Jedes dritte Wort ist englisch Die größten Deutsch-Englisch-Vermischer im Dax
"Das Upper des adidas UltraBoost Uncaged Parley besteht aus 11 Plastikflaschen, die an den Stränden der Malediven gesammelt wurden." Mit Sätzen wie diesem informiert der Sportartikelhersteller Adidas seine Leser auf der Startseite des Konzerns - und zählt damit noch nicht einmal zu den fünf aktivsten Deutsch-Englisch-Vermischern unter den Dax-Konzernen. Etwa jedes fünfte Wort auf der Startseite der "Adidas Group" ist englisch, die Quote von rund 20 Prozent reicht aber gerade mal für einen Platz unter den ersten Zehn. Zwar bietet Adidas seinen deutschsprachigen Lesern auf der Webseite statt "Informationen" lieber "Fact Snacks" an - doch das reicht längst noch nicht für einen Platz in der Spitzengruppe.
Bei den Spitzenreitern Infineon , BMW und Linde ist fast jedes dritte Wort auf der Konzern-Webseite englisch: Dies ist das Ergebnis einer Untersuchung, die das Unternehmen Wortwahl gemeinsam mit Studenten der Hochschule Darmstadt an den Startseiten der Dax-Konzerne vorgenommen hat.
"Die Startseite eines Internetauftritts ist die Visitenkarte eines Unternehmens. Deshalb haben wir diese 30 Startseiten von Ende Dezember 2016 bis Mitte Januar 2017 hinsichtlich Anglizismen und englischer Begriffe unter die Lupe genommen", sagt Murtaza Akbar, Dozent im Studiengang Onlinekommunikation an der Uni Darmstadt und Geschäftsführer von Wortwahl.
Die Unterschiede sind enorm: Während BMW mit "BMW Group" bereits ein englisches Wort in seinen Namen aufgenommen hat und auch auf der Konzern-Startseite mit Anglizismen um sich wirft, hält sich Volkswagen mit dem Gebrauch englischer Wörter auffallend zurück. Dies ist bemerkenswert, da Volkswagen erst kürzlich Englisch neben Deutsch offiziell zur Konzernsprache erklärt und sich damit auch Kritik von Sprachwächtern eingehandelt hatte. Akbar dagegen ist mit Blick auf die häufigen Anglizismen auf den deutschen Webseiten entpannt. "Die deutsche Sprache ist mächtig im Wandel. Die Online- und Social-Media-Kommunikation beeinflussen die deutsche Sprache enorm." Das kann auch mal zu einer erfrischend neuen Ansprache bei Deutschlands Konzernen führen:
BASF duzt Führungskräfte - und siezt Praktikanten
Bei vielen Unternehmen steige jedoch die Unsicherheit, wie sie ihre Kunden ansprechen sollen. Sie müssten sich auf eine Vielfalt an Sprache, Kommunikationskanäle und Zielgruppen einstellen, und dieser Spagat habe manchmal skurille Folgen.
Der Chemieriese BASF zum Beispiel duzt auf seinem Facebook-Karrierekanal jeden, selbst Bewerber für Führungspositionen würden angesprochen mit Sätzen wie: "Bewirb dich noch heute als Leiter Bauabteilung". Auf der anderen Seite "siezt BASF auf seiner Webseite schon Praktikanten. Das passt nicht zusammen", so Akbar.
Die richtige Ansprache für jeden Kommunikationskanal zu finden, sei eine große Aufgabe, ergänzt der Sprach-Dozent. "'Echte und glaubwürdige Kommunikation wird immer wichtiger, weil die Unternehmen von ihren Kunden in den verschiedenen Zielgruppen sonst ignoriert oder abgestraft werden", sagt Akbar. Wer derzeit beim Deutsch-Englisch-Mix vorn dabei ist und welche Wortschöpfungen dabei herauskommen, zeigt folgender Überblick.
Infineon und BMW: Be smart. Und sei bereit für "Iconic Impulses".

Die BMW Group, die bereits ein englisches Wort im Namen trägt, hatte im Untersuchungszeitraum 251 Wörter auf ihrer deutschen Konzern-Startseite. Darunter fanden sich 76 Anglizismen oder englische Wörter, also rund 30 Prozent. Darunter fand sich auch ein Hinweis auf ein Highlight der "Iconic Impulses. BMW Group Experience" in London. Unabhängig von der Aussagekraft dieses Satzes reichte die Quote von rund 30 Prozent für Platz zwei im Anglizismen-Ranking der Dax-Konzerne: Fast jedes dritte Wort, das BMW auf seiner Webseite benutzt, ist englisch. Doch es geht noch smarter.

Platz 1 im Ranking eroberte Infineon mit einer Quote von knapp 32 Prozent: Von 245 Wörtern insgesamt auf Infineons deutscher Konzern-Startseite waren 78 Anglizismen und englische Wörter zu finden.
Der Chiphersteller aus München richtet sich explizit an ein internationales Publikum , entweder mit englischen Slogans: "Be smart. Prototype online" oder auch gern mit einem wilden Mix aus deutscher und englischer Sprache wie zum Beispiel Infineon Designer: Infineons neue Digital Prototyping Software ist verfügbar! "Das kann mitunter zu äußerst seltsamen Formulierungen führen", sagt Untersuchungs-Leiter Akbar.
Linde und Deutsche Bank: "Erster Made for Good Startup-Markt"

Auf Platz 3 im Denglisch-Ranking folgt die Linde Group, bei der zu Jahresbeginn 281 Wörter auf der deutschen Konzern-Startseite gezählt wurden. 84 Wörter davon waren englische Wörter oder Anglizismen, das ergibt eine Quote von knapp 30 Prozent. Der Satz "Erfahren Sie mehr über unser Clean Technology Portfolio" ist ein Beispiel für die beherzte Vermischung deutscher und englischer Wörter in einer Aussage - der Satz "Erfahren Sie mehr über unsere umweltfreundlichen Technologien" hat den Machern der Webseite offenbar nicht ausgereicht. Vorne dabei bei der beherzten Vermischung deutscher und englischer Wörter innerhalb eines Satzes ist auch die viertplatzierte Deutsche Bank:

Die Deutsche Bank kommt auf eine Anglizismen-Quote von knapp 27 Prozent und damit auf Platz 4: Von den 471 Wörtern auf der Deutsche-Bank-Startseite waren im Untersuchungszeitraum der Darmstädter Studenten 126 Wörter englisch.
Die Wörter "Group", "Relations" und "Corporate" kommen bei der Deutschen Bank sehr häufig vor, und auch ein kühner Deutsch-Englisch-Mix ist Deutschlands größtem Geldhaus nicht fremd. Dass ein CEO von Twenty Billion Neurons viel über Künstliche Intelligenz zu sagen hat, geht schon klar. Und das Institut verweist auch auf den "Ersten Made for Good Startup-Markt in der Deutschen Bank." Wenn das mal nicht neugierig macht.
Munich Re und Lufthansa: Disruption, Baby. Und Gender Diversity

Vom Rückversicherer Munich Re (formerly known as Münchener Rück) durfte man erwarten, dass er mit einer Denglisch-Quote von rund 25 Prozent einen Platz unter den Top 5 erobert. 189 der 749 Wörter auf der Konzern-Startseite der Munich Re waren englisch oder Anglizismen. Klar, dass dann auch deutsche "Themen" zu englischen "Topics" aufgebrezelt werden. Auffällig bei den Münchenern ist, dass sie es bei der Vermischung deutscher und englischer Begriffe oftmals mit der Grammatik nicht so genau nehmen: "Munich Re´s Digital Partners unterstützt InsurTechs, die disruptive Versicherungsprodukte entwickeln", hieß es zum Beispiel auf der Webseite. Wenn das mal kein disruptiver Sprachgebrauch ist.

Eine Anglizismus-Quote von knapp 24 Prozent weist die Lufthansa-Group auf ihrer Konzern-Startseite auf. Etwa jedes vierte Wort in der Ansprache an die Leser der Webseite ist englisch.
Die Webseite der Lufthansa ist damit deutlich knapper gehalten als die Seite der Munich Re, doch von 239 Wörtern bei der Lufthansa waren 56 Anglizismen oder englische Wörter, so dass die Quote vergleichbar ist. Der Konzern geht wie selbstverständlich davon aus, dass jeder Leser der Lufthansa-Seite mit dem Begriff Aviation (Luftfahrt) etwas anfangen kann. Lufthansa verspricht seinen aktuellen und zukünftigen Beschäftigten aber auch "Gender Diversity und Frauenförderung als Teil des Diversity-Ansatzes der Lufthansa Group." Und sichert sich damit Platz 6.
Continental und HeidelCement: Achtung, Unfälle durch Road Departure

Platz 7 im Denglisch Ranking sichert sich der Autozulieferer Continental aus Hannover - obwohl dort angeblich das reinste Hochdeutsch gesprochen wird. Von 270 Wörtern auf der Konzern-Startseite waren 63 Wörter englische Wörter oder Anglizismen, wie die Untersuchung der Studenten aus Darmstadt ergab. Das ist eine Quote von 23 Prozent.
Dabei bemüht sich Conti immerhin um eine klare Trennung zwischen englischen Begriffen und ihrer deutschen Erklärung: "Road Departure Protection: Systeme von Continental vermeiden Unfälle durch Abkommen von der Fahrbahn" heißt es dort. Dass ein Abkommen von der Fahrbahn eher ein Grund für einen Unfall ist und keineswegs ein Mittel, um einen Unfall zu vermeiden, steht auf einem anderen Blatt.

Die HeidelbergCement Group folgt mit einer Quote von knapp 22 Prozent auf Platz 8. Von 375 Wörtern auf der Konzern-Startseite waren im Untersuchungs-Zeitraum 82 Anglizismen oder englische Wörter zu finden. Das liegt auch an englischen Begriffen wie "Rating", die auch in der deutschen Wirtschaftspresse (und auch bei manager magazin) inzwischen unverändert übernommen werden: Die Ratingagentur S&P Global Ratings hat HeidelbergCement das Unternehmensrating BBB-/A-3 erteilt.
Adidas und SAP: Viel Spaß mit dem UltraBOOST
Auf

Auf Platz 9 folgt der Sportartikelhersteller Adidas aus Herzogenaurach mit einer Quote von rund 21 Prozent. Etwa jedes fünfte Wort auf der Konzern-Webseite ist englisch, im Untersuchungszeitraum waren es 228 von 1075 Wörtern. Auch der bereits erwähnte Satz "Das Upper des adidas Ultraboost Uncaged Parley besteht aus 11 Plastikflaschen, die an den Stränden der Malediven gesammelt wurden" stammt von der Konzern-Startseite und fordert den Leser heraus: Dass mit "Ultraboost Uncaged Parley" möglicherweise ein Laufschuh gemeint ist (Ultra eben), darauf kann man sich noch einigen.
Doch was zum Teufel ist "Das Upper?" Hier hilft ein Blick ins englische Wörterbuch, man muss sich nur von der Vorsilbe "Das" trennen: "Upper" bezeichnet das Obermaterial eines Schuhs. Also man läuft irgendwie schneller und verhilft den Malediven obendrein noch zu sauberen Stränden. Das ist doch irgendwie ein hervorragendes Ergebnis.

Die 10 Dax-Konzerne mit den höchsten Englisch-Quoten komplettiert der Software-Konzern SAP. Die Walldorfer kommen auf eine Quote von 21 Prozent, das entspricht 75 von 357 Wörtern auf der Konzern-Startseite von SAP. Sätze wie Jetzt Analyse starten! Zum IDC Benchmark Assessment kommen im Vergleich zum Adidas-Sprachzauber aber eher unspektakulär daher. Und auch die Verwendung von Live Business - geschenkt.
Volkswagen-Webseite: Deutscher als du denkst
Volkswagen-Webseite: Deutscher als du denkst
Die beiden Dax-Konzerne, die mit den wenigsten englischen Wörtern auf ihren Konzern-Webseiten auskommen, heißen Volkswagen und ThyssenKrupp. Beide kommen in der Untersuchung auf 6,6 bzw. 7 Prozent, das entspricht also nur jedem 14. Wort. Volkswagen hatte erst vor wenigen Wochen heftige Kritik von der Stiftung für Deutsche Sprache einstecken müssen, weil der Konzern aus Wolfsburg Englisch neben Deutsch zur zweiten Konzernsprache erklärt hatte. Mit der Quote von 6,6 Prozent kann Volkswagen diese Kritiker aber wieder versöhnen.
Auch das Unternehmen Wortwahl fürchtet trotz der zahlreichen Deutsch-Englischen-Stilblüten auf den Konzern-Webseiten nicht um die Zukunft der Deutschen Sprache. "Es gibt einen wunderbar vielfältigen Wortschatz, der von allen Generationen bereichert wird", so die Autoren der Studie. Das Thema Anglizismen könne ein Anlass für angeregte Unterhaltungen sein, auch in Unternehmen - und am besten generationsübergreifend.
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