

Brasília - Alejandro Sabella hatte es nach dem erfolgreichen Viertelfinale gegen Belgien (1:0) ziemlich eilig. Vor fast allen Spielern setzte sich der argentinische Nationaltrainer in den Mannschaftsbus, der abfahrbereit im Bauch des Estádio Nacional von Brasília wartete. Dann setzte sich der 59-Jährige seine Lesebrille auf und stöberte in seinen Unterlagen. Was er dort wohl suchte? Vielleicht Antworten auf Fragen, die sich bei den argentinischen Minimalisten mittlerweile stellen: Wie weit kann es die "Albiceleste" mit dieser Leistung beim Turnier bringen? In der Pressekonferenz hatte Sabella tatsächlich geflötet: "Ich habe ein wundervolles Spiel gesehen. Wir haben die richtige Strategie und Taktik gewählt."
Der Fußballlehrer aus Buenos Aires mag ja recht haben, wenn er die Darbietungen zugrunde legt, die frühere Generationen in diesem Stadium einer Weltmeisterschaft boten. 2006 und 2010 setzte jeweils Deutschland das Stoppschild im Viertelfinale, und vor allem die 0:4-Abreibung vor vier Jahren in Kapstadt war ja dem Umstand zuzuschreiben, dass die Argentinier damals "eine zweigeteilte Mannschaft" auf dem Platz hatten, die unter dem schwer ernst zu nehmenden Diego Maradona kein Gleichgewicht zwischen Defensive und Offensive fand, wie Joachim Löw sich damals wunderte.
Das zumindest ist jetzt verbessert. "Wir besitzen eine Balance, ich habe schnelle Spieler aufgestellt, die die Lücken schließen können", lobte sich Sabella selbst. Er hatte nicht nur den ehemaligen Münchner Martín Demichelis als Prellbock in die Innenverteidigung eingebaut, sondern seinem Mittelfeldmalocher Javier Mascherano mit Lucas Biglia einen zusätzlichen Abfangjäger zur Seite gestellt. Vorrangige Aufgabe des Lazio-Profis: Räume schließen, Passwege zustellen.
"Wir sind alle sehr glücklich"
Selbst der "Man of the Match" Gonzalo Higuaín, nach einem über Lionel Messi und Ángel di María eingeleiteten Spielzug mit einer feinen Direktabnahme erfolgreich (8. Minute), wollte über den Auftritt nicht mäkeln. Im Gegenteil: "Es ist lange her, dass wir so weit gekommen sind. Wir sind alle sehr glücklich", bekundete der Torschütze Higuaín, der seine torlose Zeit im Nationaltrikot beendete. Der 27 Jahre alte Stürmer ließ keinen Zweifel, "dass wir bis zum Endspiel träumen wollen." Zum ersten Mal seit 24 Jahren steht Argentinien wieder in einem WM-Halbfinale - "deshalb war es wichtig, dass wir das geschafft haben", sagte Higuaín.
Die argentinische Gemeinschaft hat die am Reißbrett geplante brasilianische Hauptstadt nur als Zwischenstation begriffen, und deshalb haben sich viele - Spieler wie Zuschauer - einfach das himmelblauweiße Jersey vom Leib gerissen und im Gleichklang durch die Luft gewirbelt. Lionel Messi hat dabei indes nicht mitgemacht. Der Solist legte einige schöne Kabinettstückchen hin, war aber längst nicht so effektiv wie in der Vorrunde.
"Er muss nicht immer Tore schießen", sagte Sabella, "er hat trotzdem großen Einfluss auf unser Spiel." Aber Messi ist weniger wert, wenn er keine Kollegen hat, die auf seine Ideen eingehen. Sergio Agüero ist bereits ausgefallen, und nun sackte nach 33 Minuten auch noch di María zusammen. Erste Diagnose: Oberschenkelverletzung. "Ich hoffe, dass es nicht so schwerwiegend ist", sagte Sabella. Medienberichten zufolge soll die WM für di María jedoch beendet sein.
Sehnsüchte nach einem Finaleinzug haben sich hingegen bei den Belgiern erledigt. Nationaltrainer Marc Wilmots musste viele Spieler auf dem Platz - wie den weinenden Kevin De Bruyne vom VfL Wolfsburg - trösten, um die Enttäuschung aufzufangen. "Wir haben nur Details falsch gemacht", sagte Wilmots, "uns fehlt vor allem Erfahrung." Das ehemalige "Kampfschwein" auf Schalke erklärte: "Wir haben noch viel zu lernen."
Der 45-Jährige war nämlich nicht einverstanden mit der Spielweise des Siegers. "Die Argentinier haben unseren Rhythmus zerstört, sie haben 45 Sekunden für einen Einwurf gebraucht. Ich habe ein sehr gewöhnliches Team gesehen." Für Wilmots ist die argentinische Auswahl in dieser Form kein Titelkandidat. "Ich habe keinen Favoriten gesehen."
Alle Augen auf Lionel Messi. Es gibt zwar unter seinen Teamkollegen auch andere prominente Fußballer, gleiches gilt für Argentinies Viertelfinalgegner Belgien. Doch Messi überragt alle. Auch bei dieser Weltmeisterschaft, in der er für die ansonsten enttäuschenden Argentinier bereits in mehreren Spielen den Unterschied gemacht hat.
Im Mittelpunkt stand kurz darauf aber ausnahmsweise ein anderer: Gonzalo Higuaín (r.) traf zur frühen Führung für Argentinien. Er verwertete einen Abpraller von Belgiens Jan Vertonghen, der Pass kam von Ángel Di María (l.). Es war das erste Tor des Stürmers bei dieser WM, der in seiner Heimat in der Kritik gestanden hatte.
Die Argentinier hatten von Beginn an Druck gemacht und wurden früh belohnt.
Bei Belgien lief auch nach dem frühen Rückstand nicht viel zusammen. Kapitän Vincent Kompany (l.) im Duell mit Messi.
Argentinien hatte bessere Möglichkeiten, zum Beispiel durch Di María, der sich allerdings bei einem Schussversuch verletzte (ohne Fremdeinwirkung). Der nach Messi für das Spiel der Argentinier wohl zweitwichtigste Spieler musste ausgewechselt werden.
Jung gegen Alt: Belgiens 19-jähriger Stürmer Divock Origi gegen Argentiniens Verteidiger Martin Demichelis. Der 33 Jahre alte ehemalige Bayern-Spieler stand erstmals bei dieser WM auf dem Platz.
Kurz vor der Pause wurde Messi an der Strafraumgrenze gefoult, den daraus folgenden Freistoß trat er natürlich selbst. Er ging nur knapp über das Tor.
Belgien hatte auch noch eine Chance: Ein Kopfball von Kevin Mirallas (hier links im Bild) ging nur knapp daneben. Dann war Halbzeit.
Auch in der zweiten Hälfte war Argentinien zunächst die bestimmende Mannschaft. Ein Konterversuch der Belgier blieb ohne Erfolg, im Gegenzug setzte Higuaín zum Sololauf an. Dabei tunnelte er Kompany (nicht im Bild) und setzte den Ball schließlich an die Latte.
Nach knapp einer Stunde wechselte Belgiens Trainer Marc Wilmots in der Offensive: Romelu Lukaku (Bild) kam für Origi, außerdem wurde Kevin Mirallas durch Dries Mertens ersetzt.
In der Folge wurde Belgien stärker. Marouane Fellaini köpfte eine Flanke von Vertonghen knapp über das Tor.
Trainer Wilmots trieb die belgische Mannschaft an, Argentinien stellte seine Offensivbemühungen weitgehend ein. Kevin De Bruyne (r.) setzte die argentinische Abwehr mehrfach unter Druck, etwa durch einen Schuss, der abgefälscht wurde und nur knapp danebenging.
Obwohl die Belgier in der Schlussphase noch einmal gefährlich wurden, blieb es beim 1:0 für Argentinien, das dadurch ins Halbfinale einzieht.
Am Ende feierte auch Superstar Lionel Messi den Einzug ins Halbfinale.
Luiz Felipe Scolari (Brasilien): Der Trainer der Seleçao bläut seinen Spielern einen pragmatischen Stil ein. Leider lautet so auch sein modisches Credo: Polohemd, Trainingsjacke, Sporthose und Nike-Sneakers. Stadionkluft für passionierte Fußballer in zweiter Generation. Bei ihm drücken wir beide Augen zu: Seine blaue Retro-Jacke hat Kultstatus und ist sein persönlicher Glücksbringer.
Miguel Herrera (Mexico): Im WM-Spiel gegen Brasilien war Mexikos Torwart der überragende Mann auf dem Platz. Weniger heldenhaft das Outfit seines Trainers: Adidas-Sportjacke und um den kurzen Hals ein grüner Schlips. Herrera sah so filmreif komisch aus, als wollte er Mario Adorf in einer Mafia-Rolle doubeln...
... Herrera (Spitzname: "Die Laus") machte das aber im Spiel gegen Kroatien mehr als wett durch den besten Trainer-Torjubel, den diese WM bisher gesehen hat. Und die Trainingsjacke hat er auch gegen ein Jacket getauscht. Modisch weiter vorn ist dagegen Italiens Coach ...
Cesare Prandelli (Italien): Applaus, Applaus. Der italienische Coach ist immer tadellos gekleidet. Kein Wunder: Dolce & Gabbana ist auch bei der laufenden WM der offizielle Ausstatter der Squadra Azzurra. Im feinen Zwirn wirkt Signore Prandelli immer ein wenig unnahbar und etwas pomadig. Doch der Schein trügt. Seine Mannschaft schätzt ihn auch wegen seiner Akribie. Und ethisch macht er sich gegen Homophobie und Rassismus im Sport stark. Bravo, Signore Prandelli!
Oscar Tabarez (Uruguay): Die Spieler Uruguays können unter den extremen klimatischen Bedingungen im hautengen Hemd jeden Wet-T-Shirt-Contest gewinnen. Anders ihr hemdsärmliger Trainer Oscar Tabarez: Die himmelblaue Krawatte ist den Farben des nationalen Fußballverbandes zuzuschreiben, dafür kann der Mann nichts. Aber Krimskrams wie Kugelschreiber oder Notizzettel in der Hemdtasche gehört da nicht hin. Wozu, lieber Herr Tabarez, haben Sie denn Assistenten?
Niko Kovac (Kroatien): Der in Berlin aufgewachsene Nico Kovac begann seine Spielerkarriere bei SC Rapide Wedding. Der ehemalige kroatische Nationalspieler hat den Wedding auch stilistisch längst hinter sich gelassen: Matte abgeschnitten, Dreitagebart ade. Bei der WM überzeugt Kovac im Look eines schicken Managers mit gegeltem Kurzhaarschnitt und einem perfekt sitzenden Anzug, mit weißem Hemd und edler Krawatte. Sieht so aus, als ob er noch mitspielen könnte. Modisch gesehen eine große Konkurrenz für Joachim Löw.
Volker Finke (Kamerun): Das Bundesligaurgestein Volker Finke hat ein Gespür für den afrikanischen Fußball und gilt als der Dompteur der unzähmbaren Löwen. Doch seine Bilanz enttäuscht auf ganzer Linie: Null Punkte, und ein mageres Tor. Die meiste Zeit stand er beim ersten Gruppenspiel seiner Mannschaft wie ein begossener Pudel im sintflutartigen Regen von Natal. Wohlwollend kann man sagen, das gibt jedem Outfit den Rest.
Vicente del Bosque (Spanien): The winner takes it all? Nein, auch tapferen Verlierern gehört die ganze Sympathie. Del Bosque gilt als die Ruhe selbst. Auch in der Coachingzone verliert er nie die Contenance. Spaniens Nationaltrainer wurde vom König Juan Carlos für sein sportliches Engagement schon geadelt. Ein Auftritt mit royaler Anmutung. Förmlicher Anzug ohne Schnick-Schack. Weißes Hemd und schmale rote Krawatte. Tiki-Taka fährt nach Hause, ein Konkurrent weniger.
Jorge Sampaoli (Chile): Jorge Sampaoli ist der dritte Argentinier in Folge, der die Chilenen trainiert. Südamerikanisches Temperament am Arbeitsplatz Seitenlinie. Jorge Sampaoli macht in körperbetonter Sportkleidung eine passable Figur. Das weiße Polo von Puma sieht angezogen aus, die passende graue Jogginghose lässt bei Sampaoli keine Assoziationen von Trinkhalle aufkommen. Der militärische Kurzhaarschnitt und das Schweißband ums Handgelenk unterstreichen den sportlich-trainierten Appeal des Trainers. Pasota!
Louis van Gaal (Niederlande): High Five! Van Gaal entzauberte Spanien. Wir kennen ihn ja gut, den Louis van Gaal. Nicht nur die Bayern-Fans. Und wir verstehen auch, dass man als Trainer der niederländischen Nationalmannschaft irgendwo am Outfit Orange tragen muss. Für den Tulpen-General allerdings eine eher schwierige Farbe. Wir danken dem Ausstatter sehr dafür, dass sich Orange nur auf die Krawatte beschränkt. Orange steht Maxima nun mal wesentlich besser.
Ange Postecoglou (Australien): Hemdsärmlig und trotzdem klassisch. So präsentiert sich der griechischstämmige Coach der australischen Nationalelf. Das Anzugjackett in der Hitze des Gefechts ablegen, ist absolut ok. Aber sind das wirklich Lackschuhe, die wir da erblicken?
Jose Pekerman (Kolumbien): Der sympathische Kolumbien-Coach aus Argentinien verzichtet auf modische Experimente. Unauffällig gekleidet dirigiert er am Spielfeldrand seine Mannschaft erfolgreich ins WM-Achtelfinale. Ein etwas beamtenhaft wirkender Auftritt. Die Krawatte reißt es leider auch nicht raus.
Fernando Santos (Griechenland): Weder Portugal, das Heimatland von Santos, noch Griechenland sind berühmt für modische Finesse. Allerdings ist es common sense, die Krawatte nicht über dem Hosenbund baumeln zu lassen. Und lieber Herr Santos, stecken Sie mal ordentlich ihr Hemd in die Hose. Dann wirkt zumindest der Spielfeldrand aufgeräumt.
Sabri Lamouchi (Elfenbeinküste): Der Franzose Lamouchi zeigt sich auf dem Platz elegant-lässig. Gut sitzende Anzüge in gedeckten Farben, Hemd mit schmaler Krawatte oder Pullover. Und er belegt uns eindrucksvoll, dass man auch ohne Stollentreter kicken kann. Respekt!
Alberto Zaccheroni (Japan): Ein Italiener in Japan. Modisch gesehen eine problemlose Liaison. Und so bereitet uns Zaccheronis Outfit auch kein Kopfzerbrechen. Der Anzug sitzt. Ein mittelmäßiges Ergebnis.
Jorge Luis Pinto (Costa Rica): Wir gratulieren Herrn Pinto zur perfekt gebundenen Krawatte! Zu viele Binde-Fauxpas mussten wir bei dieser WM schon monieren. Daher noch mal für alle Krawattenliebhaber: Das gute Stück endet über dem Hosenbund. Genau.
Roy Hodgson (England): England is coming home. Wenn man an den englischen Fußball aus modischer Sicht denkt, assoziiert man zwangsläufig David Beckham. Mit gutem Recht, wenn man sich den englischen Nationaltrainer Roy Hodgson betrachtet. Und dabei wollen wir es auch belassen.
Ottmar Hitzfeld (Schweiz): Der gebürtige Lörracher Ottmar Hitzfeld hebt sich nicht nur durch seine sportlichen Erfolge von der Mehrzahl seiner Trainerkollegen ab, sondern auch rein äußerlich: Hitzfeld legt Wert auf Stil, strahlt Seriosität und Zuverlässigkeit aus. Er zeigt klassische Eleganz im dunkelblauen Anzug, mit dem roten Innenfutter seines Anzugs erhält er einen Extra-Bonus für modische Kreativität. Mit weißem Hemd und roter Krawatte bekennt er sich zu den Schweizer Nationalfarben. Da hat der General doch alles richtig gemacht!
Reinaldo Rueda (Ecuador): Schwer auszurechnen, was Herr Rueda in der Pose eines Star-Tenors taktisch aus dem Schrank holt. Anzug, Hemd, Krawatte fertig ist das Arbeitsoutfit von Ecuadors Nationaltrainer. Alles farblich passend. Der Anzug ist in einem schönen Königsblau gehalten. Eine Farbe, die ihm schmeichelt.
Didier Deschamps (Frankreich): Ein guter Esprit ist der erste Schritt zum Sieg. Frankreichs Nationaltrainer Didier Deschamps, der 1998 als Spieler mit Frankreich Weltmeister geworden war, spielt mit seinen Les Bleus modisch ganz weit vorne mit. Sehr lässig, sein nachtblauer Anzug mit cremefarbenem Innenfutter zum offenen weißen Hemd. Schwarzer Schnürschuh, schwarzer Chronometer am Handgelenk. Comme il faut! Wie auch das Trikot seiner Elf im klassischen Retro-Polo-Style.
Luis Fernando Suarez (Honduras): Der aus Kolumbien stammende Suarez trägt das große hellblaue H der Nationalelf aus Honduras auf dem Herzen. Böse Zungen könnten auch meinen, dass es aussieht wie ein großes H für Hilfiger. Passt eher auf ein Sweatshirt als auf einen dunkelblauen Anzug. Da spielt es dann auch keine Rolle mehr, dass der Zugangspass lustlos um den Hals baumelt.
Alejandro Sabella (Argentinien): Als Trainer hat Sabella gleich zwei Spitznamen: El Mago, der Magier. Und Magno, der Große. Der argentinische Nationalcoach hebt sich positiv von seinen lateinamerikanischen Kollegen durch die gute Passform seines dunklen Anzugs und die elegante schmale Krawatte ab. In der Londoner City könnte er glatt als Vorstand einer internationalen Bank durchgehen. Aber einen heißblütigen Tangotänzer haben wir am Spielfeldrand auch nicht erwartet. Wohl dem, der einen Messi hat.
Carlos Queiroz (Iran): Queiroz gilt als Entdecker der portugiesischen "Goldenen Generation" der 1990er Jahre, zu denen Spieler wie Luís Figo und Rui Costa gehören. Die Affinität zu Gold ist dem Coach des iranischen Teams geblieben. Und damit auch jeder sein Bling-Bling auf dem ergrauten Brusthaar sehen kann, ist der zweite Hemdknopf offen geblieben. Ob dieses modischen Debakels hat sich der unter das Revers gerutschte Hemdkragen wohl schamvoll verstecken wollen.
Safet Susic (Bosnien): Modisch betrachtet hat Safet Susic als Nationalcoach des WM-Neulings Bosnien-Herzegovina seine Zeit als Kicker bei Paris Saint-Germain nicht geprägt. Er kleidet sich so, wie man es noch vor Jahrzehnten machte. Im altbacken-biederen Trainingsanzug. Dabei wäre die Weltmeisterschaft doch die Gelegenheit, großflächig mit dem Klischee der Jogginganzug-affinen Slawen aufzuräumen.
Stephen Keshi (Nigeria): Großen athletischen Männern stehen Sportoutfits besser als korpulenteren. Das ist soweit verstanden. Warum Trainer bei den Spielen ebenfalls in Sportklamotten am Spielfeldrand stehen müssen, ist nicht verstanden. Fehlen zum gesamten Erscheinungsbild eigentlich nur die Adiletten.
Joachim Löw (Deutschland): Wer sieht unserem Bundestrainer seine 54 Jahre an? Joachim Löw hat Krawatte und Sakko zur Seite gelegt und belässt es beim dunkelblau taillierten Hemd mit Haifischkragen und einer schmal geschnittenen grauen Anzughose. Sein Hemd sitzt am gut durchtrainierten Oberkörper wie angegossen. Auch noch, wenn er beim Torjubel in die Luft springt. Wir hoffen natürlich, dass es fürs Finale reicht. Und wenn nicht, sagen wir: Jogi, höggschde Couture!
Kwesi Appiah (Ghana): Hallo, Taxi? Ghanas Coach Kwesi Appiah marschiert im leicht taillierten, dunkelblauen Anzug aus feinem Tuch an der Seitenlinie auf. Er strahlt Ruhe und Gelassenheit aus und weiß, was er will. Seine Krawatte wirkt etwas unruhig, die glänzende Gürtelschließe irritiert. Alles in allem aber: ein guter Gesamteindruck.
Paulo Bento (Portugal): Wer hat beim portugiesischen Fußballverband verbrochen, dass Paulo Bento in diesem Nike-Schlabber-Look am Spielfeldrand auflaufen muss? Der Mann sieht sonst im Anzug mit Hemd und Krawatte absolut vorzeigbar aus.
Juergen Klinsmann (USA): Klinsmann hat den Casual-Look seiner Wahlheimat Kalifornien verinnerlicht. In beigefarbener Chino und smartem Polo macht der am Spielfeldrand umherspringende US-Coach eine Top- Figur. Kein Wunder: Jogi Löw war früher sein Co-Dressman.
Marc Wilmots (Belgien): Der Trainer der belgischen Nationalelf hat schon einiges gerissen in seinem Leben: Nationalspieler, Nationaltrainer und Mitglied der liberalen Partei Mouvement Réformateur für die er schon im belgischen Senat saß. Dafür zollen wir ihm Respekt. Aus modischer Sicht ist sein Outfit die größte Katastrophe dieser WM. Trainierte junge Kerle in Fußballtrikots auf dem Platz, da sind wir sehr dafür. Ältere Herren mit Bauch- und Brustansatz in Fußballtrikots am Spielfeldrand. Da sind wir entschieden dagegen.
Fabio Capello (Russland): Bei einigen Mannschaften ist die Mannschaft der Star bei der Sbornaja ist es der Trainer. Er ist der älteste, angeblich der mit Abstand bestbezahlte, unbestritten aber einer der schillernsten Trainer dieser WM. Hier gibt er sich hemdsärmelig in Königsblau - und mit markanter Brille, die den entschlossenen Blick unterstreicht.
Vahid Halilhodzic (Algerien): Der einstige Nationalspieler aus dem ehemaligen Jugoslawien und erfolgreichste bosnische Fußballtrainer zeigt sich in Brasilien klassisch und trotzdem leger in Hemd und Anzug. Leider hat sich der algerische Fußballverband für einen auffälligen Aufnäher entschieden. Ein Outfit-Crasher schlechthin. Vielleicht sollte er vorm nächsten Gruppenspiel noch einen Frisörtermin wahrnehmen.
Hong Myung-bo (Südkorea): Würde Hong Myung-bo sich von Jogi Löw modisch beraten lassen oder sich gar aus seinem Kleiderschrank bedienen, hätte Deutschland stilistisch gesehen echte und ernstzunehmende Konkurrenz. Wird aber nicht passieren. Und so muss der arme Herr Myung-bo weiter in dunkelblauen Trainingsklamotten von Nike am Spielfeldrand stehen.
FC Bayern, Stern des Südens: Dieser Fan des Rekordmeisters wollte beim WM-Spiel Deutschlands gegen die USA gern seinen Idolen die Hand geben. Also stürmte er auf den Platz,...
...klatschte beim Torschützen Thomas Müller ab...
...und wurde von Kapitän Philipp Lahm mit Handshake und einem Grinsen begrüßt. Die Fifa fand den Auftritt des Mannes weniger witzig: Im Fernsehen war er nicht zu sehen, stattdessen wurden Fans auf der Tribüne gezeigt.
Schon beim Vorrundenspiel gegen Ghana hatte es ein Störer auf den Platz geschafft. Sein Auftritt sorgte allerdings für ernsthafte Irritationen: Der Bauch des Polen sei unter anderem mit SS-Runen bemalt gewesen, meinten Beobachter.
Brasilianischen Medien zufolge stritt der Mann die Vorwürfe aber ab - es habe sich lediglich um zwei "4"-Ziffern seiner E-Mail-Adresse gehandelt.
Politisch weniger fragwürdig war dieser Flitzer beim Spiel Frankreichs gegen die Schweiz. Amüsiert bis befremdet sehen Yohan Cabaye und Mathieu Valbuena den Mann auf sich zukommen,...
...der ihnen - so darf man anhand seiner Kriegsbemalung spekulieren - für den Fortgang des Spiels alles Gute wünscht.
Ordner der WM-Arena in Salvador da Bahia bereiten der Clownerie schließlich ein Ende...
...und bringen den Frankreich-Fan mit einem gekonnten Wrestling-Manöver zu Boden. Unklar ist übrigens, mit welchen Strafen Flitzer für ihre Aktionen rechnen müssen. Der selbst ernannte "König der Flitzer", Jaume Marquet, sprach in einem Interview mit der "Financial Times Deutschland" einmal von Geldbußen von bis zu 60.000 Euro.
Auch beim Spiel Belgiens gegen Algerien in Belo Horizonte gab es einen Zwischenfall mit einem Flitzer - allerdings schon vor Anpfiff der Begegnung.
Dieser junge Mann wird von Ordnern nach dem Spiel Südkoreas gegen Belgien abgeführt.
Gegen Ende der Begegnung Chiles gegen Australien war dieser Fan auf den Platz gelaufen. Auch für ihn endet das Abenteuer in den Armen von Sicherheitsleuten.
Hochamüsant sind zum Teil auch die Zwischenfälle bei öffentlichen Trainingseinheiten der WM-Teams. Am Freitag unterbricht ein Teenager mit einem Platzsturm die Übungen der französischen Mannschaft in Ribeirao Preto.
In einer slapstickreifen Szene rennen sich zwei Sicherheitsleute gegenseitig über den Haufen, als sie versuchen, den Jungen einzufangen. Dieses Kunststück gelingt ihnen später dennoch - den Flitzer übergeben sie der Polizei.
Denkwürdiger Auftritt auch beim öffentlichen Training der Portugiesen. Barfuß versucht dieser weibliche Cristiano-Ronaldo-Fan, sich zu seinem Idol durchzutanken,...
...ihre Bemühungen versanden jedoch in den dicht gestaffelten Reihen der gut gelaunten Sicherheitsleute.
Überhaupt, das Training der WM-Mannschaften: Wohl auch, weil Störaktionen hier sehr viel einfacher durchzuziehen sind als bei den eigentlichen Spielen, gab es während der Vorrunde bereits eine ganze Reihe von Flitzern zu sehen. Hier wird gerade einer beim Training der Franzosen von einem Physiotherapeuten verfolgt.
Dieser Junge flieht im Vollsprint vor seinen Häschern. Schauplatz: öffentliches Training der Portugiesen am 12. Juni in Campinas.
Auch die Brasilianer wurden während ihrer Trainingseinheiten bereits von Fans beehrt - hier sind Hermanes und Willian zu sehen.
Mit einer geradezu freundschaftlich wirkenden Umarmung bringt ein Ordner einen weiteren Flitzer zu Boden - hier beim Training der Nigerianer im Stadion des Guarani FC.