Die entlegensten Orte der Welt Unerreichbare Inseln, wilde Wälder, urbane Katakomben

Seinen Namen verdankt Inaccessible Island den rund um die Insel verlaufenden steilen Klippen.
Foto: Chris Howarth/South Atlantic / Alamy Stock PhotoAn die Leine gelegt und domestiziert, wird die Wildnis überzüchtet und denaturiert. Einst weiße Flecken auf den Landkarten sind von Straßen, Feldern und Städten durchzogen. Kein Wunder, dass man knapp davor ist, unsere Gegenwart als neues geologisches Zeitalter zu definieren: das Anthropozän, die Epoche des Menschen - ein Begriff, der die Dominanz der Menschheit auf diesem Planeten unterstreicht.
Und trotzdem: Fühlen wir uns nicht immer noch von ungezügelten, unkultivierten Landschaften angezogen? Abgeschieden und exotisch, voller Rätsel und unbeantworteter Fragen wecken sie Fernweh und Vorstellungen von einer entlegenen Wildnis. Das Zeitalter der Entdeckungen - jene Ära, in der Segelschiffe bis zum Horizont und darüber hinaus fuhren, um neue Welten zu suchen - mag größtenteils hinter uns liegen (für sich betrachtet vielleicht keine schlechte Sache).
Das bedeutet aber nicht, dass es nicht nach wie vor einzigartige wilde Plätze gibt, die man aus dem einen oder anderen Grund als "ungezähmt" beschreiben kann. Der Fortschritt zähmt die Welt und lässt jene homogene Monotonie um sich greifen, die unseren Lebensraum ausmacht. Doch diese anderen Orte geben sich nicht geschlagen und entziehen sich standhaft den gefräßigen Tentakeln der Kultivierung. Hier sind elf Beispiele.
Südatlantik: Inaccessible Island
Sie ist eine der entlegensten Inselgruppen der Welt: Tristan da Cunha, Teil des britischen Überseegebiets St. Helena, Ascension und Tristan da Cunha. 260 Menschen leben hier vorwiegend von Langustenfang und -export. Der nächste Flughafen liegt mehr als 2800 km entfernt im südafrikanischen Kapstadt, was bedeutet, dass man die Insel nur erreicht, wenn man eine sechstägige Reise mit einem Schiff auf sich nimmt.
Das unbewohnte Inaccessible Island treibt die Isolation noch auf die Spitze. Denn hat ein potenzieller Besucher einmal die lange Seereise bis Tristan da Cunha trotz heftiger unvorhersehbarer Wetterkapriolen überstanden, muss er sich hier auch noch mit den buchstäblich unzugänglichen Klippen herumschlagen, um überhaupt anlegen zu können.
Seinen Namen aber erhielt Inaccessible Island wohl von dem französischen Kapitän d'Etchevery, der 1778 hier anlegen wollte, was sich aufgrund der 300 Meter hohen, fast kerzengerade aus dem Meer aufragenden Klippen der plateauförmigen Insel als unmöglich herausstellte. Wie ein natürlicher Verteidigungswall wirken diese Klippen, von denen außerdem spektakuläre Wasserfälle ins Meer donnern. Im Jahr 1997 wurden Inaccessible Island und das Meer rund um die Insel zum Naturreservat erklärt, 2004 mit dem benachbarten Gough Island in die Liste der UNESCO-Weltnaturerbestätten eingeschrieben.
Ukraine: Die Katakomben von Odessa

Ein zurückgelassenes Feldtelefon, ein Helm, Lampen und Bilder dokumentieren die Funktion der Katakomben als Partisanenversteck während des Zweiten Weltkriegs.
Foto: Zoonar GmbH / Alamy Stock PhotoDie Hafenstadt Odessa ist ein urbanes Juwel aus eleganten neoklassizistischen Bauten in Pastellfarben, Stränden am Schwarzen Meer, gepflasterten Promenaden und Sehenswürdigkeiten, wie die Potemkinsche Treppe oder das Opernhaus aus dem 19. Jahrhundert. Unter all dem Zauber jedoch existiert eine vollkommen andere Welt: Mehr als 2000 Kilometer dunkler, labyrinthischer Katakomben verlaufen kreuz und quer unter den Alleen der Stadt - ein weitläufiges Netz aus Gängen, das im Laufe der Zeit zahlreichen verdammten Seelen zum Grab wurde.
Als Odessa Ende des 18. Jahrhunderts gegründet wurde, holten sich die Bauarbeiter ihr Baumaterial direkt von unterhalb ihrer Baustellen: Die Katakomben entstanden, weil sie ursprünglich als Steinbruch für die Stadt dienten, die innerhalb kurzer Zeit zu beachtlicher Größe wuchs. Und je größer die Stadt wurde, desto weitläufiger wurden die Tunnel darunter, die schließlich über drei Ebenen bis in eine Tiefe von 60 Meter reichten.
Nach der Russischen Revolution diente dieses wilde Labyrinth zahllosen illegalen Zwecken - vom ungesetzlichen Weinlager bis zum Magazin von Schmuggelgütern, die in der streng kontrollierten Sowjetunion verboten waren.Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurden die Katakomben zum Geheimversteck von bis zu 6000 Widerstandskämpfern, die von hier aus ihre Überraschungsangriffe und Sabotageakte gegen die rumänischen und deutschen Besatzungstruppen starteten.
Ursprünglich gelangte man aus nahezu jedem Gebäude Odessas in die Katakomben, wobei die meisten jedoch in den 1980er-Jahren von den Behörden verschlossen wurden. Populär sind sie trotzdem, vor allem unter den "podzemshchiki": Jugendliche, die sich zu Expeditionen in den urbanen Untergrund aufmachen, weil es heißt, in dem Labyrinth seien zahlreiche Schätze verborgen.
Kanada: Herschel Island

Herschel war eine lebendige Walfänger-Stadt, bevor diese Industrie zusammenbrach. Heute sind die Insel und ihr Hauptort ein verlassenes, isoliertes Stück Land am Saum Kanadas.
Foto: Loetscher Chlaus / Alamy Stock PhotoWeit oben in Kanadas Norden, rund zwei Kilometer vor der Küste des riesigen isolierten Yukon-Territoriums, liegt das bloß 116 Quadratkilometer große Herschel Island. Trotz ihrer eisigen Trostlosigkeit war die Insel, auf der um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert schätzungsweise 1200 Menschen lebten, dank des Walfangs damals eine wirtschaftlich blühende Region. Die kleine Stadt Herschel war der Knotenpunkt für Matrosen, Walfänger und die Inuvialuit, die ihrerseits ebenfalls aufs Meer hinausfuhren. Ihr Geschäft waren die Weiß- und Grönlandwale, aus deren Kadavern Fässer voller Tran gewonnen wurden.
Herschel Island ist heute verlassen. 1907 war der Walöl-Markt zusammengebrochen und mit ihm der Walfang. Immer mehr Bewohner verließen die Insel, bis in den späten 1980er Jahren niemand mehr dort lebte. Die abgelegene Stadt Herschel, die sich innerhalb des nördlichen Polarkreises befindet, ist heute nur noch eine Erinnerung an eine vergangene Blüte. Die alten Walfangstationen stehen leer, die Fähranlagen, mit denen einst die Handelsgüter auf das Festland transportiert wurden, sind verlassen. Durch seine Lage befindet sich Herschel Island an vorderster Front des Klimawandels: Der Permafrostboden taut, die Steilküste erodiert, und selbst die Inuvialuit kommen nicht mehr auf die Insel.
Koreanische Halbinsel: Demilitarisierte Zone

Fernab der spannungsreichen Joint Security Area hat sich die DMZ zur unerforschten Wildnis entwickelt.
Foto: Jong Kook Lim / Alamy Stock PhotoZwischen der Demokratischen Volksrepublik Korea im Norden und der Republik Korea im Süden herrscht seit der Unterzeichnung des Waffenstillstands nach dem Koreakrieg Eiszeit. Denn im Anschluss an dieses Abkommen von 1953 entstand nicht Friede, sondern eine 248 Kilometer lange und vier Kilometer breite Pufferzone, die die Halbinsel entlang des 38. Breitengrades teilt - die berüchtigte Demilitarisierte Zone (DMZ), die in Wahrheit zu den waffenstarrendsten Grenzverläufen auf diesem Planeten zählt und die der ehemalige US-Präsident Bill Clinton als "furchterregendsten Platz der Welt" bezeichnet hat.
Fernab der für Besucher adaptierten Bereiche präsentieren sich die 900 Quadratkilometer der DMZ und die südlich anschließenden 1400 Quadratkilometer der Civilian Control Zone (CCZ) völlig von der Welt isoliert. Doch dank dieser Isolation konnte sich innerhalb der Zone eine fast unglaublich artenreiche Wildnis entwickeln. Sie besteht aus geschätzten 97,4 Prozent Wald, Grünland mit weitläufigen, von Blumen übersäten Wiesen und Feuchtgebieten. Mehr als 1100 Pflanzenarten wurden hier ebenso gezählt wie 80 verschiedene Fischtypen. Hunderte farbenfroher Vogelspezies bevölkern die ungezähmten Flussmündungen im Westen und die Berglandschaft im Osten. Wenigstens 50 Säugetierarten wurden ebenfalls gesichtet: Luchse, Amurleoparden, Kragenbären, Fischotter und Wasserrehe. Für die Koreaner selbst sind jene Gerüchte besonders aufregend, in der DMZ würden möglicherweise Sibirische Tiger leben.
Vietnam: So'n Doòng-Höhle

Erst 2009 wurde die enorm große So'n-Doòng-Höhle, die Bergflusshöhle, entdeckt. In ihr wächst sogar ein Untergrund-Regenwald.
Foto: Aurora Photos / Alamy Stock PhotoZu vergessen, wo die größte Höhle der Welt liegt, scheint vollkommen unmöglich zu sein. Dennoch ist genau das Ho Khanh, einem vietnamesischen Bauern, passiert. Eines Tages im Jahr 1991 war er unterwegs in der Annamitischen Kordilliere, als dichter werdende Wolken plötzlich ein nahendes Gewitter anzeigten. Verzweifelt auf der Suche nach Schutz vor dem schweren tropischen Regen, stolperte er in ein Loch im Boden. Dass es mehr war als das, spürte Khanh an einem Windzug unter der Erde und am Geräusch eines fernen Gewässers. Er nahm an, dass er sich am Beginn eines langen Tunnels mit einem unterirdischen Fluss an dessen Ende befand. Khanh kletterte über die Felsen und stand schließlich in einer riesigen Höhle. Als er nach Hause ging, versuchte er sich den Weg genau einzuprägen, konnte ihn aber im dichten Dschungel des Phong-Nha-Ke-Bang-Nationalparks nicht mehr nachvollziehen.
Im Jahr 2006, Khanh war längst wieder zu seinem Alltag als Bauer zurückgekehrt, war die Sache jedoch noch längst nicht vergessen. Ein Team internationaler Forscher wollte herausfinden, ob an Khanhs Geschichte irgendetwas Wahres war. Der Durchbruch kam 2009. "Ich hielt an einem großen Felsen an", erzählte Khanh, "wo ich denselben starken Windzug spürte und das Geräusch von fließendem Wasser hörte. Da wusste ich, dass ich die Höhle zu guter Letzt wiedergefunden hatte."
Später, als man die Höhle genauer erforscht hatte, entdeckte man Räume mit rund 200 Metern Höhe und etwa 150 Metern Breite, in die leicht zwei Big Bens übereinander passen würden und durch die ein großer Jumbojet fliegen könnte, ohne sich die Flügel zu zerkratzen. Zur "Höhlenausstattung" zählen Stalagmiten von nahezu 80 Metern Höhe und ein mächtiger Fluss, der vor Hunderttausenden von Jahren mitgeholfen hatte, diese Kalksteinkaverne zu formen, die heute die größte bekannte Höhle der Welt ist und den Namen Hang So'n Doòng , Bergflusshöhle, erhielt.
Bhutan: Gangkhar Puensum, der höchste unbestiegene Gipfel der Welt

Mit 7570 m ist der Gangkhar Puensum der höchste unbestiegene Gipfel der Welt.
Foto: LatitudeStock / Alamy Stock PhotoZwar liegt der Gangkhar Puensum (der Name bedeutet "Weißer Gipfel der Drei Spirituellen Brüder") unter den höchsten Bergen der Welt nur an 40. Stelle, doch mit einer Höhe von 7570 Metern bleibt er der weltweit höchste nie bestiegene Gipfel. Ein Titel, den er aufgrund eines mittlerweile erlassenen Gesetzes auch behält. Für Touristen wurden die Grenzen Bhutans erst 1974 geöffnet, und 1983 hob die Königliche Regierung Bhutans auch das Verbot auf, die fünf höchsten Gipfel - darunter auch der Gangkhar Puensum - des Landes zu besteigen. Bergsteigen war nie Teil der Traditionen Bhutans gewesen, vielmehr galt der Glaube, die beeindruckenden Gipfel seien Sitz der Götter.
Mit der Gesetzesänderung traten schnell die Bergsteiger auf den Plan und wetteiferten darum, wer als Erster auf dem Gipfel des Gangkhar Puensum sitzen würde. Drei Teams - eines aus Österreich, eines aus Japan und eines aus den USA - hatten den Versuch gewagt, mussten aber alle wieder umkehren. Bekümmert über die plötzlich auftauchenden Scharen von Menschen, die kreuz und quer über ihre heiligen Berge kletterten, entschied die Regierung 1994, den Zugang zu allen Gipfeln mit einer Höhe über 6000 Metern zu schließen - inklusive, natürlich, des Gangkhar Puensum. 2004 wurde Bergsteigen in Bhutan schließlich insgesamt verboten. Bis zu jenem Tag also, an dem dieses Gesetz wieder aufgehoben wird, bleibt der makellose Gipfel des Gangkhar Puensum von Menschenhand unberührt.
Österreich: Eisriesenwelt Werfen

Die Eisriesenwelt - die größte Eishöhle der Erde - besteht aus einem nach wie vor nicht restlos erforschten 42 Kilometer langen Höhlensystem, von dem rund ein Kilometer vollkommen vereist ist.
Foto: Westend61 GmbH / Alamy Stock PhotoDas hier ist keine normale Höhle. Das ist ein gewaltiges, mit ewigem Eis überzogenes Netzwerk aus Gängen, die größte Eishöhle der Welt. Drinnen glitzert der Boden und blitzen die Wände im Licht der Grubenlampen. Dringt man noch tiefer in dieses Labyrinth vor, ziehen hohe Eissäulen, Eiszapfen, gefrorene Wasserfälle und andere bemerkenswerte Strukturen aus Eis die Aufmerksamkeit auf sich. Enorme Eisskulpturen wie aus einer anderen Welt reflektieren das Licht in blendendem Azurblau. Immer tiefer hinein geht es in den Berg, das Höhlennetz verzweigt sich zu immer engeren Tunneln - und dann, auf einer Höhe von 1656 Metern, steht man unversehens im enormen Eispalast, dessen Wände mit 70 Zentimeter dickem Eis überzogen sind und dessen Decke eine Höhe von 100 Metern erreicht.
Besuchern der Eisriesenwelt wird empfohlen, sich warm anzuziehen, da die Temperatur in der Höhle das ganze Jahr über hartnäckig unter 0 °C bleiben kann. Die vereisten Höhlen erstrecken sich über etwa einen Kilometer und reichen bis zum Eispalast. Danach erstreckt sich ein eisfreies, noch längst nicht restlos erforschtes Höhlensystem rund 42 Kilometer in die Tiefen des Karstgebirges.
Neuseeland: Te Urewera

Zwischen Te Urewera und den indigenen Nga i Tu hoe besteht eine tiefe spirituelle Verbindung.
Foto: age fotostock / Alamy Stock Photo2014 verabschiedete man im Parlament von Neuseeland das revolutionäre Te-Urewera-Gesetz: Unter anderem garantiert es dem Wald von Te Urewera auf der Nordinsel des Landes "alle Rechte, Befugnisse, Pflichten und Haftungen einer juristischen Person".
Te Urewera ist ein nebelverhangener, abgelegener Urwald, dessen schlammig-sandiger Schluffboden sich aus dem Meer nach oben gefaltet hatte und der dann über Jahrtausende von den nordwärts fließenden Flüssen Whakatane, Waimana und Tauranga geformt worden war. 1954 wurde der Urwald zum Nationalpark erklärt. Zu seinen Glanzpunkten zählen im Süden des Parks der 50 Quadratkilometer große Lake Waikaremoana ("See des sich kräuselnden Wassers") und der kleinere Lake Waikareiti, beide bei Wanderern und Kanufahrern höchst beliebt. Manche Bereiche des Te Urewera jedoch sind derartig unzugänglich, dass sich nicht einmal die robustesten Besucher hineinwagen.
Für die Nga i Tuhoe (die "Kinder des Nebels"), einem Stamm der indigenen Maori, ist Te Urewera unendlich viel mehr als ein bloßer Naturspielplatz für Touristen. In der Legende über ihren Ursprung heißt es, sie seien die Nachkommen einer Ehe zwischen Te Maunga (der Berg) und Hine-Pokohu-Rangi (die Nebeljungfrau), womit der Urwald unauflöslich mit ihrer Identität verflochten ist. Chris Finlayson, Generalstaatsanwalt Neuseelands, erklärte in seinem Schlussplädoyer, das im Te-Urewera-Gesetz mündete: "In ihrer Weltsicht heißt es, ,Ich bin der Fluss und der Fluss bin ich'. Ihre geografische Region ist fester und wesentlicher Bestandteil dessen, was sie sind." Das beispielgebende Te-Urewera-Gesetz könnte über kurz oder lang dazu führen, dass die ungezähmtesten Orte der Welt dieselben Rechte bekommen wie du und ich.
Australien: Endeavour River

Das Vorkommen eines Gutteils der Flora und Fauna Australiens konzentriert sich auf die Wet Tropics von Queensland, darunter auch den Endeavour River.
Foto: Andrew Watson / Alamy Stock PhotoDer Endeavour River fließt, bevor er in den Südpazifik mündet, durch die Siedlung Cooktown. Er bildet die nördliche Begrenzung der berühmten Feuchttropen von Queensland, einen fast 9000 Quadratkilometer großen Areal, das sich 450 Kilometer weit bis Townsville erstreckt. "Eine bestechend schöne Region", so die Begründung der UNESCO für die Aufnahme der Wet Tropics in die Weltnaturerbeliste.
Sie umfassen den möglicherweise ältesten Regenwald der Erde: "Hier zeigen sich auf unvergleichliche Art ökologische und evolutionäre Prozesse, die Flora und Fauna Australiens formten. In ihnen bestehen Relikte des großen Gondwana-Waldes weiter, der vor 50 bis 100 Millionen Jahren Australien und Teile Antarktikas bedeckt hat."
In den Feuchttropen von Queensland leben 35 Prozent aller australischen Säugetiere auf lediglich 0,2 Prozent der gesamten Fläche des Kontinents. Sie sind das Habitat von Ringelschwanzbeutler, Baumkängurus und Riesenbeutelmarder. Hier sind über 4000 Pflanzenspezies (darunter die besonders giftige Australische Brennnessel) zu finden sowie 40 Prozent aller Vogelarten Australiens wie beispielsweise der notorisch aggressive Helmkasuar und 60 Prozent aller Schmetterlingsarten. Die Wet Tropics sind damit zweifellos ein veritabler Biodiversitäts-Hotspot in einem ansonsten als eher trocken bekannten Kontinent.
Zur Vielfalt der Fauna in den Feuchttropen zählen auch berüchtigt gefährliche Tiere wie giftige Schlangenarten - unter anderem Rotbäuchige Schwarzotter, Östliche Kleinaugenotter und Rauschuppenotter - und das furchterregende Leisten- oder Salzwasserkrokodil (das legendäre "Saltie"). Alle paar Jahre wieder ist in lokalen und nationalen Zeitungen von Menschen - meistens nichtsahnenden Touristen - zu lesen, die unversehens vom Flussufer verschwinden.
Jemen: Sokotra

Berühmt ist Sokotra für den unverwechselbaren Drachenblutbaum ebenso wie für eine ganze Reihe weiterer ungewöhnlicher endemischer Pflanzen.
Foto: Aurora Photos / Alamy Stock PhotoDrachenblut. Was wie die Zutat für eine mittelalterliche Arznei klingt, ist in Wirklichkeit ein tiefrotes Naturharz, das jahrhundertelang (und noc h heute in der chinesischen Medizin) als wirksames Mittel gegen alle Arten von Gesundheits- und Schönheitsproblemen eingesetzt wurde. Doc h wenn auch der Begriff "Drachenblut" oft für das Harz aller Drachenbäume gilt, ist es in erster Linie doch der Saft der dunklen Beeren der Dracaena cinnabari, des Drachenblutbaums: eine merkwürdig aussehende Pflanze, die man nur an einem Ort der Welt findet - auf der fernen Inselgruppe Sokotra.
Der Archipel Sokotra besteht aus der 133 Kilometer langen Hauptinsel gleichen Namens und fünf kleineren Begleitern, liegt 233 Kilometer östlich des Horns von Afrika und rund 350 Kilometer südlich des jemenitischen Festlands. Das Klima ist heiß und trocken, die Lage isoliert. Mit dem Drachenblutbaum gibt es zumindest 307 nur hier vorkommende Pflanzen (das sind 37 Prozent der insgesamt auf Sokotra heimischen 825 Pflanzenspezies), darunter der hohe, kahle Gurkenbaum und die Wüstenrose mit ihren leuchtend roten Blüten. Seit 2008 gehört der Archipel zum Weltnaturerbe der UNESCO.
Kroatien: Jabuka, die Magnetinsel

Die Insel Jabuka hat ihr eigenes kleines Magnetfeld, das imstande ist, jeden Kompass zu verwirren, wenn man ihr zu nahe kommt.
Foto: Room the Agency / Alamy Stock PhotoOhne die Fähigkeit, den Erdmagnetismus zur Navigation rund um den Erdball einzusetzen, wären die Seeleute vergangener Epochen buchstäblich verloren gewesen. Selbst heute, da GPS und andere moderne Technologien allgegenwärtig sind, bedienen sich die Skipper kleinerer Segelboote nach wie vor oft eines bescheidenen Kompasses, wenn sie beispielsweise zwischen den Mittelmeerinseln kreuzen. Doch wehe einem solchen Seemann, wenn er dabei Jabuka, der berüchtigten "Magnetinsel" in der Adria, zu nahe kommt.
Der Grund liegt darin, dass die Insel nahezu vollständig aus vulkanischem Magnetit besteht, einen Erz mit besonders hohem Eisenanteil. Ist man also nahe genug , so wirkt der Magnetismus Jabukas stärker als das Erdmagnetfeld und stürzt damit jeden Navigator ins reine Chaos. Grund genug also, dem guten Beispiel erfahrener Seeleute zu folgen und den Einflussbereich der Insel zu meiden. Und vor allem ein guter Grund, niemals zu versuchen, einen Fuß auf die Insel zu setzen. Möglich ist das ohnehin kaum, da das Meer rund um Jabuka sehr tief ist und sich daher kaum ein Anker setzen lässt. Dann ragt der schwarze Fels fast 100 Meter in die Höhe und ist - ausgenommen eine endemische Eidechsenart auf der und Kaisergranate in den Riffs um die Insel - so gut wie unbewohnt.
Die Eigentümlichkeiten dieser Insel - ihre Abgelegenheit, aber auch ihre unverwechselbare Form - sind heute der wichtigste Orientierungspunkt des Jabuka Race, einer jährlich stattfindenden Segelregatta: Die Boote starten in Vodice an der kroatischen Küste, fahren weit hinaus in die Adria und drehen bei Jabuka in Richtung Startpunkt wieder um. Die Regatta umfasst insgesamt 90 Seemeilen - vor ausgesetzt natürlich, die Teilnehmer verirren sich nicht auf halber Strecke.