ende immer wieder auf dasselbe hinausläuft: Wie kommt man gut ins Schwitzen? mmo-Autorin Sarah J. Tschernigow hat sich auf der Fachmesse Fibo umgesehen.
Köln - Auch für eingefleischte Fitnessfreaks sind Laufbänder und Brustpresse auf Dauer ziemlich langweilig. Die rund acht Millionen Deutschen, die in einem Fitnessstudio angemeldet sind, wollen aber bei Laune gehalten werden. Und so denken sich die Gerätehersteller immer neue Verrücktheiten aus.
Zahlreiche Innovationen wurden am vergangenen Wochenende in Köln auf der Fibo vorgestellt, der weltgrößten Messe für Fitness, Wellness und Gesundheit. Bei den Neuheiten zeichnete sich ein Trend ganz deutlich ab: die Maschinen werden gesundheitsorientierter, funktionaler und freier in der Handhabung.
Hier sind die interessantesten Trends und Geräte der Fitnessmesse:
Elliptigo: Der Crosstrainer für draußen
Wer Fitnessstudiobesucher scharf beobachtet, dem fällt auf: der Crosstrainer ist die erste Wahl, wenn es um das Warm-Up oder ein schweißtreibendes Cardiotraining geht. Aber ganz ehrlich: ein bisschen langweilig ist das auf die Dauer schon. Und auch das Laufband oder das Fahrrad sind nicht wirklich origineller.
Die Firma Elliptigo dachte sich: kombinieren wir einfach Fahrrad, Crosstrainer und Laufband und verfrachten das Ganze nach draußen. Gut, etwas sperrig ist das Gerät schon. Es erinnert an ein langgestrecktes Fahrrad. Ein sehr langgestrecktes. Fast zwei Meter misst es und wiegt in der leichtesten Ausführung stolze 18 Kilogramm. "Die Fortbewegung ist umso anstrengender", sagt Geschäftsführer Stefan Pöpper, "das meiste muss ich schon selber tun."
Er lacht, als er das sagt, denn im Vergleich zu vielen anderen Geräteherstellern verzichtet er weitgehend auf Spielereien. Nur eine Gangschaltung gibt es; der Trainierende kann beim Kauf zwischen einer 3-, 8- und 11-Gangschaltung wählen und außerdem die Schrittlänge verstellen.
Elliptigo macht auf jeden Fall Spaß, wenn die richtige Position erst einmal gefunden ist. Denn der Aufstieg ist etwas wackelig. "Reine Gewohnheit", meint Pöpper. Oben angekommen, fällt gleich die fantastische Aussicht auf. Es ist wie mit einem Traktor durch den Stadtverkehr fahren und denken "Ich bin viel größer als ihr!" Grund ist die aufrechte Körperhaltung. Dadurch bleiben auch Schulter und Nacken geschmeidig und man kann die Landschaft drum herum genießen. Aber: Vorsicht im Straßenverkehr, sagt man so schön.
Bis zu 40 km/h sind mit Elliptigo drin, heißt es beim Hersteller. Das erscheint ziemlich viel und ist angesichts der Tatsache, dass das Gerät nur für Asphalt gedacht ist, in der Stadt zumindest unrealistisch. Wie schön, dass der Körper dafür ("nachweislich") 33 Prozent mehr Kalorien verbrennt als beim Radfahren, weil mehr Körperpartien beansprucht werden. Deshalb wurde das Gerät übrigens auch von Physiotherapeuten gelobt. Der Geschäftsführer erklärt: "Es ist das perfekte Gerät für alle Menschen mit Gelenkproblemen, die gerne joggen würden, aber nicht können." Joggen ist allerdings deutlich preiswerter: Elliptigo kostet zwischen 1800 und 3500 Euro.
Octane Lateral X: Spaciges Workout
Der Lateral X gehört zu den Top-Innovationen auf der Fitnessleitmesse Fibo in diesem Jahr. Thomas Janz, Geschäftsführer von LMT Deutschland GmbH vertreibt das Gerät und erklärt eine weitere Besonderheit: "Auf Knopfdruck gibt es ein richtig hartes Workout. Mit eigener Trittintensität steigt gleichzeitig der Widerstand. Je schneller und stärker Sie treten, desto größer werden die Bewegungen, desto intensiver wird das Ganze."
Weit über hundert Programme sorgen für die (dringend notwendige) Abwechslung, denn so spannend ist es nach einiger Zeit nicht mehr. Also gibt es Varianten für Geschwindigkeit, Belastung, Griffposition. Vieles ist möglich. Angeblich sogar kleine Wunder. "Ich hatte einen Kreuzbandriss, und Dank der Übungen habe ich hinterher weniger Schmerzen gehabt. So richtig erklären kann ich mir das nicht.", lacht Thomas Janz, der aber schon einräumt, dass er jemanden mit Hüftschaden nicht auf das Gerät stellen würde.
Unterm Strich aber steht diese Maschine für einen klaren Trend in der Fitnessbranche: mehr gesundheitsorientiert trainieren, dazu kurz und heftig. Wir haben ja alle keine Zeit und hätten gerne Fitness to go in der Mittagspause. Der Gang ins Studio wird aber den meisten nicht erspart bleiben, denn mit 8000 bis 9000 Euro ist der Lateral X nicht gerade ein Schnäppchen.
Climbstation: Die mobile Kletterwand
Eine integrierte Sensorik erkennt, an welcher Stelle sich der Sportler gerade befindet und bringt die Gesamtkonstruktion in die richtige Position. Der ganze Körper wird gefordert, schon einfach so klettern, sich quasi in Ausgangsposition bringen, ist für Anfänger nicht leicht. Wer sich denkt: eine Runde gedreht, hab ich das Gerät ausgereizt, der irrt. Die Wand lässt sich nicht nur computergesteuert um die eigene Achse drehen, sondern auch in alle erdenklichen Winkel neigen. Ganz genau zwischen 15 und 45 Grad. Als i-Tüpfelchen werden die Griffe und Positionen des Kletterers gespeichert und - Achtung - ausgewertet!
Ein Zettel, auf dem "Loser" steht, wird aber am Ende nicht ausgespuckt. So innovativ ist die Climbstation dann doch nicht. Aber ganz schön teuer. Etwa 30.000 Euro. Sie kann aber auch gemietet werden, ab 600 Euro im Monat.
Fiveriders: Für Bauchtänzer und Skiläufer
Was aussieht wie ein Laufband mit integrierten Skiern, ist eine Cardiomaschine, die in Aktion Laufband, Skaten und Aerobic miteinander verbindet. Die klassische Übung ist: die Beine gestreckt in Scherbewegungen vor und zurück bewegen. Es sieht gefährlich aus, als würde man mit zu viel Schwung unfreiwillig im Spagat langen und sich die Sehnen durchtrennen. Abbremsen, so die Anweisung der Trainer. Schon nach wenigen Minuten ist die Übung deutlich im Oberschenkel und Hüftbeuger zu spüren. Denn so bewegt sich niemand im Alltag. Auch syrische Bauchtänzer nicht, die das Teil aber unbedingt haben wollten. "Sie haben die zündende Idee gegeben", sagt Jaroslav Kubický, der Fiveriders erstmals in Deutschland vorstellt. Seine Mutter sei in Syrien unterwegs gewesen, warum, weiß er nicht mehr, und dort hätten arabische Bauchtänzer ihr Leid geklagt: sie wünschten sich so sehr ein Fitness-Gerät, das etwas für ihre Haltung tut und gleichzeitig das Herz-Kreislauf-System fordert.
Herausgekommen ist diese Maschine, die absolut nichts Tänzerisches an sich hat, außer der hübschen Assistentin, die es vorführt. Spannend ist es dennoch: die Fußteile lassen sich herausnehmen und von einer Längs- in eine Vertikalstellung bringen. Es ist erstaunlich, wie viele verschiedene Bewegungen sich damit machen lassen. Dank einer Rundum-Stange sogar Kraftübungen, wie Crunches oder Liegestütze. "Hier wird die Tiefenmuskulatur angesprochen", erklärt Jaroslav. "Die benutzen wir im Alltag kaum. Und für arabische Bauchtänzer ist das umso wichtiger, weil die in der Regel nicht so drahtig und durchtrainiert sind, sondern meistens etwas Speck um die Hüften haben." Ah! Vielleicht sollte das Gerät dann besser in den Orient exportiert werden? "In Syrien steht ein Prototyp. Sonst gibt es die Maschine bisher nur in Tschechien."
Kettlebells: Schwere Kugeln zum Schwenken
Und ganz so weit hergeholt ist das nicht, denn die Kettlebells sind ganz klar ein Kraftgerät, das vorwiegend von Männern zum Muskelaufbau genutzt wird. Ursprünglich kommen sie aus Russland, wo vor 50 Jahren nach dem Motto "hart macht fit" trainiert wurde. Als Ansage an den Westen. Heute kann man sie vereinzelt in den Pumper-Ecken der Fitnessstudios finden. Martin Jelitte von IFS (International Fitness Sports) ist einer von mehreren, die die Kettlebells vertreiben und auf der Fitnessmesse präsentieren.
Das Gerät ist erstaunlich dominant auf der Messe, als bereitete es hochpoliert sein Comeback mit Zielgruppenerweiterung vor. Tatsächlich wurden auf der Messe auch Damen gesichtet, die sich an die Kugelhantel trauten. "Also meine Frau nimmt die für Kniebeuge links und rechts in die Hand", sagt Jelitte überzeugend. "Wie eine Handtasche." Ja, sicher. Die schwingt ja auch beim Spazierengehen und wiegt, je nach Shoppingerfolg, zwischen 10 und 30 Kilogramm.
Bei näherer Betrachtung sind die Kettlebells, deren Name übrigens aus dem Russischen kommt, aber keineswegs einfach nur Gorillagewichte. "Damit können Sie ballistische Übungen machen", sagt der Vertriebsleiter von IFS. Wie bitte? "Es geht nicht um eine statische Bewegung, wie wenn Sie zum Beispiel den Bizeps an der Maschine trainieren, sondern um komplexe Bewegungen mit Balance. Zum Beispiel Hinterkopf-Schwingen." Aua. Bitte den Spiegel heile lassen. Und nicht erschrecken, wenn die Dinger plötzlich anfangen zu vibrieren.
Wie auch Martin Jelitte bleiben die meisten Hersteller zwar bei der klassischen Kanonenkugel, wie sie auch genannt wird, aber andere, wie die Firma Skandika haben quasi das iPhone der Kettlebells auf den Markt gebracht: "im kultigen iDesign". Heißt einfach nur: weiß lackiert mit akkubetriebener Rüttelfunktion. Wie immer, wenn es um Vibration geht, sollen damit die Tiefenmuskeln erreicht werden. In dem Fall wiegt die Kettlebell auch nur 3, 5 Kilo. Bringen tut es aber nur etwas, wenn die Bewegungen kontrolliert ausgeführt werden, bis in eine gezielte Höhe und nicht nach dem Motto "so hoch und schnell ich kann". Denn sonst hat es mit Krafttraining irgendwie nichts mehr zu tun (16 Euro bis 180 Euro, 32 Kilo, verdelte Ausführungen, Hochglanz-Chrom 250 Euro).
Sypoba: Gleichgewichtstraining für Hirn und Muskeln
Aber bis dahin braucht es Geduld. Denn alleine, um auf dem Ding stehen zu können, braucht es, laut Jörg Mahl, 30 Minuten. Er kann nicht empfehlen, sich Sypoba für zuhause zu kaufen, sondern macht Werbung für Kurse: "Zuhause machen die Leute nur eines darauf: sie balancieren, dann steht es in der Ecke. Das ist nicht Sinn der Sache." Deshalb bildet er in Köln Trainer für das Gerät aus und hofft, dass es bald die Fitness-Studios erobert. In der Schweiz ist Sypoba schon ein ziemlicher Renner. Kostenfaktor: ca. 230 Euro.
Übrigens kommt das System aus dem Leistungssport und wurde als ergänzendes Trainingsgerät entwickelt. Der Begriff steht für "System Power in Balance". Kaum vorstellbar, dass die Übungen, die wirken, als würde man sich jederzeit die Haxen brechen, hier ausgerechnet bei dem Kurieren von Verletzungen zum Einsatz kommt, oder auch, wenn es darum geht Dysbalancen und Fehlhaltungen auszugleichen. Wer Sypoba kann, kann es jedenfalls gut. Und wer es nicht kann, tut was fürs Hirn. "30 Prozent der Leistung ist neurologisch", sagt Trainer Jörg Mahl.
Antigravity: Yoga in der Hängematte
Es dauert schon einen Moment, die richtige Sitzposition zu finden, die Hände seitlich an der Hängung zu positionieren und dann genug Vertrauen aufzubringen, sich zurückzulehnen, um am Ende nur an den Füßen über dem Boden zu hängen. Die Verletzungsgefahr ist laut Alexander Schlempp aber gering: "Es gibt immer top ausgebildete Trainer dort, wo dieses System angeboten wird." Die roten Tücher sind ganz klar nicht für das heimische Wohnzimmer gedacht, sondern für Yogaschulen und Fitnessstudios, die spezielle Yogastunden anbieten. "Außerdem ist die Handhabung sehr innovativ", fügt der durchtrainierte Manager hinzu, und der Erfolg gibt ihm Recht.
In New York ist Antigravity Yoga der Renner, hierzulande wird es vereinzelt schon in Hamburg, München und Berlin angeboten. Große Fitnessketten tun sich damit noch schwer, und das liegt vermutlich am Aufwand. Rechnerisch muss für jeden Kursteilnehmer ein Loch in die Decke gebohrt werden. Und wohin mit den roten Tüchern, wenn der Kurs zuende ist und die Kickboxtruppe in den Raum will? So bleibt das System speziell und häufig nur eine einzelne Trainingsstation als Teil eines funktionalen Fitness-Spielplatzes mit Sprossenwand und Klimmzugstangen. Oder aber eben eine hochwertige Hängematte für die ganze Familie.
© manager magazin 2013
Alle Rechte vorbehalten
Vervielfältigung nur mit Genehmigung