Börse im Höhenflug Darum ist die Trump-Rally womöglich gar keine Trump-Rally

Händler an der US-Börse: Was treibt die Aktienkurse wirklich?
Foto: SPENCER PLATT/ AFP
US-Aktienkurse auf Rekordniveau, der deutsche Leitindex Dax auf dem höchsten Level seit zwei Jahren, oberhalb von 12.000 Punkten - und das alles nur, weil Donald Trump die US-Wahl gewonnen hat?
Sicher, der aktuelle Aufschwung am Aktienmarkt erhielt Anfang November 2016, als klar war, dass der New Yorker Immobilienmilliardär ins Weiße Haus einziehen würde, enormen Schub. Investoren erkannten plötzlich, welche Chancen sich mit Trumps Versprechungen von niedrigeren Steuern, riesigen Investitionen in die Infrastruktur sowie Deregulierungen vor allem für US-Firmen auftun. Doch die gegenwärtige Börsenhausse allein auf diese Grundlage zu reduzieren - das wäre verfehlt.
Tatsache ist vielmehr: Nicht nur die Aussichten auf eine Verbesserung der Bedingungen für US-Unternehmen beflügeln zurzeit die Aktienkurse. Es ist vielmehr auch die gute Verfassung, in der sich die Wirtschaft sowie die Unternehmen aktuell bereits befinden - und das nicht nur in den USA, sondern beinahe überall auf der Welt. Der britische "Economist" findet den globalen Wirtschaftsaufschwung derzeit so überraschend, dass er ihm die Titelgeschichte seiner jüngsten Ausgabe gewidmet hat ("On the up").
Wie sehr es auch in Deutschland gegenwärtig aufwärts geht, zeigt ein Blick in die Geschäftsberichte, die hiesige Großkonzerne in diesen Tagen veröffentlichen, und zwar mit besonderem Augenmerk auf jener Kennzahl, die seit eh und je am ehesten dazu angetan ist, die Augen der Börsianer zum Leuchten zu bringen: die Gewinnentwicklung.
Wie die Unternehmensberatung EY (ehemals Ernst & Young) festgestellt hat, konnten mehr als zwei Drittel aller 30 Konzerne aus dem Dax ihren Gewinn im vergangenen Jahr steigern. Insgesamt erhöhten die Dax-Firmen ihren Gewinn 2016 auf zusammen 114,2 Milliarden Euro. Das ist ein historischer Rekordwert, die Marke des Vorjahres wurde damit um 25 Prozent übertroffen, jene des bisherigen Bestjahres 2014 um 4,5 Prozent. Ihre Gewinnmarge, so EY, schraubten Deutschlands Topfirmen auf 9 Prozent ebenfalls noch einmal deutlich hoch.
Daimler, BMW und nach der Abgasaffäre auch wieder Volkswagen - die Gewinnmaschinen der deutschen Wirtschaft befinden sich zum Beispiel in deren Vorzeigebranche, dem Automobilbau. Alle drei Hersteller strichen 2016 einmal mehr milliardenschwere Profite ein. Ebenfalls unter den Großverdienern im Dax befinden sich zudem: der Versicherungskonzern Allianz, die Deutsche Telekom sowie Siemens, Bayer und BASF. Selbst die krisengeschüttelte Deutsche Bank, die 2015 noch einen Milliardenverlust verzeichnete, ist eine positive Bemerkung wert: Das Minus schrumpfte so stark, dass das Geldhaus das Ranking der Gewinnentwicklung mit einem Plus von fast 90 Prozent anführt.
Allerdings ist der Blick in den Rückspiegel an der Börse nicht wirklich ausschlaggebend. Es interessiert vor allem, wie sich die Gewinne in Zukunft entwickeln werden. Zwar scheinen verschiedene Einflüsse Grund zur Sorge zu geben, von Trumps protektionistischen Drohungen gegen nicht-amerikanische Unternehmen bis hin zum Aufkommen der Anti-Euro-Kräfte in vielen europäischen Ländern.
Warum die US-Börse auch ohne Trump haussiert

EY-Geschäftsführer Mathieu Meyer ist jedoch optimistisch: "Bis auf die Banken- und Energiebranche, die immer noch vor erheblichen Herausforderungen stehen, läuft es im operativen Geschäft bei den meisten Unternehmen rund", sagt er. "Die Umsatzentwicklung zeigt nach oben - noch wichtiger ist aber, dass die Margen wieder steigen." Das gilt unter anderem auch für die Stahlbranche, die sich vor dem Hintergrund gerade auf einen großzügigen Tarifabschluss einigen konnte.
Die Volkswirte verschiedener Organisationen und Forschungsinstitute untermauern diese Zuversicht. Sie erwarten für Deutschland nach einem Wachstum von 2 Prozent im vergangenen Jahr ein nur etwas schwächeres Plus von im Schnitt etwa 1,5 Prozent im laufenden.
Die Entwicklung in den USA schätzt zwar auch Meyer als ungewiss ein. Aktuell, so sein Urteil, dürfte jedoch gerade das US-Geschäft hiesiger Firmen vom gesunkenen Euro-Kurs sogar noch profitieren.
Und nicht nur das: Nicht allein hierzulande befinden sich Wirtschaft und Unternehmen in gutem Zustand - das gilt noch mehr für die USA. Dort wird US-Präsident Donald Trump nicht müde, seinen Landsleuten eine wieder stärkere Nation zu versprechen ("Make America great again"). Doch viele Konjunkturdaten deuten daraufhin, dass dies zumindest wirtschaftlich überhaupt nicht erforderlich ist: Die USA befinden sich vielmehr in einem Zustand wirtschaftlicher Stärke wie lange nicht.
Konkret heißt das zum Beispiel: Die Industrieproduktion brummt, die Baubranche hat ordentlich zu tun und die US-Bürger sind in ihrer Eigenschaft als Käufer und Konsumenten bester Stimmung. Letzteres dürfte auch daran liegen, dass sich die Arbeitslosigkeit, einer der wichtigsten Konjunkturindikatoren, in den USA inzwischen auf einem sehr niedrigen Niveau von deutlich weniger als 5 Prozent befindet. Sprich: Viele der Jobs, die Trump seinen Wählern versprochen hat, gibt es längst.
Nicht zuletzt deshalb konnte schließlich die US-Notenbank Fed zuletzt bereits zum dritten Mal im aktuellen Zyklus ihren Leitzins erhöhen. Auch das darf als ein starkes Signal verstanden werden für die robuste Verfassung der US-Wirtschaft. Schließlich haben die obersten Geldwächter der Vereinigten Staaten zuletzt nur sehr bedächtig an der Zinsschraube gedreht.
Und die US-Börse? Auch dort macht sich die positive Entwicklung der Realwirtschaft bemerkbar, und zwar wiederum an aus Anlegersicht entscheidender Stelle: bei den Unternehmensgewinnen. So werden für das Gros der US-Firmen in diesem und im kommenden Jahr ebenfalls steigende Gewinne erwartet. Und das, obwohl Präsident Trump bislang noch kaum konkret gesagt hat, welche Segnungen er den Konzernen zukommen lassen will.