
Lamborghini Egoista Reine Kantenphysik
Sant'Agata Bolognese/Hamburg - Ein Element fehlt im Cockpit: Der Schalter zum Ausfahren der Torpedos. Sonst ist beim Lamborghini Egoista so ziemlich alles da, was ein Kampfjet braucht: Das Head-Up-Display über der Spielkonsole, pardon, dem Lenkrad, der rasante Schalensitz mit Vierpunktgurt, ein angemessen röhrender Motor, eine an Stealth-Technologie erinnernde Karosserie, so zerklüftet wie der Tetrapak-Entwurf eines verzweifelten Designerteams auf der Suche nach der angemessenen Verpackung für einen wirklich noch nie dagewesenen Energydrink.
Auf neun Großbildschirmen wurde die Einfahrt des Egoista zelebriert, die Bühne war als Landebahn gestaltet, ein Top-Model im, warum auch immer, Raumanzug mimte das Bodenpersonal und gab Lichtsignale, der V10-Motor dröhnte, und dem, nun ja: Auto entstieg Lamborghini-CEO Stephan Winkelmann. Das Fahrzeug ist eine Hommage der Firma an sich selbst, die zum 50. Jubiläum einen 190.000 PS starken Corso auf Italiens Straßen brachte und den zugegebenermaßen grenzgenialen Claim proklamierte: "100 Jahre Innovation in der Hälfte der Zeit." Im Profil gleicht die Karosserie dem Wappentier der Marke, einem Stier mit gesenkten Hörnern.
Der Entwurf des kantenphysikalischen Modells stammt aus der Feder von Walter De Silva, dem Chefstylisten der Volkswagen Group. "Ich fühle mich dieser italienischen Marke sehr verbunden, schließlich bin auch ich ein Italiener. Ich hatte den Wunsch, ein Geschenk zu machen, und da kam mir der Gedanke an ein Auto, das das Wesen von Lamborghini unterstreicht: denn die Fahrzeuge werden dort von je her mit großer Leidenschaft und viel Herz gebaut. Der Verstand rückt in die zweite Reihe", sagte der Designer, und weiter: "Dieses Auto ist für nur eine Person gemacht, die Freude empfinden und ihre Persönlichkeit mit ebenso hochkarätiger Leistung unterstreichen möchte. Es wurde ausschließlich für Menschen entworfen, die im Leben immer nur das Extreme und Besondere suchen. Somit steht es für extremen Hedonismus. Mit einem Wort - ein kompromissloses Auto: ein Egoist."
Das Aussteigen wird schwierig
Das unverkäufliche Einzelstück wird von einem 5,2 Liter-V10-Motor mit 600 PS angetrieben und wurde vom Design-Team der Volkswagen Group nach De Silvas Entwurf gebaut. Alessandro Dambrosio gestaltete das Interieur, Stefan Sielaff die Hülle des Einsitzers. Inspiration kam, wie unschwer zu erkennen, aus der Luftfahrt. Das Cockpit lässt sich als ganzes Teil entfernen.
"Das vollständig aus Karbonfaser und Aluminium gebaute Cockpit ist eine Art Überlebenszelle, die es dem Fahrer ermöglicht, sich zu isolieren und vor Außeneinwirkungen zu schützen", erläuterte De Silva, "wagt man einen Blick in die Zukunft, so könnte man daran denken, die Kabine des Egoista aus einem Jet auszuhaken und auf einem Fahrzeug zu befestigen, auf dem sie dann neue Wege einschlagen kann".
Zwei horizontale Heckflaps aktivieren sich zur Steigerung der Fahrzeugstabilität bei hoher Geschwindigkeit, während eine Reihe an schuppenförmig auf dem Rücken der Motorhaube angeordneten Luftschlitzen den Zufluss der Kühlluft zum leistungsstarken V10 Triebwerk gewährleisten. Der Heckbereich gibt wie bei einem teuren Skeleton-Chronographen Einblicke in die komplexe Mechanik.
Das Fahrzeug hat LED-Umrissleuchten, die die Position des Autos wie in der Luftfahrt auf drei Achsen markieren. Zwei weiße Lichter vorne und zwei rote hinten, ein roter Heckblinker im oberen Heckbereich, zwei orangefarbene Stieraugen als Side-Marker und zwei auf dem Dach sorgen für gute Verkehrssicherheit: Dieses Auto wird garantiert gesehen.
Während man auf der Straße mit dem Egoista fast unvermeidlich einen ehrfurchtgebietenden Auftritt hinlegen würde (wenn man denn dürfte: Aber Lamborghini behält das Fahrzeug ja schließlich, wie es der Name "Egoista" ja auch nahe legt, selbst), wäre es beim Aussteigen weitaus problematischer, diesen Eindruck aufrecht zu erhalten.
Ein Zitat aus der Pressemitteilung: "Um aussteigen zu können, muss der Fahrer das Lenkrad entfernen und auf dem Armaturenbrett ablegen, die Kuppel mit einer elektrischen Steuerung öffnen, mit den Füßen auf den Sitz steigen, sich auf der linken Karosserieseite an eine ganz präzise Stelle setzen und dann die Beine um 180 Grad vom Fahrerraum zur Fahrzeugaußenseite hin drehen. Jetzt kann er die Füße auf den Boden stellen und aufstehen. Auch bei diesem Aussteigmanöver verlangt der Lamborghini Egoista einen Spitzenfahrer."