Mercedes F 800 Style Die Ö-Klasse

Autos wie den Smart oder eine B-Klasse auf Öko zu trimmen, klappt schon ganz gut - aber wie sieht die grüne Zukunft einer Oberklasse-Limousine aus? Mercedes will diese Frage mit dem Forschungsauto F 800 Style beantworten. Beim Autosalon in Genf wird der Wagen enthüllt.

Stuttgart - Die Vorhersagen zum Auto von morgen gleichen derzeit dem Blick in die Glaskugel. Doch als Erfinder des Autos traut sich Mercedes "bei diesem Thema durchaus fundierte Aussagen zu", sagt Herbert Kohler, Forschungschef bei Daimler. Er kann das recht selbstbewusst tun, denn beim Autosalon in Genf (4. bis 14. März) wird Mercedes ein Forschungsfahrzeug vorstellen, das genau das sein soll - ein ökologisch korrekter Luxuswagen von morgen. Der Name der Studie: F 800 Style.

Würde das Auto serienreife Wirklichkeit, wäre das schon optisch eine Kulturrevolution für Oberklassekunden. Denn die umweltfreundliche Studie sieht angriffslustig und aggressiv aus - die sonst in diesem Segment übliche distinguierte Zurückhaltung jedenfalls gibt dieser Wagen auf. Doch es bleibt nicht nur beim äußeren Schein. Mercedes verzichtet beim F 800 Style beispielsweise auf die B-Säule und installiert im Fond eine Schwenkschiebetür, die elektrisch zur Seite gleitet und den Weg auf die Rückbank freigibt. "Gut möglich, dass wir so etwas bald in Serie bringen", orakelt Entwickler Jens Müller. "Die Technik haben wir jedenfalls im Griff."

Nicht nur die Form, auch das Format der Limousine ist ungewöhnlich. Obwohl der F 800 Style überaus geräumig wirkt, ist die Karosserie mit 4,75 Metern deutlich kürzer als etwa die der 4,87 Meter langen E-Klasse. Ein Trick, um dies zu erreichen, sind die Sitze, deren Lehnen kaum dicker sind als die eines Küchenstuhls. Bequem sind sie dennoch, auch dank einer Netzbespannung, die sich Mercedes beim Möbelbau abgeschaut hat. Von dort stammt auch die Vorlage zum neuen Holzfurnier, das nun viel plastischer wirkt und nichts mehr zu tun hat mit der gefürchteten Vinyl-Eiche in vielen Möchtegern-Edelmodellen. Neu ist auch eine Idee, die die Designer Fading nennen. Vorn im Auto sind die Materialien heller, nach hinten jedoch wird das Interieur zunehmend dunkler.

Ein Assistenzsystem übernimmt im Kolonnenverkehr die Fahrerei

Ein neues Bediensystem haben sich die Mercedes-Entwickler ebenfalls ausgedacht. Weil weder ein überfrachtetes Kontrollzentrum in der Mittelkonsole noch ein Touchscreen als ideale Lösungen galten, tüftelten sie ein videoüberwachtes Sensorfeld aus, das vor die Mittelarmlehne platziert wurde. Dort streift man wie auf einem iPhone mit den Fingerkuppen drüber, während die Elektronik eine Hand auf dem Monitor erscheinen lässt und so die Navigation durch die Menüs zum Kinderspiel macht. So lässt sich nicht nur scrollen und zoomen, sondern mit jedem Fingertipp auch ein Mausklick imitieren.

Der Bordcomputer soll nicht nur für Komfort sorgen, sondern auch beim Spritsparen helfen. Er hat einen eingebauten Öko-Trainer, der den Verbrauch um 10 bis 15 Prozent drücken soll und dem Fahrer - falls das Auto der Zukunft mit einem Elektroantrieb bestückt ist - die Sorge vor dem plötzlichen Ende der Energiezufuhr nehmen soll. Deshalb wird der Aktionsradius des Fahrzeugs jetzt so berechnet, dass auch Topografie und Straßentypen mit einkalkuliert werden. Auf der digitalen Landkarte sieht man daher deutlich eingeblendet die Reichweite des Wagens in jede Himmelsrichtung.

Neu ist auch ein Assistenzsystems, das der Schleicherverkehr im Stau komfortabler machen soll. Es nutzt die Daten der Radsensoren sowie die Bilder einer Stereo-Kamera, die die Bewegungsrichtung anderer Fahrzeuge erkennt. So heftet sich der F 800 Style an den Vordermann und folgt ihm, ohne dass der Fahrer selber lenken muss. "Das funktioniert bis Tempo 40 und nur, solange das Führungsfahrzeug in der Spur bleibt", erläutert Entwickler Jens Desens. Schert das vorausfahrende Auto aus oder biegt es ab, muss der Mercedes-Fahrer wieder selbst zum Lenkrad greifen.

Mobil durch Modularität

Neben dem elektronischen Hokuspokus wirkt das Antriebskonzept der Studie fast schon vertraut. "Erstmals gibt es jetzt auch in diesem Format eine Plattform, die uns alle Antriebsmöglichkeiten offen lässt", sagt Andreas Jost aus dem Projektteam. Modularität ist das Stichwort - das Auto könnte es sowohl mit Plug-in-Hybrid- oder mit Brennstoffzellen-Antrieb geben. Platz dafür ist unter der vorderen Haube, im Mitteltunnel und unter der Rückbank.

In der Hybridversion erhält das Auto einen rund 110 PS starken Elektromotor, mit dem es 30 Kilometer weit und bis zu 120 km/h schnell rein elektrisch fahren kann. Darüber hinaus schaltet sich der etwa 300 PS starke V6-Benziner zu, der dank des elektrischen Bonus im rechnerischen Mittel mit 2,9 Litern auskommt, was einem CO2-Ausstoß von 68 g/km entspricht. In der Brennstoffzellenvariante mit Wasserstoff im Tank fährt die Studie mit einer 136 PS starken E-Maschine an der Hinterachse. Während dieses Konzept noch utopisch anmutet, entspricht der Plug-in-Hybrid ziemlich genau dem, was man in der nächsten S-Klasse erwarten darf.

Auch wenn der F 800 Style gemessen an früheren Forschungsfahrzeugen vergleichsweise greifbar scheint und manche Details schon in wenigen Jahren in Serie gehen könnten, wird es den Wagen so natürlich nie zu kaufen geben. Die Botschaft des Autos fasst Forschungschef Herbert Kohler so zusammen: "Wir wollen grüne Autos faszinierender und faszinierende Autos grüner zu machen."

Mercedes F 800 Style: Die Öko-Limousine von übermorgen

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