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Teambuilding: Ein Besuch im Escape Room Casa Moretta in Hamburg

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Escape Rooms - der neue Trend im Teambuilding Wenn Personaler ihre Mitarbeiter zum Spielen schicken

Von Ulrike Hauswald

"Wir stehen hier vor der Casa Moretta. Die Familie ist bekannt für ihre windigen Geschäfte. Falschgeld, Erpressung, Steuerhinterziehung, sogar von Menschenhandel war schon die Rede. Ihr, eine Gruppe top-ausgebildeter Spezialpolizisten, braucht nun belastende Beweise, um die Morettas endlich hinter Gitter zu bringen. Dafür bleibt euch eine Stunde Zeit!"

Was nach einem Fernsehkrimi klingt, wird genauso tagtäglich in einem abgedunkelten Raum in der Hamburger Speicherstadt erzählt. Escape Rooms liegen schon seit Jahren im Trend. Rund 420 Betriebe gibt es in Deutschland, die zusammen 110 Millionen Euro im Jahr erlösen. Von der Weltrettung über Laborexplosionen bis hin zu Zeitreisen - es gibt keine Geschichte, keine Aufgabe, die nicht schon zum Escape Room-Storytelling genutzt wurde. Was bisher vor allem Hobby-Detektive und Knobel-Fans in die geschlossenen vier Wände gelockt hat, entdecken jetzt Unternehmen für sich: gemeinsames Rätsel lösen als Teambuilding-Maßnahme.

Viele Firmen buchen die Räume im Zuge der Weihnachtsfeier oder als reines Event. Etwas fünf bis zehn Prozent nutzen sie jedoch bereits als Teambuilding-Maßnahme, schätzt Max Giesen, Escape-Room-Betreiber und Vorstand im Fachverband der Live Escape & Adventure Games. Tendenz steigend. Inzwischen gibt es neben den stationären Escape Rooms auch Anbieter, die mit mobilen Varianten zum jeweiligen Unternehmen fahren und das Spiel vor Ort durchführen.

Nur, wenn das Team kooperiert, kommt es weiter

Im Alltag arbeiten Renate, Tristan, Lena, Tanja und Antje bei einem IT-Konzern zusammen. Heute sind sie die "Spezialpolizisten" - und stehen vor dem ersten Rätsel: der Tür zur Casa Moretta. Während Tristan die ausgehändigten Unterlagen in Augenschein nimmt, tastet Lena den Türrahmen ab, dreht an der Lampe, doch das schummrige Licht wird nur noch schwacher. Tanja fühlt unter dem Briefkasten nach ungewöhnlichen Auskerbungen, rückt an jedem einzelnen Ziegel, verschiebt Steine, als die schwere Holztür mit einem Quietschen aufschwingt. Der Eingang ist geöffnet.

"Bei klassischen Escape Rooms werden Logik und Kreativität angesprochen, es geht darum, out of the box und um die Ecke zu denken, sich von gewöhnlichen Denkmustern zu befreien", erklärt René Wittek, Diplom-Psychologe und Geschäftsführer von "Spielgestalter". Die Agentur bietet Teambuildings und -Trainings, auch mobil. "Kompetenzen wie zuhören und sich gegenseitig ausreden lassen werden geschult, man muss gewillt sein, auf andere Vorschläge einzugehen. Dabei muss man immer die Zeit im Blick haben. Es ist so angelegt, dass man es nicht alleine schaffen kann, sondern mit der Gruppe kommunizieren muss." Genau deshalb sei dies auch eine so gute Möglichkeit, um ein Kollegen-Team näher zusammen zu bringen.

Im Kaminzimmer der Morettas angekommen sucht Renate weiter, sie öffnet Kisten und Schränke, Schubladen und Truhen, findet ein Zahlenschloss. Bücher werden umgedreht, Stühle hochgehoben, Kerzen verrückt. Alles kann eine Bedeutung haben - muss es aber nicht. Belanglose Deko oder wichtiger Anhaltspunkt? Während Antje die linke Ecke des Zimmers durchsucht, macht sich Lena am Regal in der rechten Ecke zu schaffen und findet ein weiteres Schloss, diesmal mit Buchstaben. Immer mehr Hinweise finden den Weg auf den Tisch in der Mitte des Raums, wo sich nach und nach alle wieder zusammenfinden. Wie geht es nun weiter? Tristan nimmt das Zahlenschloss in die Hand und spricht ein Machtwort: "Wir fangen jetzt damit an, dann können wir mit dem Anderen weiter machen." Alle nicken.

Spielen ist eine universelle Sprache

Beim Spielen von Escape Rooms kommt es nicht darauf an, aus welchen Sektoren die Spieler kommen. Vielmehr ist es sogar förderlicher, wenn viele verschiedene Charaktere aus unterschiedlichen Abteilungen zusammenarbeiten. "Es geht nicht nur um reine analytisches Denken oder Intelligenz, und es werden auch nicht ausschließlich handwerkliche Aufgaben gestellt", so Wittek. "Der Austausch untereinander ist entscheidend." Die unterschiedlichen Stärken verschiedener Personen sei einer der Erfolgsfaktoren. Auf lange Sicht fördere das essentiell das Verständnis für- und das Arbeiten miteinander.

Zurück bei den Morettas. Das Schachbrett wirft mehr Fragen auf als, dass es beantwortet. "Ist das ein korrektes Set an Spielern? Bauer? Dame? Läufer?" - "Vielleicht bedeutet die Aufstellung was?" Was bedeutet der Hinweis "A3 nach B2, C3 nach C8, G1 nach G8" auf einem der Zettel? Ein leises "Können wir nicht erstmal ein anderes Rätsel machen?" wird mit einstimmigem "NEIN" quittiert. Also nochmal von vorne: A3 nach B2. C3 nach C8. G1 nach G8.

Schon Kinder lernen Sozialverhalten spielerisch, erklärt Wittek. "Dabei bauen Spiele auf eine universelle Sprache auf, sie sind kultur-, geschlechts- und altersunabhängig." Wenn ein Escape Room als Teambuilding-Maßnahme gespielt werden soll, sei eine sinnvolle Nachbesprechung unabdingbar, so Wittek. "Was lief gut, was schlecht? Was können wir daraus lernen und welche Folgen hat das für unseren Arbeitsalltag? Solche Fragen müssen resümiert und miteinander diskutiert werden, um das Erlebte reflektiert in die Arbeitswelt transferieren zu können."

Warum der Spielleiter so wichtig ist

In der Casa Moretta klingelt das Telefon. Spielleiterin Fatma gibt beim kniffligen Schach-Problem einen kleinen Tipp. Die Spielleiter erfüllen eine besondere Aufgabe: Sie überwachen per Monitor den Raum und helfen den Spielern gegebenenfalls auf die Sprünge, um sie zum Ziel zu führen. Nutzt man die Rätselräume als Teambuilding, müssen sie aber weitere Aufgaben übernehmen und besonders geschult werden, damit die Teilnehmer das Ganze professionell reflektieren können.

Die Branche hat sich weiterentwickelt, seit Max Giesen 2014 seinen ersten Escape Room eröffnete. Damals gab es gerade einmal drei Räume in ganz Deutschland. Er hat vor allem zu Beginn einen stark wachsenden Trend beobachtet: "Am Anfang gab es noch sehr niedrige Markteintrittsbarrieren, deswegen machten sich dann auf einmal ziemlich viele Leute selbstständig. Heutzutage sind die Auflagen strikter, vor allem, was Brandschutz, Fluchtwege, und Ähnliches angeht." Ein Unglück wie in Polen, als im Januar bei einem Feuer fünf Mädchen zu Tode kamen, sei somit in Deutschland aufgrund der hohen Sicherheitsstandards unmöglich.

Teambuilding wird immer wichtiger

Zufriedene Arbeitnehmer fehlen seltener

Dass die Escape Rooms inzwischen auch eingesetzt werden, um Teams zu stärken, ist Teil eines größeren Trends. In verschiedenen Forschungen wurde belegt, dass sich Mitarbeiter, die mit ihrer Arbeitssituation zufrieden sind, psychisch und physisch gesünder sind. "Der Mehrwert von Teambuilding-Maßnahmen ist immens: Wenn sich Arbeitnehmer in ihrem Unternehmen wohl fühlen, bedeutet das gleichzeitig weniger Fluktuation sowie Kosten- und Zeitersparnisse bei einer langfristigen Mitarbeiter-Bindung", sagt Wittek dazu.

Verstärkt wird diese Entwicklung dadurch, dass die Millennials (Geburtsjahrgänge 1982-1996) auf den Arbeitsmarkt drängen. Nächstes Jahr werden sie weltweit mehr als ein Drittel der berufstätigen Bevölkerung stellen - und damit die gesamte Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer neu definieren. In einer Studie der Manpower Group gaben jüngst 80 Prozent der 19.000 befragten jungen Menschen an, dass "gute Kollegen" eine der fünf wichtigsten Prioritäten bei der Arbeitssuche sei. Zudem sind sie darauf fokussiert, ihre individuellen Fähigkeiten auszubauen: einerseits die fachlichen, aber auch ihre Fähigkeiten in der Kommunikation, ihre Anpassungsfähigkeit und das Teamwork.

Erfolgserlebnis schweißt Team zusammen

Renate, Tristan, Lena, Tanja und Antje haben es mittlerweile aus der Casa herausgeschafft. Gemeinsam haben sie auch das letzte Rätsel, den Tresor, öffnen und so den Ausgang finden können. "Man muss neugierig sein, kombinieren können, analytisch denken, beispielsweise beim Schachbrett, Ideen sammeln und ausprobieren", fasst Tristan zusammen. Antje ergänzt: "Es kam wirklich viel darauf an, miteinander zu kommunizieren und sich abzustimmen und man ist aufeinander angewiesen." "Es ist schön, etwas gemeinsam geschafft zu haben", sagt auch Lena. "Das Erfolgserlebnis ist auf jeden Fall wichtig dabei."

Was das Erfolgsgeheimnis betrifft, verrät jedoch ein Spielleiter: "Wenn Leute privat zu uns kommen, halten wir uns eher zurück und lassen sie mehr alleine rätseln, das heißt aber auch, dass sie es manchmal nicht in der vorgegebenen Zeit schaffen, alle Rätsel zu lösen. Bei Unternehmensgruppen achten wir schon eher darauf, auch mal den ein oder anderen Tipp mehr zu geben, damit sie hier nicht komplett frustriert rausgehen."

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