So managen Sie Ihr Leben Diese zehn Moralfragen sollten Sie sich jetzt stellen

Das Leben, ein Kampf: Die richtigen Werte zu finden ist nicht einfach. Am besten beginnt man damit, die richtigen Fragen zu stellen.
Foto: REUTERSJeder von uns lebt in seinem eigenen Koordinatensystem. Jeder hat eine Vorstellung vom gelingenden Leben. Von dem, was richtig und was falsch ist. Von dem, der man ist und der man eigentlich sein sollte. Oft hat sich dieses Koordinatensystem sehr früh in den untersten Schichten unseres Bewusstseins angesammelt.

Dominic Veken ist Managing Director von BrightHouse, einer auf Purpose und Kulturentwicklung spezialisierten Einheit der Boston Consulting Group. Er hat die Bücher "Ab jetzt Begeisterung" und "Der Sinn des Unternehmens" verfasst und unterrichtet Unternehmensphilosophie an der Universität der Künste in Berlin.
Von dort aus bestimmt es nun unser Leben und Tun und führt uns dabei nicht selten in Richtungen, in die wir eigentlich überhaupt nicht wollten.
Zeit also für 10 Fragen an das eigene Koordinatensystem! Mit ihnen schließen wir unsere Serie "So managen Sie Ihr Leben" ab.
Was erzeugt ein echtes Leuchten in meinen Augen?
Es gibt einen schönen Gradmesser für Sinn, dafür, wie stark ich in meinem Element bin. Denn man kann es Menschen ansehen, wenn sie das Gefühl haben, das zu tun, wofür sie gemacht wurden und die zu sein, als die sie gedacht waren. Man erkennt das am Leuchten in ihren Augen! Solche Menschen strahlen eine besondere Energie aus. Sie scheinen im Einklang mit sich zu leben, weil sie eine für sie wichtige Herausforderung angenommen haben und nun alles daran setzen, diese Herausforderung zu erfüllen.
Findet man dieses Leuchten häufig in der Gegenwart? Nein, eher nicht. Finden Sie es bei sich? Wenn sehr stark, dann brauchen Sie jetzt eigentlich nicht mehr weiterzulesen. Wenn noch nicht ausreichend, dann sollten sie sich unbedingt die Frage stellen, wann und wo Sie dieses Leuchten schon einmal hatten und was es damals erzeugt hat. Denn das könnte die Schlüsselfrage ihres Lebens sein.
Den griechischen Philosophen Sokrates beseelte die Suche nach der Wahrheit so stark, das er dafür sogar bereit war, seinen erzwungenen Freitod durch einen Schluck aus dem Schierlingsbecher hinzunehmen. Der Schriftseller Jonathan Franzen gibt an, dass die unbedingte Fesselung an einen Roman für ihn die höchste Freiheit und das größte Glück bedeutet. Und der Starbuck's-Chef Howard Schultz wurde von Beginn an von der Idee geritten, Cafés zum "Third Place", zum dritten Ort neben Arbeit und Zuhause für die Menschen zu machen.
Allen diesen Protagonisten gemeinsam ist ihr Leuchten in den Augen aufgrund ihres Dienstes an einer großen Sache. Und uns allen heute ist leider gemeinsam, dass wir verlernt zu haben scheinen, wie wir an dieses Leuchten herankommen.
Warum macht Selbstverwirklichung unglücklich?
Die meisten von uns machen einen großen Denkfehler. Denn wir meinen, Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung wären die großen Glücksgaranten im Leben. Dabei übersehen wir, dass schon in der Wortanlage ein großes Problem sichtbar wird. Denn bei beiden Begriff steht das "Selbst" ganz vorne, vor allem anderen. Dabei entsteht Sinn erst wirklich, wenn es einem in der Hauptsache um die Sache geht und nicht um einen selbst, wenn man sozusagen Sachverwirklichung statt Selbstverwirklichung betreibt.
Fragen sie sich etwa einmal, was die Situationen in Ihrem Leben waren, die sie wirklich glücklich gemacht haben. Laut dem Soziologen Hartmut Rosa waren das in der Regel keine "Ich im Fokus"-Erfahrungen, sondern ganz im Gegenteil Erlebnisse, bei denen man im positiven Sinne überwältigt wurde, in denen man selbst unwichtig wurde, weil etwas Großartiges, anderes plötzlich im absoluten Mittelpunkt stand. So etwa die Geburt des eigenen Kindes, das Übernehmen einer neuen großen Aufgabe, das Übergeben eines Geschenkes an jemanden, den man liebt oder das Kennenlernen einer ganz besonderen Person. Rosa nennt solche Momente Resonanz-Erfahrungen und dreht damit unsere Betrachtungsrichtung weg vom Selbst-Fokus.
Nach seiner Auffassung steht unserer Akkumulationslogik des "Viel und immer mehr für mich" eine Begeisterungslogik des "Ich als ein kleiner Teil von etwas wirklich Großem" gegenüber. Die Akkumulationslogik verengt, überfordert und erschöpft uns, während die Begeisterungslogik uns entlastet, uns beseelt und uns von falschen Anforderungen befreit. Jeff Bezos hat die Umkehrung der Betrachtungsrichtung vor einigen Wochen in der Welt am Sonntag sehr schön auf den Punkt gebracht, als er auf die Frage, warum er sich nun auch noch mit Weltraumfahrt beschäftigt, geantwortet hat: "Sie fragen mich, warum ich das mache? Weil es meine Leidenschaft ist. Man kann sich seine Leidenschaften nicht aussuchen. Sie suchen dich aus".
Wofür arbeite ich eigentlich?

Nice to have: Aber wann hat man eigentlich genug Geld, Gold oder Geschmeide?
Foto: Bundesbank / dpaLaut der jahrzehntelangen Forschung der Positiven Psychologie gibt es drei Kardinalstrategien für ein gelingendes Leben und eine erfüllende Arbeit. Die erste heißt "Pleasure" und besteht im Maximieren positiver vergnüglicher Erfahrungen und im Minimieren negativer. Dieser Strategie folgen 70 Prozent der Menschen in den sogenannten Industrieländern. Sie ist aber laut allen statistischen Erhebungen die mit Abstand erfolgloseste.
Die zweite Strategie mit einem 20-Prozent-Anteil heißt "Passion" und besteht im Folgen des Herzens, dem Leben des Flows. Die dritte Strategie "Purpose", der "höhere Sinn", ist nachweislich die erfolgreichste in Bezug auf Lebensglück und Erfülltheit im Beruf. Dennoch wird sie gegenwärtig nur von 10 Prozent der Menschen ergriffen.
Der Grund für dieses Missverhältnis ist einfach. Auch die überwiegende Mehrzahl der Unternehmen verfolgt heute eine "Pleasure"-Strategie, nur dass das größte Vergnügen der Unternehmen nicht in Spaß, sondern in "Profit" besteht. Die meisten Unternehmen beschränken sich auf eine reine Akkumulationslogik und setzen zu 100 Prozent auf finanzielles Wachstum, Effizienz und Strukturoptimierung.
Der amerikanische Business-Denker Garry Keller bringt das Problem dieser Strategie auf den Punkt, indem er fragt, wann man denn eigentlich weiß, das man genug Geld hat. Seine Antwort: Wenn ich das, was für mich Leidenschaft und Sinn ist, durchfinanzieren kann. Wenn ich aber gar keine Leidenschaft habe und keinem Sinn folge, kann ich aber entsprechend nie genug Geld haben und muss immer weiter im Hamsterrad der Geldvermehrung weiterlaufen.
Worin besteht mein innerer Kompass?
Jeder von uns hatte schon einmal ein inneres Anliegen, etwas, für das es sich zu kämpfen gelohnt hat und von dem wir überzeugt waren, dass es unbedingt wert ist, dafür auch Opfer und Nachteile in Kauf zu nehmen. Jeder von uns steht auf der anderen Seite einem gehörigen und von Jahr zu Jahr wachsendem äußeren Druck gegenüber: Man muss auf dem Laufenden bleiben, man muss mobil sein, man muss Versicherungen bedienen, wachsende Arbeitsanforderungen erfüllen, dazu lebenslang lernen und darf auf der anderen Seite bloß nichts verpassen.
Das Problem hieran: Wir kommen immer mehr in eine reaktive Haltung. Wir arbeiten ab und erfüllen, sind aber immer weniger erfüllt. Der äußere Druck drückt unsere inneren Anliegen in die Ecke und wir verlieren das, was uns zu Charakteren macht, zu Menschen, die frei und aufrecht entscheiden können: unseren inneren Kompass.
Wir denken immer, wir wären frei, wenn wir viele Optionen haben, wenn wir theoretisch tun können, was wir wollen. Dabei besteht die entscheidende Freiheit darin, dass wir wollen können, was wir wollen. Der Philosoph Harry Frankfurt hat das sehr einfach gefasst. Er unterscheidet zwischen Wünschen erster Ordnung (was wünsche ich gerade) und solchen zweiter Ordnung (was wünsche ich mir überhaupt zu wünschen).
Nach Frankfurt kommen wir heute leider allzu oft gar nicht an die Wünsche zweiter Ordnung heran. Mit unserer Akkumulationslogik und dem dazugehörigen äußeren Druck sind wir zunehmend wie der Heroinsüchtige, der alle möglichen Wünsche haben mag, aber zwanghaft immer nur dem Wunsch nach Heroin folgt. Nicht umsonst häufen sich gerade die Unternehmensfälle, in denen aus reiner Profitsucht zwanghaft Kurse, Automobile und sonstiges manipuliert werden. Wünschen kann sich das doch ernsthaft keiner.
Was würde ich tun, wenn ich keine Angst hätte?

Manchmal ist ein gut platziertes Klebeband entscheidend - und kann sogar Monster bändigen
Foto: AP/ AI.comDiese Frage hing an vielen Wänden bei Facebook: "Was würde ich tun, wenn ich keine Angst hätte?". Warum? Weil Facebook auf Innovationen angewiesen ist. Weil sich Facebook nicht allzu viele reine Befehlsempfänger und Besitzstandswahrer leisten kann. Weil Mitarbeiter, die ihrem inneren Anliegen folgen, einfach glücklicher, langfristig leistungsfähiger und dadurch deutlich loyaler sind.
Oder umgekehrt: Der Hauptgrund, warum wir flächendeckend dem äußeren Druck nachgeben und unsere Willensfreiheit widerstandslos minimieren, ist, dass wir Angst haben: Angst, unseren Job zu verlieren. Angst, dass wir den Anschluss verpassen. Angst, unseren Status zu blockieren. Angst, von Freunden, Nachbarn und Bekannten nicht mehr gemocht zu werden.
Alle diese Ängste bringen uns dazu, überhaupt nicht mehr darüber nachzudenken, was wir eigentlich tun würden. Wir lassen uns durch sie ganz einfach auf ein Minimaß an Handlungskorridor beschränken.
Die Angstexpertin Susan Jeffers hält dagegen, dass wir unseren Ängsten Herr werden können, wenn wir sie auf eine verdichten: auf die Angst, nicht damit klar zu kommen, mit dem Jobverlust, dem Statusabfall oder der Missgunst. Wenn wir das Gefühl stärken, mit allem schon irgendwie klar kommen werden ("I can handle it!"), dann eröffnet sich uns plötzlich die Möglichkeit, wieder das zu tun, was unserer Überzeugung entspricht, das, was wir tun würden, wenn wir keine Angst hätten.
Woher weiß ich, was richtig ist und was falsch?
Natürlich gibt es eine unglaubliche Vielfalt an Möglichkeiten, zu entscheiden, was richtig und was falsch ist. Doch lassen Sie uns an dieser Stelle einmal auf zwei sehr grundlegende beschränken: die der "Absicht" und die der "Wirkung". Bei ersterer gilt: Wenn ich etwas Gutes, etwas Richtiges will, kann das ja schon einmal nicht falsch sein. Meine Intention ist rein. Ich brauche mir nichts vorwerfen zu lassen. Bei der "Wirkung" gilt: Es ist doch völlig egal, was ich im Schilde führte. Solange das Ergebnis super ist und alle zufrieden sind, ist doch alles spitze.
Für die erste Variante empfinden wir üblicherweise eine deutlich stärkere Sympathie. Hier sehen wir die zu Hause, denen wir den Begriff "Moral" zuschreiben: Helfer, echte Freunde, gute Menschen. Das Problem: Noch nie waren die Folgewirkungen des eigenen Verhaltens so unabsehbar wie heute. Noch nie galt so sehr: Gut gemeint ist nicht gut gemacht.
Heute gehen etwa die meisten Experten davon aus, dass sehr vieles von dem, was wir über Jahrzehnte an gut gemeinter Entwicklungshilfe geleistet haben, mehr geschadet als genützt hat. Und auch in puncto Flüchtlingshilfe spalten sich derzeit die Geister, ob das, was Deutschland macht, eher gut gemeint oder auch tatsächlich gut in seinen Konsequenzen ist.
Der entscheidende Punkt dabei: Wirklich wissen, was richtig oder falsch ist, können nur die, die sich bei der moralischen Bewertung auf ihre Absicht beschränken und die Wirkungen erst einmal nachrangig behandeln. Doch ist diese Beschränkung ihrerseits richtig? Oder wäre es nicht viel besser, sich nicht auf ein vermeintliches moralisches Wissen zu verlassen, sondern stattdessen permanent auch anhand der Wirkungen zu hinterfragen, ob man gerade das Richtige tut?
Wie stark glaube ich an das, was ich tue?
Heute kann ich mir also nur noch darin sicher sein, alles permanent hinterfragen zu müssen. Denn nur so kann es mir - wie gesehen - gelingen, mein inneres Anliegen mit dem äußeren Druck auszubalancieren, meine Absichten mit ihren Folgewirkungen und dabei einem höheren Sinn zu folgen. Leben ist gar nicht so einfach. Und doch kann es sich wirklich lohnen! Sehr plastisch wird das an einer entscheidenden Erkenntnis des amerikanischen Flow-Psychologen Mihályi Csíkszentmihályi. Zu dieser kam er, nachdem er über viele Jahre die Wirkung der Arbeit auf das Glücksempfinden der Menschen untersucht hat.
Chirurgen sind in Amerika demnach die Beschäftigten mit dem höchsten Glücksempfinden, da bei ihnen alle positiven Arbeitsfaktoren zusammenkommen. Das ist wenig überraschend. Viel überraschender ist aber die Aussage von Csíkszentmihályi, dass es auch bei den Putzfrauen in den Krankenhäusern einige gab, deren Glücksempfinden ähnlich hoch war wie bei den Chirurgen.
Und diese ließen sich sehr leicht an den Beschreibungen ihrer Arbeit erkennen. So schilderten die meisten der Putzfrauen ihren Arbeitsalltag als "Ich wasche die Bettpfannen, ich wische den Boden, ich bringe neue Bettwäsche." Diese Frauen könnte man als die typischen Erfüller bezeichnen. Aber einige Putzfrauen beschrieben laut Csíkszentmihályi ihre Arbeit ganz anders, indem sie erklärten: "Ich bin dafür da, dass es den Patienten besser geht. Sie fühlen sich besser, wenn der Raum sauber ist und das Bad gut riecht."
Diese Frauen sehen sich als wichtige Größe für die Gesundheit und das Leben der Patienten. Diese Frauen könnte man als Erfüllte beschreiben. Sie machen eigentlich exakt das Gleiche, was die Erfüllerinnen machen, aber sie wissen, wofür sie es machen. Sie kennen den Sinn. Sie glauben in einem starken Sinne an das, was sie tun. Und das macht sie in ihrer Arbeit (und ihrem Leben) glücklich.
Wie kann ich die Welt verändern (zumindest ein bisschen)?

Eine Ikone der modernen Welt: Steve Jobs (Mitte, in einer Darstellung des Künstlers Banksy)
Foto: AFP/ Banksy"Willst du Limonade verkaufen oder willst du die Welt verändern?". Mit dieser Frage überzeugte Steve Jobs in den Anfangstagen von Apple den damals eigentlich völlig unerreichbaren Pepsi-Chef John Sculley, seine überragende Stellung, seine Macht und seinen gigantischen Verdienst aufzugeben, um dafür bei der im Vergleich winzigen Firma Apple anzufangen.
Die Welt zu verändern ist ein Versprechen, das man kaum ablehnen kann. Es ist eine zentrale Möglichkeit, das eigene Verhalten maximal mit Sinn und Bedeutung aufzuladen, etwas zu erreichen, wofür es sich wirklich lohnt, sich ihm zu widmen, sich ihm zu verschreiben, vieles dafür in die Waagschale zu werfen.
Insofern lohnt es sich auf jeden Fall, darüber nachzudenken, wie man die Welt ein Stück weit verändern kann. Denn Leute, die glauben, sie könnten die Welt verändern, sind nicht nur die, die es tun. Es sind auch die mit einem echten Leuchten in den Augen.
Warum ist das Leben hart?

Hartes Training: Beim Militär sagt immer einer, wo es lang geht. Die meisten von uns müssen ihre Orientierung selbst finden.
Foto: Ahn Young-joon/ APZu meinem vorigen Geburtstag hat mir meine damals neun Jahre alte Tochter ein Philosophie-Plakat geschenkt, auf dem sie alle für sie philosophisch klingenden Fragen zusammengefasst hat. Neben Fragen wie "Warum lebt man?", "Liebe, was ist das?" oder "Kann man Freude kaufen?" fand sich dort auch die Frage "Warum ist das Leben hart?" - eine in der heutigen Zeit sehr gute und originelle Frage, wie ich finde.
Denn: Ist das Leben überhaupt noch "hart" für uns? Müssen wir noch "hart" arbeiten? Sind die Bedingungen heute noch "hart" für die meisten? Oder ist das Leben heute nicht auf eine ganz andere Art "hart" als das früher der Fall war?
Die Zeitschrift Organisationsentwicklung rief in ihrer jüngsten Ausgabe das "VUCA-Paradigma" aus, wobei diese Abkürzung für die vier Adjektive volatil, unsicher, komplex und ambivalent steht. Der Soziologe Niklas Luhmann nutzte hierfür den Begriff Kontingenz und bezeichnet ihn als das Midas-Gold der Moderne.
Kontingenz bedeutet, das alles immer auch ganz anders sein kann, also sozusagen die Nicht-Notwendigkeit alles Bestehenden. Insofern ist das Leben heute "hart", weil alles ganz weich ist und flüssig. Man kann sich auf nichts mehr verlassen. Von Jahr zu Jahr schwindet der feste Boden unter unseren Füßen und wir tun gut daran, wirklich gut schwimmen zu lernen. Die Gegenwart wird immer unverständlicher, die Zukunft immer unvorhersehbarer und damit alles immer unkontrollierbarer und unplanbarer. Hoffentlich haben Sie sich da frühzeitig um Ihren inneren Kompass Gedanken gemacht.
Was würde ich im Nachhinein über mein Leben denken?
Was würde ich tun, wenn heute mein letzter Tag wäre? Das war eine gern genommene Frage der antiken Lebensschulen. Denn sie brachte einen bezüglich der eigenen Lebensweise in eine andere Perspektive und damit auf völlig neue Gedanken.
Der Philosoph Peter Bieri, der es unter seinem Pseudonym Pascal Mercier zu Weltruhm gebracht hat, zählt entsprechend die Fähigkeit zum Gedankenexperiment zu einem essentiellen Handwerk der Freiheit: die berühmten Was-wäre-wenn-Gedanken. Bei jedem Roman etwa begibt man sich versuchsweise in die Haut eines anderen. Und so geht das auch mit den richtigen philosophischen Fragen.
So erkannte Martin Heidegger im (geistigen) Vorlaufen zum Tod die Möglichkeit, das ausfindig zu machen, was man eigentlich wirklich will. Friedrich Nietzsche arbeitete im Gegensatz mit der Figur der ewigen Wiederkehr des Gleichen. Was würde man tun, wenn man etwas Bestimmtes bis in alle Ewigkeit machen müsste? Was würde man dann tun wollen? Oder denken Sie einmal, Sie wären schon tot und würden nun auf ihr Leben zurückblicken. Was würden sie denken aus Sicht desjenigen, der Sie sind, wenn Sie nicht mehr sind? Wäre Ihr Koordinatensystem denn immer noch dasselbe?