Der neue Roadster des französischen Konstrukteurs PGO sieht aus wie der legendäre 356er Porsche Speedster. Aber unter der historischen Hülle schlummert modernste Technik und ein 136 PS starker Peugot-Motor.
Hamburg - Der ältere Herr steht mitten auf der Straße und zwingt uns zum Stopp. "Darf ich mal ein Foto machen? Ich habe früher auch so einen 356er gefahren." Der Mann täuscht sich. Dies ist kein alter Porsche, auch wenn er ihm zum Verwechseln ähnlich sieht.
Der PGO Speedster II hat zwar die gleichen fließenden Rundungen und Wölbungen wie die Sportwagen-Ikone, doch unter dem "Neo-Retro-Design" stecken Fahrwerk, Achsen, Bremsen, Getriebe sowie der 136 PS starke 2.0 16V-Motor aus dem Peugeot 206 CC.
Dass PGO Automobiles S.A. gerade die phonetisch ähnlich klingende Löwenmarke als Technikpartner gewählt hat, beteuert Emilio Giusti, Geschäftsführer der deutschen Importfirma ASG4 in Remscheid, sei jedoch "purer Zufall". Der Name gehe auf die Anfangsbuchstaben der Gründerfirma Pierre Gerard Organisation zurück. Die hat vor über 20 Jahren begonnen, exklusive Autos in kleiner Serie zu fertigen, die für Liebhaber bestimmt waren. 1998 wurde die Marke von zwei französischen Unternehmen übernommen, die 2000 auf dem Pariser Autosalon einen ersten Prototypen präsentierten.
"Neo-Retro-Design": Mit ungewohnt kernigem Sound bis auf 215 km/h
Enge Kabine: Der Einstieg erfordert einige Verrenkungen
Heckansicht: Nur 60 bis 70 Fahrzeuge pro Jahr können geliefert werden
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Nach weiteren Entwicklungen an Design und Technik erhielt der Speedster II im Juli 2003 die europäische Straßenzulassung. Anschließend wurde er vorwiegend in Frankreich und den Benelux-Ländern verkauft. Inzwischen ist PGO Automobiles eine Aktiengesellschaft, an der drei "autoaffine" (Giusti) Firmen aus dem Mittleren Osten die Mehrheit halten sowie gut ein weiteres Drittel die deutsche Firma Casalva Germany.
Auf der Techno Classica in Essen vor zwei Wochen feierten die beiden Marken - Speedster II sowie das zweite Modell "Cevennes" mit 177 PS, das im nächsten Frühjahr folgen soll - ihr Deutschland-Debüt. Seitdem könne sich der deutsche Importeur nach eigener Aussage vor Anfragen kaum retten. "Wir hatten eine gewaltige Publikumsresonanz und schon etliche Bestellwünsche", sagt Emilio Giusti. "Leider können wir nur 60 bis 70 Fahrzeuge pro Jahr verkaufen."
Und das immerhin zu Preisen, je nach Ausstattung, zwischen 31.990 Euro und 40.990 Euro. Denn alle Autos werden in einer 18.000 Quadratmeter großen Produktionsstätte im französischen Alès in Handarbeit gefertigt.
Das Chassis besteht aus einer Rohrrahmenkonstruktion, darüber spannt sich eine Karosserie aus verstärktem Fiberglas. Dank dieser Leichbauweise wiegt der Roadster nicht mehr als 930 Kilogramm. Und wie es sich für die Fahrzeuggattung gehört, werden die Hinterräder von einem Mittelmotor angetrieben, der quer vor der Hinterachse platziert ist.
Verdeck muss von Hand geöffnet werden
Verdeck muss von Hand geöffnet werden
Das 136 PS starke Peugeot-Triebwerk scheucht den Speedster mit ungewohnt kernigem Sound in weniger als sieben Sekunden auf Tempo 100 und weiter bis auf 215 km/h Spitze. Ob allerdings unser älterer Fan seinen Spaß daran hätte, wagen wir mal vorsichtig zu bezweifeln.
Denn der 3,85 Meter lange PGO Speedster II sieht zwar aus wie ein Oldtimer, ist aber wohl kaum für diese gebaut. Nur 1,20 Meter niedrig kauert der Zweisitzer über dem Asphalt. Schon der Einstieg unter das einfache Stoffverdeck gelingt nur mit einigen Verrenkungen. Die Ledersitze liegen sehr tief und sind kaum bequem. Zu zweit kommt man sich in der engen Kabine sehr schnell näher.
Dafür ist der Wagen mit allen zeitgemäßen Komfortfeatures ausgestattet: Zentralverriegelung, elektrische Scheibenheber und Außenspiegel, Automatikgurte, CD-Radio, sogar eine Klimaanlage findet sich. Das Cockpit mit Armaturenträger in Wagenfarbe, Rundinstrumenten und bunten Blinkerdioden verströmt puristische, wenn auch nicht ganz stilsichere Nostalgie. Das Lederlenkrad ist zu groß geraten und wirkt etwas beliebig.
Der Motor wird über einen Starterknopf gezündet. Und jetzt? Durch das Plastikfenster nach hinten so gut wie keine Sicht, zur Seite hängen die Ränder der Stoffmütze auf Augenhöhe, und nach vorn starren einem die Hunde ins Gesicht. Also langsam rückwärts aus der Parkbucht tasten. Mit kernigem Sound geht es los, der Motor dreht schön hoch, die brettharte Federung ist allerdings nichts für zarte Naturen.
Doch schon an der nächsten Ampelkreuzung ist wieder Schluss mit lustig. Nur mit tief gesenktem Kopf auf dem Lenkrad ist die Ampel vor uns zu erkennen. Ebenso wenig elegante Verrenkungen braucht es, um beim Abbiegen Fußgänger und Radfahrer hinter dem seitlichen Verdeckklappen zu erspähen. So geht's nicht weiter. Rechts ran und Stoffmütze runter.
Fahrzeugschein
Hersteller
PGO
Typ
Speedster II
Karosserie
Roadster
Motor
Vierzylinder
Hubraum
1.997 ccm
Leistung
100 kW
136 PS
Drehmoment
190 Nm
Von 0 auf 100
7,0 s
Höchstgeschw.
215 km/h
Verbrauch (ECE)
8,7 Liter
Kraftstoff
Super
Kofferraum
110 Liter
Preis
31.990 EUR
Da taucht das nächste Problem auf: Der PGO Speedster II hat zwar die Technik des Peugeot 206 CC, aber leider nicht das klappbare Stahldach, das sich per Knopfdruck öffnet. Da gibt es Scharnierspanner am Frontscheibenrahmen, Druckknöpfe und Klettschlaufen, die gelöst werden wollen.
Danach werden die Verdeckspiegel in sich zusammengeschoben, während man gleichzeitig die instabile Stoffplane auf den Händen balanciert, um sie dann vorsichtig nach hinten zu falten. Am Ende wird das Ganze noch mit zwei Gurten fest geschnürt, irgendwie so - und schon können wir weiterfahren. Dabei aber besser versuchen, nicht an den umgekehrten Vorgang zu denken.
Endlich sehen wir, was um uns herum ist. Eine stark gebogene Frontscheibe beispielsweise, die so niedrig ist, dass auch die Stirn normal großer Fahrer zum Windfang wird. Gleiches gilt für die Seitenscheiben, die hochgefahren gerade bis über die Ohren reichen.
Von solch windigen Einwänden abgesehen verläuft die Fahrt ohne weitere Komplikationen. Und wir genießen allerorten die aufmerksamen und erstaunten Blicke. Wem das allein jedoch der Preis eines Mittelklassewagens wert ist, muss schon ein echter Fan, körperlich fit, gut bei Kasse und auf der Suche nach dem besonderen Auto sein. Ach ja, und möglichst in sonnigen Gegenden wohnen.