Motorräder Born to be mild
Essen/Offenbach - Das Problem vieler Motorradhersteller ist an den Köpfen der Fahrer zu erkennen: Wenn die jugendlich gestylten Helme abgenommen werden, kommen darunter häufig angegraute Haare zum Vorschein. Galt das Motorrad früher als Symbol jugendlichen Eigensinns, ist es heute Spielgerät etablierter älterer Herren. Dem hat sich die Branche angepasst: Sie wirbt um Ex-Biker mit dem Ziel, sie wieder in den Sitz zu bewegen. Entsprechend werden immer mehr Modelle angeboten, die speziell für Wiedereinsteiger gedacht sind.
Besonders aktiv ist Honda: Seit 2004 hat der japanische Hersteller ein Motorrad im Programm, dass sich an diese Zielgruppe richtet. Bei der CBF600 ist etwa die Lenkerposition variabel und die Sitzbank dreifach in der Höhe verstellbar. "Wir haben eine Marktuntersuchung gemacht, bei der es darum ging, was Wiedereinsteiger oder Einsteiger von einem Motorrad erwarten", erläutert Honda-Sprecher Aaron Lang.
Dabei kam unter anderem heraus, dass gerade eine verstellbare Höhe des Sitzes gewünscht wird. Denn speziell die Möglichkeit, mit beiden Beinen gut den Boden zu erreichen, gibt zum Beispiel beim Ampelstopp ein zusätzliches Gefühl der Sicherheit. Sicherheit wurde aber auch in einem anderen Bereich gefordert: "Vor allem wollten die Befragten ein ABS", sagt Lang. Das gibt es bei der CBF - wie bei den meisten neuen Einstiegsmodellen - je nach Version gegen Aufpreis oder serienmäßig.
Abgesehen davon ist die Honda ein vergleichsweise konventionelles Motorrad mit einem 54 kW/78 PS starken Vierzylindermotor. Sie gehört zu keiner Untergattung wie Cruiser oder Enduro, sondern wird unter Naked-Bike einsortiert. Im Grunde ist sie aber ein Allround-Fahrzeug - und ein solches empfehlen Fachleute den Wiedereinsteigern: "Man sollte nicht mit etwas ganz Speziellem beginnen, sondern mit einem Motorrad, das leicht zu fahren und gut beherrschbar ist", rät Michael Lenzen vom Bundesverband der Motorradfahrer (BVDM).
Besser kein Chopper
Ähnlich sieht es Roger Eggers, Motorradexperte des TÜV Nord in Hannover. Er rät Bikern, die lange nicht gefahren sind, zum Beispiel von den als gemütlich geltenden Cruisern und Choppern ab. Ein Grund ist die von außen so bequem wirkende Sitzposition auf diesen Maschinen: "Man hat das Motorrad einfach nicht so gut im Griff."
Die nach Einschätzung von Roger Eggers geeigneten Einstiegsmodelle stammen durchweg aus dem Allrounder-Bereich. Zu einen nennt er die kleine, zweizylindrige "Schwester" der CBF600 mit 500 Kubikzentimetern Hubraum. In die gleiche Kategorie passe zum anderen die SV 650 von Suzuki oder auch die Reihe der F650-Einzylinder von BMW.
Christoph Gatzweiler vom Industrie Verband Motorrad (IVM) in Essen weist auf eine weiteres Modell hin: "Von Kawasaki gibt es die neue ER-6n, mit der man stark auf die Weidereinsteiger zielt." Bei der Entwicklung der Maschine wurde laut dem Hersteller darauf Wert gelegt, dass sie schmal und wendig ist und sich damit vergleichsweise leicht fahren lässt.
Als Antrieb kommt ein Zweizylinder zum Einsatz, und ABS gibt es gegen Aufpreis. Eines unterscheidet die ER-6n von anderen Modellen für Wiedereinsteiger: Sie zeigt sich mit ihrem markanten Scheinwerfer und auch der restlichen Linienführung betont auffällig.
Neben ausgewiesenen Einsteiger-Modellen gibt es Motorräder, die vielen in diesem Zusammenhang zwar nicht zuerst in den Kopf kommen - sich aber trotzdem eignen. "Wer nach etwas Besonderem sucht, kann die Ducati Monster in Betracht ziehen", sagt Roger Eggers: Die Maschine gibt es in verschiedenen Ausführungen, und die kleineren Modelle passen ebenfalls in die Kategorie Einstiegs-Allrounder.
Auch eine Triumph Bonneville kann zu den Kandidaten zählen. Sie erinnert optisch an ihre fast schon legendären Vorgänger aus den Sechzigern und ermöglicht eine klassisch-aufrechte Sitzposition. Und wer schon immer den Traum von einer Harley Davidson gehegt hat, dem raten die Experten zwar nicht zu den schweren und hubraumstarken Modellen. Im Programm der US-amerikanischen Marke finden sich aber auch leichtere Ausführungen.
Christoph Gatzweiler vom IVM sieht bei BMW neben den 650ern noch eine weitere Möglichkeit: "Die neue F 800 ist auch etwas für jene, denen die übrigen BMW-Modelle zu groß und zu schwer sind." Angeboten wird sie laut BMW als eher sportliche Version mit Zusatzbezeichnung "S" oder als tourenorientierte "ST". Angetrieben werden beide Ausführungen von einem Zweizylinder mit 62,5 kW/85 PS.
Viel mehr Leistung sollte es für Weidereinesteiger ohnehin nicht sein. Wobei die Leistung nur ein Kriterium ist - denn ganz egal, mit welchem Motorrad der Neuanfang gewagt wird, ist langsames Herantasten an die Möglichkeiten eines Zweirades wichtig. Eine geringe Motorleistung schützt schließlich nicht automatisch vor Fahrfehlern, warnt Michael Lenzen vom Bundesverband der Motorradfahrer. "Auch mit wenig PS kann man fahren wie ein Idiot."
Heiko Haupt, dpa