Automesse Leipzig
"Die anderen haben wir weggeputzt"
In der gebremsten Konjunktur ging vielen Autoausstellungen die Puste aus. Übrig blieb die Auto Mobil International (AMI) in Leipzig, die den zweiten Rang hinter der Frankfurter IAA beansprucht. Ein Rundgang über die Messe, die den Autofrühling zum Blühen bringen will.
Leipzig - Eine Rennmaschine am Stand von Peugeot, muskulöses Blech, nur einen Finger breit über dem Asphalt. Junge Männer mit spiegelnden Sonnenbrillen und ausrasierten Nacken stehen gruppenweise Schlange. Sie posieren vor dem roten Renner, grinsen, spielen Besitzerstolz, bis das Fotohandy blitzt - die Nächsten, bitte. Morgens um zehn auf der Auto Mobil International (AMI): Wer ein echter Autofan ist, ist schon da.
Das Grau über der Glaskuppel der Neuen Leipziger Messe täuscht. Dies wird ein prächtiger Aprilsonntag werden, strahlender Sonnenschein, mehr als 20 Grad. Die automobilen Schlachtenbummler, die jetzt in versprengten Grüppchen auf den Haupteingang zuschlendern, wird das nicht abhalten. Sie wollen den ganzen Tag in diesen Hallen verbringen, auf du und du mit Schaltknüppel, Spoiler und Sportauspuff.
Ja, wo steht er denn? Der Audi A6 als viel bestaunte Deutschland-Premiere
Foto: Matthias Kaufmann
Sportdress für die Limousine: Ein Blick auf den künftigen M5 von BMW
Foto: Matthias Kaufmann
Die Renaissance der Kante: Der Cadillac SRX tritt gegen den BMW X3 an
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Große Blechflächen wie in der guten alten Zeit: Das Cabrio des Chrysler PT Cruiser ist ein echter Hingucker
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Amerikanisch wie kaum ein anderer auf dem deutschen Markt: Trotz Überrollbügel ist das PT-Cruiser-Cabrio auf dem Chrysler-Stand beliebt
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SUV für alle: Der Fiat Panda 4x4 kraxelt auf den Spuren seines spartanischen Vorgängers
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Familienkutsche fürs Gelände: Der Ford Maverick, der auf der AMI Deutschland-Premiere feierte, hat die härtesten Tester - Kinder
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Und noch'n Geländewagen: Hyundai stellt den SUV Tucson vor, ganz im Stil der US-Vorbilder
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Limousine im Turnschuh-Outfit: Der neue Peugeot 407 nimmt den Fehdehandschuh auf und kommt so mutig gestylt daher wie die Konkurrenz von Renault
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Designed to Kombi: Das Heck des 407 Break ist deutlich schicker geworden als das der Limousine
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Wer sagt, dass Vans kantig sein müssen? Auf der IAA stand der Seat Altea noch mit dem Etikett "Studie", hier wird das Serienmodell gezeigt
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Alles bleibt, wie es ist: Der neue Skoda Octavia ist vom Vorgänger kaum zu unterscheiden, beherbergt aber die Technik des VW Golf V
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Lack und Lichter: Bitte klicken Sie einfach auf ein Bild, um den Rundgang über die AMI zu starten.
Das freut vor allem zwei Männer: Volker Lange, Präsident des Verbandes der Importeure von Kraftfahrzeugen (VDIK), und Matthias Kober, Projektleiter der Messegesellschaft Leipzig. Ihre Autoausstellung - der VDIK nennt sich selbst "ideeller Partner" - hat sich zur zweitwichtigsten deutschen Neuwagenmesse gemausert. Mit 130.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche ist sie größer als der Genfer Salon, mit 86.000 Besuchern am Eröffnungswochenende verspricht sie den eigenen Besucherrekord zu brechen. Und da die Internationale Automobilausstellung (IAA) in Frankfurt nur alle zwei Jahre stattfindet, ist die AMI 2004 einstweilen das größte Autoevent seiner Art.
"Wer fährt schon zum Gucken nach Genf?"
"Wer fährt schon zum Gucken nach Genf?"
Volker Lange ist von beachtlicher Statur, hat einen festen Handschlag und fühlt sich bestätigt. Sein Verband, der vor allem im Osten der Republik stark ist, hat bereits vor 13 Jahren auf den verglichen mit Frankfurt kleinen, aber traditionsreichen Messestandort Leipzig gesetzt. Alles sei so übersichtlich, schwärmt er, trotzdem fänden die Modelle aller wichtigen Hersteller Platz: "99,9 Prozent der deutschen Neuzulassungen sind hier repräsentiert."
Über die Jahre haben zahlreiche andere Messen der so genannten B-Kategorie ihre Pforten für immer geschlossen: München, Saarbrücken, Stuttgart und 2002 auch der größte AMI-Kontrahent, die Autos, Avus, Attraktionen (AAA) in Berlin, die immerhin mit Hauptstadtvorteil angetreten war. "Ja, die AAA haben wir weggeputzt", entfährt es Lange, und er freut sich wie ein Gardegeneral.
Den Berlinern seien immer mehr konzeptionelle Fehler unterlaufen: "Zuletzt hatten die ja sogar eine Gebrauchtwagenausstellung dabei", schüttelt sich Lange. Die AMI dagegen setzt auf das PS-freudige Funkeln der Neuwagen, wie man es von der IAA kennt, will aber näher am Kunden sein. Das soll unter anderem ein Geländeparcours bewerkstelligen, das Angebot von Probefahrten bei zahlreichen Herstellern oder eine Job- und Ausbildungsbörse für Kfz-Berufe.
Auch US-Autos können klein und knackig sein: Das Cabrio vom Chrysler Crossfire steht ab Juni in den Läden
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Daewoo läutet den Autofrühling ein: Der neue Lacetti will Golf und Astra aufmischen, der Name soll auf den italienischen Designer hinweisen
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Zaungäste des Luxus: Ferrari ist das erste Mal auf der AMI, doch nur wenige dürfen sich den Ferrari 612 Scaglietti auch von innen ansehen
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Protzen, auch wenn's nur eine Studie ist: Der HSC dominiert den Stand von Honda
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Sympathieträger: Dank niedlichem Design und umtriebigem Marketing könnte das Mini-Cabrio der Renner der Saison werden
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Japan smart: Der neue Mitsubishi Colt bringt viel Technik vom Konzernbruder Smart Forfour mit, aber spart sich das flippige Äußere
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Pischetsrieders Albtraum: Mit dem neuen Astra will Opel den Golf vom Thron stoßen
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Geschmacksfrage: Nicht alles ist hübsch am Renault Modus, der im Herbst zu den Händlern kommt, aber vieles variabel und praktisch
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Allradprofi geht sporteln: Die Studie B9 Scrambler von Subaru sieht aus wie ein klassischer Roadster, ist höhenverstellbar und geländegängig. Der Clou: sein Hybridantrieb
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An den Lampen sollt ihr ihn erkennen: Volvo reicht mit dem V50 einen Kombi nach
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Der Frühling kann kommen: Das New Beetle Cabrio von VW hat nur einen Konkurrenten, den Mini
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Frage des Stils: Am VW-Stand erweist sich die Vase des Beetle Cabrio als das wichtigste Kaufargument der weiblichen Besucher
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Blech im Blitzlicht: Bitte klicken Sie einfach auf ein Bild, um zur Großansicht der Messefotos zu gelangen.
Inzwischen ist es Mittag und der Andrang groß. Die jugendlichen PS-Freaks wurden von Familien als stärkste Fraktion abgelöst. Bei Ford, im neuen Maverick, turnen zwei kleine Jungen und unterziehen die Blinker- und Scheibenwischerhebel härtesten Belastungstests. Die Ford-Hostess lächelt gequält, findet aber, dass so ein großes Auto eben eine Investition in die familiäre Zukunft sei.
Der Maverick gehört zu einer Reihe von Deutschland-Premieren, die die AMI für sich verbuchen kann. Bei Weltneuheiten muss man noch auf die neuesten Muskelspiele kleiner Tuning-Werkstätten oder Motorvarianten bekannter Autotypen verweisen. Die Mehrzahl der großen Neuerscheinungen des Frühjahrs steht auf dem Genfer Salon im März, der weltweit große Medienaufmerksamkeit genießt. "Trotzdem sehen die meisten Gäste die neuen Modelle bei uns zum ersten Mal in natura", wendet Kober flugs ein, "denn welcher Deutsche fährt zum Autoschauen schon nach Genf?"
Turnschuhe statt Pfennigabsätze
Turnschuhe statt Pfennigabsätze
Premierenknüller dieses Jahres ist der neue A6 von Audi. Seine offizielle Vorstellung hatte er auf dem Genfer Salon. Nun gibt es ihn in Leipzig zu begucken - wenn man es denn schafft, sich zu den drei Exponaten durchzukämpfen.
Bei Ferrari herrscht dauerhaftes Blitzlichtgewitter. Zwar werden die Zuschauer auf Sichtdistanz gehalten. Dennoch, hier finden die spätpubertären Jungspunde ihren gemeinsamen Nenner mit den Familien: staunende Augen. Ferrari ist in diesem Jahr das erste Mal auf der AMI vertreten. Das spiegele die gewachsene Bedeutung der Messe wider, heißt es freundlich am Stand. Einen ganz konkreten Anlass für das Engagement gibt es aber auch: Den neuen Ferrari-Händler in Dresden, der auf der Messe Bestellungen entgegennimmt und dessen Auftragsbücher von der gegenwärtigen Schwäche der Konjunktur gar nichts wissen wollen.
Die Konjunktur im Jahr 2002 war es, die der AAA den Garaus gemacht hatte, aber auch die Weigerung der Veranstalter, vom gemeinsamen Termin mit dem Pariser Salon abzurücken. Angetreten war die Messe an der Avus als Pausenfüller für die Jahre zwischen der IAA, immer im Herbst. Als ihr Hersteller wie Ford und Volkswagen den Rücken kehrten, lautete die Begründung meist: Sparen, konzentrieren.
"Stell' dir vor Baby, wir zwei da drin": Der Alfa GT weckt Gasfuß-Träume
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Nimmt den Kampf auf: Der VW Golf Auge in Auge mit seinem größten Konkurrenten
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Seit 26 Jahren ein Hingucker: Mehrere Autoclubs stellen auf der AMI aus. Mit der traumhaft schönen DS von Citroën können sie über das Zuschauerinteresse nicht klagen
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Soll zum eleganten Transportieren inspirieren: Der Lancia Musa ist die Edelvariante des Minivans Fiat Idea
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Nicht abschrecken lassen: Cadillacs Standhostessen treten ganz in Schwarz auf, dabei können sie sich über reges Interesse für das Cabrio XLR freuen
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"Knutschkugeln und Asphaltblasen": Die begleitende Ausstellung zu Kleinwagen der 50er Jahre ist eines der Highlights der Messe
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Warten auf das Christkind: Vom neuen 1er-BMW stand noch kein Exemplar in Leipzig - wer wollte, konnte sich mit Computeranimationen trösten. Für die Präsentation des Volumenmodells bevorzugen die Münchener den Pariser Salon im Herbst
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Perfektes Understatement: Der Maserati Quattroporte ist eine Limousine wie ein Maßanzug
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Knutschkugeln und Straßenflundern: Bitte klicken Sie einfach auf ein Bild, um zur Großansicht zu gelangen.
Dennoch sparte sich kein Unternehmen Leipzig. Auch wenn die Aussteller sehr genau auf die Kosten schauen und sich etwa überlegen, wie umfassend die Schulungen der Standhostessen ausfallen müssen. Bei einem deutschen Großkonzern erzählte man den Neulingen, die Kollegen bei der Konkurrenz seien so schlecht vorbereitet, dass die Kundschaft überhaupt nicht mehr zu fragen traue, wenn sie schließlich am eigenen Stand ankomme.
Dass bei immer mehr Ausstellern Turnschuhe statt Pfennigabsätze zum Messeauftritt gehören, hat allerdings keinen finanziellen Grund: die späte Einsicht, dass die Hostessen nicht mehr allzu motiviert sein können, wenn die Gedanken um ihre wunden Füße kreisen. Der koreanische Hersteller Daewoo verbucht den Trend zu Sneakers auf der Messe für sich. Entscheidend dürfte aber sein, dass - stilvolle - Turnschuhe auch in der Businessmode angekommen sind.
Ganz klassisch hält man es weiterhin bei Mercedes mit Nadelstreifen und Pumps. Nach der Bedeutung der AMI befragt, erfährt man dort etwas stereotyp, dass "für DaimlerChrysler alle Autoausstellungen wichtig sind", die AMI "auf jeden Fall" auch über regionale Grenzen hinaus.
Toskanische Landschaften im Cockpit
Toskanische Landschaften im Cockpit
Peter Maahn, Presseleiter des Konzerns, wird konkreter: Man habe sich in den vergangenen Jahren "auf einzelne Messen konzentriert" und alle Konzepte auf den Prüfstand gestellt. Leipzig habe unter anderem mit einem sehr guten Messegelände und seiner neuen Rolle als Autostandort punkten können - Porsche und demnächst BMW haben dort ein Werk.
An den Möglichkeiten der Messe wurde in den vergangenen Jahren gearbeitet. AMI-Projektleiter Kober erläutert, dass seit der Erweiterung auf fünf Hallen und dem Wegfall der Nutzfahrzeuge genug Platz für Konzernauftritte sei. So finden sich in direkter Nachbarschaft zu Mercedes die Modelle von Smart, Chrysler oder auch von Maybach. Das Luxusflaggschiff war auf der AMI erstmals in Deutschland ausgestellt worden.
Renault schätzt die AMI als Marktbarometer. Das neue Modell Modus, ein Minivan auf Clio-Basis mit integriertem Fahrradträger und variabler Rückbank, soll im Herbst in die Geschäfte kommen. Und kaum ein Zuschauer entgeht den Interviewern, die Dinge wissen wollen wie: "Finden Sie den Modus hässlich oder attraktiv?" - "Schon attraktiv, aber nicht in dieser Farbe." Die Innenverkleidungen mit Motiven toskanischer Landschaften in Grün und Türkis finden kaum Erwähnung. Die Hostess, deren mintfarbener Hosenanzug sich mit dem Lackton des Modus beißt, spricht von "eleganter Extravaganz". Die Kundschaft stört's nicht.
Deutsche Autos sind im Schnitt 7,6 Jahre alt
Vielleicht stört sie sich aber demnächst endlich an den eigenen alten Karossen, die im bundesdeutschen Durchschnitt rund 7,6 Jahre auf dem blechernen Buckel haben, und kauft bald etwas Neues. Das ist zumindest die Hoffnung der ganzen Branche. Sie veröffentlichte ähnliche Meldungen allerdings auch schon im Herbst, zur IAA, ohne dass die Kunden der Beschwörung folgten. "50 Prozent der AMI-Besucher wollen sich in den kommenden 24 Monaten einen Neuwagen kaufen", gibt sich VDIK-Chef Lange dennoch optimistisch.
Vielleicht reicht es ja diesmal, um Prognosen der Autohersteller zu erfüllen; sie sind inzwischen mit 3,35 Millionen Neuzulassungen sehr bescheiden geworden. Leute wie jenen gegelten Mittzwanziger am Alfa-Romeo-Stand hätte Lange sicher gerne erlebt: Der starrte auf den neuen Alfa GT, der schon bei ausgeschaltetem Motor verdammt schnell aussieht, fasste seiner knapp geschürzten Begleiterin fest um die Hüfte und raunte ihr ins Ohr: "Stell' dir vor Baby, wir zwei da drin!"