Corona-Gipfel am Dienstag Bund und Länder arbeiten an Notfallplänen

Was nun, Herr Scholz? Bundeskanzler Olaf Scholz (m., neben Berlins regierendem Bürgermeister Michael Müller, l.) und Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst werden nun früher als erwartet über neue Corona-Maßnahmen sprechen
Foto: Michael Kappeler / dpaDer Expertenrat der Bundesregierung empfiehlt mit Blick auf die zu befürchtende Ausbreitung der Omikron-Variante des Coronavirus Kontaktbeschränkungen schon in den nächsten Tagen. Über eine solche Maßnahme, die auch für Geimpfte oder Genesene gelten dürften, werden am Dienstag die Ministerpräsidenten mit der Bundesregierung beraten. Auch der Gesundheitsausschuss des Bundestages tagt am Dienstag, eine Sitzung des gesamten Parlaments ist aber nicht erforderlich. Denn Gesetze müssen dafür nicht geändert werden.
Ab dem 28. Dezember sollen private Zusammenkünfte von Geimpften und Genesenen auf maximal zehn Personen begrenzt werden, heißt es in einer Beschlussvorlage für das Bund-Länder-Treffen, die der Nachrichtenagentur Reuters am Montag vorlag. Dies gelte für private Treffen im Innen- wie im Außenbereich. Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres seien davon ausgeschlossen. Clubs und Diskotheken in Innenräumen sollen geschlossen werden.
"Sobald eine ungeimpfte Person an einer Zusammenkunft teilnimmt, gelten die Kontaktbeschränkungen für ungeimpfte Personen: Das Treffen ist also auf den eigenen Haushalt und höchstens zwei Personen eines weiteren Haushaltes beschränkt", heißt es in der Vorlage weiter.
Maximal zehn Geimpfte und Genesene bei privaten Treffen
Das Infektionsschutzgesetz lässt Kontaktbeschränkungen schon in seiner jetzigen Fassung zu, somit könnten sie die Länder jederzeit anordnen. Dafür wird ein einheitliches Vorgehen angestrebt. Auch die innerhalb der Ampel-Koalition angedachten Einschränkungen für Großveranstaltungen oder die Schließung weiterer Clubs und Diskotheken sind bereits mit dem jetzigen Regelwerk möglich.
Doch das jüngst mehrfach geänderte Infektionsschutzgesetz setzt auch Grenzen: Nicht erlaubt sind demnach etwa generelle Ausgangsbeschränkungen, Geschäfts- oder Schulschließungen. Für derart weitgehende Maßnahmen, die einem Lockdown gleichkämen, müsste das Gesetz abermals geändert werden. Eine andere Möglichkeit wäre es, die epidemische Lage von nationaler Tragweite, die Ende November ausgelaufen war, wieder zu beschließen.
Expertenrat warnt: Nicht nachlassen beim Impfen über die Feiertage
Der neue Corona-Expertenrat der Regierung hatte am Sonntagabend wegen der schnellen Ausbreitung der Omikron-Variante neben Kontaktbeschränkungen empfohlen, die Impfkampagne erheblich zu intensivieren. Die Booster-Impfungen, wie auch die Erst- und Zweitimpfungen, müssten auch über die kommenden Feiertage mit allen verfügbaren Mitteln fortgesetzt und weiter beschleunigt werden. Omikron zeichne sich durch eine wesentlich stärkere Übertragbarkeit und Unterlaufen eines bestehenden Immunschutzes aus, so die Experten. Die Variante infiziere in kürzester Zeit deutlich mehr Menschen und beziehe auch Genesene und Geimpfte stärker in das Infektionsgeschehen ein: "Dies kann zu einer explosionsartigen Verbreitung führen."
Notfallpläne für wichtige Infrastruktur in Vorbereitung
Der Expertenrat warnte zudem: "Sollte sich die Ausbreitung der Omikron-Variante in Deutschland so fortsetzen, wäre ein relevanter Teil der Bevölkerung zeitgleich erkrankt und/oder in Quarantäne. Dadurch wäre das Gesundheitssystem und die gesamte kritische Infrastruktur unseres Landes extrem belastet." Hierzu gehörten unter anderem Krankenhäuser, Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienst, Telekommunikation, Strom- und Wasserversorgung und die entsprechende Logistik. Wie am Montag der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, NRW-Regierungschef Hendrik Wüst (CDU), erklärte, bereiten Bund und Länder Notfallpläne für diesen Fall vor.
Kommt ein bundesweiter Lockdown?
Auch die Diskussion um einen bundesweiten Lockdown nimmt angesichts der Omikron-Ausbreitung erneut Fahrt auf. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (58) schließt einen raschen Corona-Lockdown zumindest zu Weihnachten aus, wie der SPD-Politiker der ARD in einem Interview erklärte, das am Sonntagabend ausgestrahlt wurde.
Andere Stimmen halten den Lockdown jedoch für kaum vermeidbar. "Angesichts der äußerst hohen Übertragbarkeit von Omikron werden wir um einen Lockdown nach Weihnachten vermutlich nicht herumkommen", sagte jedoch der Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen. "Ein mögliches Szenario wäre ein gut geplanter Lockdown Anfang Januar." "Wir müssen mit unseren Maßnahmen vor die Omikron-Welle kommen", so Dahmen zur Nachrichtenagentur dpa. "
Eine Überlastung des Gesundheitssystems könne nur durch einen bundesweiten Lockdown für alle verhindert werden, erklärte auch die Deutsche Gesellschaft für Immunologie am Montag. "Die ersten Berichte weisen darauf hin, dass selbst nach dem Boostern der Schutz vor einer Omikron-Infektion nur bei rund 75 Prozent liegen könnte, während er bei Delta nach der dritten Impfung bei weit über 90 Prozent liegt", sagte der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, Carsten Watzl, der "Augsburger Allgemeinen" (Montag).
Niederlande und Dänemark fahren öffentliches Leben runter
Wegen der massiven Ausbreitung der Omikron-Variante in Großbritannien gilt das Land seit der Nacht zum Montag als Virusvariantengebiet. Die Einreise aus solchen Gebieten nach Deutschland ist mit starken Einschränkungen möglich. Fluggesellschaften dürfen nun im Wesentlichen nur noch deutsche Staatsbürger oder in Deutschland lebende Personen von Großbritannien nach Deutschland befördern. Für Einreisende gilt zudem eine zweiwöchige Quarantänepflicht – auch für Geimpfte und Genesene.
Omikron breitet sich auch, aber nicht nur in europäischen Ländern rasend schnell aus. In den Niederlanden gilt deswegen seit Sonntag ein neuer strenger Lockdown, auch Dänemark fährt große Teile des öffentlichen Lebens wieder herunter.
Sieben-Tage-Inzidenz steigt wieder
Die Sieben-Tage-Inzidenz ist nach längerer Abwärtstendenz erstmals wieder im Vergleich zum Vortag leicht gestiegen. Das Robert Koch-Institut (RKI) gab die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche am Montagmorgen mit 316,0 an. Zum Vergleich: Am Vortag hatte der bundesweite Wert bei 315,4 gelegen, vor einer Woche bei 389,2 (Vormonat: 386,5).
Die Gesundheitsämter in Deutschland meldeten dem RKI binnen eines Tages 16.086 Corona-Neuinfektionen. Das geht aus Zahlen hervor, die den Stand des RKI-Dashboards von 04.53 Uhr wiedergeben. Vor genau einer Woche waren es 21.743 Ansteckungen gewesen. Die Zahl gemeldeter Infektionen geht seit knapp drei Wochen zurück.
Deutschlandweit wurden den neuen Angaben zufolge binnen 24 Stunden 119 Todesfälle verzeichnet. Vor einer Woche waren es 116 Todesfälle gewesen. Das RKI zählte seit Beginn der Pandemie 6.809.622 nachgewiesene Infektionen mit Sars-CoV-2. Die tatsächliche Gesamtzahl dürfte deutlich höher liegen, da viele Infektionen nicht erkannt werden.
Die Zahl der in Kliniken aufgenommenen Corona-Patienten je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen gab das RKI am Freitag mit 5,10 (Donnerstag: 5,17) an. Am Wochenende wird der Wert nicht gemeldet. Die Zahl der Genesenen gab das RKI am Montag mit 5.801.400 an. Die Zahl der Menschen, die an oder unter Beteiligung einer nachgewiesenen Infektion mit Sars-CoV-2 gestorben sind, stieg auf 108.352.