
Oldtimer und ihre Besitzer: Der Mechaniker bin ich
Oldtimer und ihre Besitzer Welche Wirtschaftsgrößen in der Werkstatt schrauben
Regen. Nicht gut. Andreas Stadlbauer (49) ist kaum in seiner Werkstatt, da ledert er schon die Tropfen von seinem babyblauen (Originallack!) Alfa Spider ab. Auch das dünne Stoffverdeck, ebenfalls original, wird sofort mit einem Frotteetuch trockengerubbelt. Das Auto ist 48 Jahre alt. Und dass für den Erhalt von Autoklassikern "nichts wichtiger ist als Lack- und Oberflächenpflege", muss er einem nicht erst sagen, das hatte man sich angesichts der Akribie schon fast gedacht.
Stadlbauer steht in seiner Halle im Hof eines Industriegebiets. Eine komplett eingerichtete Kfz-Werkstatt, die Regale an den Wänden voll mit Ersatzteilen. Über der Sitzecke eine stilechte Pin-up-Figur aus den 50er Jahren und Erinnerungsfotos von Stadlbauers Formel-Renault-Rennen. Der Mann ist Unternehmer in Salzburg, er stellt - passender könnte es gar nicht sein - die Carrera-Bahnen her. Seine mittlerweile drei Oldtimer hält er weitgehend selbst instand. Er schraubt und schleift, montiert und poliert, reguliert, tüftelt und greift auch mal zur Flex, um verbackene, korrodierte Schellen und Muttern zu entfernen, etwa am Auspuff.
Im Sommer verbringt Stadlbauer an den Wochenenden mindestens einen halben Tag in der Werkstatt. Die teilt er sich mit einem anderen Unternehmer und Autoschrauber. Im Winter, "wenn's trüb ist" (und das ist es in Salzburg ziemlich oft), kommt Stadlbauer aus der Halle praktisch gar nicht mehr raus. Nur zum Arbeiten, Essen, Schlafen und Rallyefahren. "Benzin im Blut", sagt er. Rote und weiße Blutkörperchen hätten wir bei einem Carrera-Chef auch nicht erwartet.
Doch Andreas Stadlbauer ist nicht der einzige Wirtschaftsführer, der noch voller Leidenschaft unter die Bodenbleche seiner Oldtimer kriecht, stundenlang über die Ersatzteilkataloge einschlägiger Websites scrollt, Schraubenschlüssel, Gewindebohrer und Dichtungsringe nach Größe sortiert, und dem beim Motorölwechsel die handwarme, schwarze Brühe über die Finger rinnt. Die Spezies der Mechaniker unter den Topmanagern wächst. Einen Oldtimer zu besitzen ist schön. Einen selbst restauriert zu haben besser. Der Reiz am Instandhalten und Selbstschrauben: Problem erkennen (oder besser gar nicht erst entstehen lassen) und lösen. Wie im Büro, nur mit eigenen Händen. Und Spaß macht es schließlich auch noch.
Stadlbauer hatte noch keinen Führerschein, da hatten es ihm alte Autos schon angetan. In der Garage seines Vaters stand ein Jaguar E-Type, Baujahr '71, zwölf Zylinder, den er am liebsten sofort nach der Fahrprüfung gefahren hätte. Durfte er aber nicht, sein Vater rückte den Schlüssel nicht raus. Zunächst sollte der Sohn beweisen, dass er den E-Type auch wert ist. Zehn Jahre unfallfrei und alkoholfrei am Steuer.
Vom Unternehmer zum Schrauber
Also legte sich der Junior einen Alfa 33 zu, den er erst mal zum Tuner brachte: tieferlegen und neue Kurbelwelle. Zum 30. Geburtstag bekam er dann den E-Type. Auflagen des Vaters erfüllt - trotz des Faibles für den Motorsport.
Stadlbauers Schrauberkarriere nahm ihren Lauf: Die Zwölfzylindermaschine und die Bremsanlage des kapriziösen E-Type überlässt er noch einer Fachwerkstatt. Um Pflege und Wartung kümmert er sich indes selbst. Regelmäßige Inspektionen von Fahrwerk, Kühlung und Lüftung, der Bedienelemente und der empfindlichen Elektrik - macht er alles allein. Er ersetzt, was verschlissen wurde, was verbraucht, stumpf oder brüchig geworden ist, Außenspiegel oder Gaszug, das Kofferraumschloss oder die Sicherung fürs Aufblendlicht. Zum Glück, sagt Stadlbauer, sind Ersatzteile einfach übers Internet bestellbar. Und wenn es doch mal Probleme gibt, hilft einer der Oldtimer-Restaurateure in der Nachbarschaft.
Aus solchen Aktionen ist eine Klassiker-Clique entstanden, die sich immer am ersten Sonntag eines Monats in der Werkstatt des Carrera-Chefs trifft. Fachsimpelei bei Whisky und Zigarren. Manchmal werden auch Teams für die nächste Oldtimer-Rallye zusammengestellt. "Der gesellige Aspekt schöner alter Autos" ist Stadlbauer inzwischen fast so wichtig wie der technische.
Die skurrilste, vielleicht auch schwierigste Aufgabe stellte sich Stadlbauer bei dem Morgan Plus 8, den er mittlerweile ebenfalls von seinem Vater übernehmen durfte. In der Garage war die Lüftung während des Winters unbemerkt ausgefallen. Im Frühjahr schlug ihm "ein würziger Pilzduft" entgegen: Das Karosseriegerüst, dessen Alubleche auf Träger aus Eschenholz montiert sind, war komplett überwuchert.
"An diese völlig übertechnisierte Primadonna traue ich mich nicht mal mit Spezialwerkzeug"
Stadlbauer nahm den Morgan komplett auseinander: Alle Holzteile waren verrottet und mussten erneuert werden. Aus der Firmenzentrale im englischen Worcestershire reiste ein Mechaniker mit den Ersatzteilen an, schraubte Gerüst, Antriebsstrang und Fahrwerk vor Ort wieder zusammen und trimmte die Alubleche auf die exakte Passform. Stadlbauer montierte Kleinteile und Gummidichtungen. Und weil er schon mal dabei war, gab er anstelle des alten Armaturenbretts mit profanen Plastikwippen eines mit modernen, vernickelten Kippschaltern in Auftrag. Sein Verhältnis zu dem Auto sei seitdem "viel inniger", sagt er.
Systematisch das Handwerk erlernt hat kaum einer der Gentleman-Schrauber. Ausnahme: Wilhelm Schmid (53). Der Geschäftsführer der Uhrenmanufaktur A. Lange & Söhne im sächsischen Glashütte hat einen Gesellenbrief als Kfz-Mechaniker. "Als Sohn eines Ford-Händlers lag das nach der mittleren Reife nahe", sagt Schmid. Später hat er dann seinen BWL-Abschluss gemacht und eine internationale Karriere hingelegt, bis er schließlich bei der Feinmechanik gelandet ist.
Im ehemaligen Kutscherhaus seines Dresdener Anwesens hat er sich eine Werkstatt für einen Bristol Spider, Baujahr '57 (sehr selten) und für einen MG B, Baujahr '63 eingerichtet. Seine jüngste Erwerbung, ein Lancia Flaminia GT 3C, steht woanders. An die "wunderschöne, aber völlig übertechnisierte Primadonna" traut er sich nicht mal mit seinem Spezialwerkzeug ran. Und Auto Nummer vier, ein Aston Martin DB Mark II 2/4, wartet seit fast einem Jahr beim britischen Hersteller auf eine Komplettrestaurierung der Alukarosserie. Ein Lieferwagen war ihm vergangenen Sommer ins Heck gefahren.
Schmid kümmert sich bei seinen Autos um "alles, was sich ohne Hebebühne oder Grube regulieren und reparieren lässt". Einstellung der Vergaser und Ventile, lockere Benzinleitungen, lecke Kühlerschläuche, ausgeschlagene Fensterheberkurbeln. Für das Wechseln der Zündkerzen im verschachtelten Zylinderkopf des Bristol hat er eigens einen Kerzenstecker konstruiert und bauen lassen. Mit seinen zwei Kardangelenken sieht das verchromte Teil aus wie ein chirurgisches Instrument.
Wie viel Zeit er mit dem Schrauben verbringt, hat Schmid nie ausgerechnet. Was er dagegen kalkuliert hat, sind die jährlichen Betriebs- und Unterhaltskosten, die er durch seinen Einsatz spart: die hat er auf unter 1000 Euro senken können - obwohl er mit dem MG mehrere Tausend Kilometer im Jahr zurücklegt, etwa beim täglichen Pendeln zwischen Dresden und Glashütte.
Ein Experte für Porsche
Die Verbindung zwischen Job und Schrauberei ist bei kaum einem so eng wie bei Joachim Eichhorn (67). Der Informatiker, der 1980 mit seiner Frau die Firma Dapro Software gegründet hat, managt seine Schrauberleidenschaft mit Scrum, einem Verfahren, das man aus dem IT-Projektmanagement kennt. Die Methode wendet er bei jeder größeren Reparatur an einem seiner fünf Porsche-Klassiker an: drei 928er, ein 968er und seit Neuestem ein im Rennen gefahrener 924er. Mit diesem geradezu professionellen Vorgehen ist Eichhorn so etwas wie der norddeutsche Papst für Porsches Transaxle-Technik geworden - also für jene Modelle aus den 70er bis 90er Jahren, bei denen die wassergekühlten Motoren vorn und das Getriebe an der Hinterachse eingebaut wurden.
Eichhorns Werkstatt ist in einer unscheinbaren Doppelgarage neben dem Wohnhaus und dem Unternehmenssitz in der Haseldorfer Marsch nahe Hamburg. Mit der Hebebühne lassen sich die Autos so weit hochfahren, dass ein Restaurierer darunter im Sitzen arbeiten kann. Das Flachdach des Backsteinbaus wurde verstärkt, eine große Metallplatte hält die Verankerung für den Flaschenzug, mit dem Eichhorn die bis zu 250 Kilo schweren Achtzylinder aus den Motorräumen heraushieven kann.
Für die Mitglieder der norddeutschen Porsche-Klubs veranstaltet Eichhorn sogar Reparatur- und Instandhaltungskurse an Transaxle-Modellen. "Ich gebe gern Hilfe zur Selbsthilfe." Beliebtestes Thema: Zahnriementausch. Zu den Teilnehmern gehören immer häufiger auch Firmeninhaber und Führungskräfte. Die Scrum-Methode, auf die Eichhorn schwört, hat jedoch noch keiner übernommen. Jeder Boss macht halt sein eigenes Ding.