Müllers Memo Auf dem Weg zum Währungskrieg

Wenn Notenbanker zu kriegerischer Sprache greifen, muss die Lage ziemlich ernst sein. "An beiden Fronten haben wir aggressiv gehandelt", ließ EZB-Chef Mario Draghi dieser Tage in Washington wissen. Gemeint waren die Senkung der Zinsen gegen Null und die übrigen Versuche der Zentralbank, die Banken wieder zur Kreditvergabe zu bewegen.
Was Draghi nicht erwähnte, war die dritte Front, die inzwischen eröffnet ist: der Wechselkurs.
Seit Monaten verliert der Euro an Wert gegenüber anderen Währungen. Eine konfliktträchtige Entwicklung: Was europäischen Exporteuren helfen mag, kann anderswo als unfairer Wettbewerbsvorteil gesehen werden. Eine Euro-Zone, die versucht, ihre inneren Probleme auf andere abzuwälzen, findet sich leicht im Szenario eines Währungskriegs wieder - mit herben Folgen, gerade für die ausfuhrfixierte deutsche Wirtschaft.
Es waren Äußerungen Draghis bei einer Pressekonferenz in Brüssel Anfang Mai, die den Euro auf Talfahrt schickten. Damals ließ er durchblicken, dass er die Gemeinschaftwährung für überwertet hielt. Der Wechselkurs sei "eine ernste Sorge", derer man sich annehmen müsse. Die Botschaft: Bei ohnehin sehr niedrigen Inflationsraten darf nicht auch noch der Euro stark sein. Sonst verschlimmert sich die Lage noch weiter.
Euro auf Talfahrt gegenüber US-Dollar und chinesischem Yuan
Die Devisenhändler reagierten prompt - und verkauften. Seither hat der Euro gegenüber dem Dollar 8 Prozent an Wert verloren, gegenüber dem chinesischen Yuan sogar mehr als 10 Prozent
Auch gegenüber der indischen Rupie, dem britischen Pfund, dem thailändischen Baht oder dem südafrikanischen Rand wird der Euro schwächer. Im Durchschnitt aller wichtigen Währungen hat er bislang rund 6 Prozent verloren.
Man kann es auch so sehen: Die Euro-Zone versucht sich durch einen Exportboom, aus der Dauermalaise zu befreien. Vor allem Deutschland und die Niederlande fahren massive außenwirtschaftliche Überschüsse. Auch durch die Krise gebeutelte Länder wie Spanien und Griechenland zählen inzwischen zu den Überschussvolkswirtschaften. Als Ganze verzeichnet die Euro-Zone inzwischen einen positiven Leistungsbilanzsaldo von gut 2 Prozent des BIP.
Die Euro-Zone ist zu groß, um ihre Probleme einfach durch Export zu lösen
Eine Strategie, die für kleinere Volkswirtschaften in Zeiten eines globalen Aufschwungs funktionieren mag. So war es Ende der 90er Jahre, als die von der Asienkrise betroffenen Länder gen Westen exportierten, was das Zeug hielt. Mitte der 2000er Jahre war es dann das malade Deutschland, das sein Heil im Vorsprung durch Ausfuhr suchte.
Aber es gibt zwei große Unterschiede gegenüber der heutigen Konstellation: Erstens ist die Euro-Zone, immerhin der zweitwichtigste Wirtschaftsraum der Welt, schlicht zu groß, als dass sie ihre Probleme so einfach wegexportieren könnte. Zweitens boomte damals die Weltwirtschaft insgesamt, heute hingegen lahmt das globale Wachstum. Vielerorts stehen Jobs auf dem Spiel.
China kämpft mit einer Kredit- und Immobilienblase und kann sich in Zeiten innenpolitischer Verunsicherung (siehe Hongkong-Proteste) einen Anstieg der Arbeitslosigkeit in der Industrie partout nicht leisten. Japan versucht selbst, mittels superexpansiven Geldpolitik und Abwertung des Yen seine Wirtschaft anzukurbeln.
Wo alle gleichzeitig beschäftigungsfreundliche Wechselkurse wollen, ist der Boden bereitet für währungspolitische Konflikte. Länder, die sich unfair behandelt fühlen, drohen gern auch mal mit Handelssanktionen - so wie über viele Jahre die USA gegenüber China. Vom Währungskrieg zum Handelskrieg ist es ein logischer Schritt.
Noch können die USA mit dem stärkeren Dollar ganz gut leben - noch
Noch kann Amerika mit dem stärkeren Dollar ganz gut leben. Die USA sind die einzige große Volkswirtschaft, die derzeit Ansätze von Dynamik zeigt. Entsprechend rechnen die Finanzmärkte mit steigenden Leitzinsen. Eine Aufwertung hülfe zusätzlich, die Inflationsraten niedrig zu halten. Aber das kann sich schnell ändern.
Nur scheinbar steht die US-Wirtschaft solide da. Immernoch steigt die Verschuldung der USA im Ausland - das Leistungsbilanzdefizit liegt bei 2,5 Prozent des BIP, obwohl die USA in den vergangenen Jahren zum Energieselbstversorger geworden sind.
Billige Energie dank Fracking von Öl- und Gasvorkommen hat die ersehnte Reindustrialisierung in Gang gesetzt. Ein immer stärkerer Dollar jedoch würde die jüngsten Exporterfolge zunichte machen.
Reichlich Stoff für handfeste Handelskonflikte. Nur diesmal wird nicht China als Hauptschuldiger am Pranger stehen, sondern Deutschland: das Land mit dem größten außenwirtschaftlichen Überschuss weltweit, der durch einen schwachen Euro noch steigen dürfte. Schon länger machen die USA Druck, die Bundesregierung möge etwas tun, um die Überschüsse zu reduzieren. Ohne Erfolg.
Dass nun auch noch die Euro-Zone insgesamt dem deutschen Vorbild folgt, wird in Washington auf wenig Verständnis stoßen.
Die wichtigsten Wirtschaftstermine der Woche
MONTAG
LUXEMBURG - In Zeiten des abnehmenden Lichts - Treffen der Finanzminister der Eurogruppe
STOCKHOLM - Höhere Weisheit - Bekanntgabe des Nobelpreises für Wirtschaftswissenschaften
NEW YORK - Höherer Werte? - Erstmals soll die Aktie des fusionierten FiatChrysler-Konzerns in an der Börse notiert werden.
DIENSTAG
LUXEMBURG - OMT vor Gericht - Der Europäische Gerichtshof (EuGH) verhandelt darüber, ob die von der EZB in Aussicht gestellten unbegrenzten Ankäufe von Staatsanleihen rechtens sind.
New York, London, Chicago, San Francisco - Berichtssaison I - Quartalszahlen von SAB Miller, Intel, Johnson & Johnson, JPMorgan Chase, Citigroup, Wells Fargo
Brüssel - Neue Zahlen - Industrieproduktion Euro-Zone im August
MITTWOCH
BERLIN - Seit' an Seit' - Frankreichs Außenminister Fabius nimmt an der Sitzung des Bundeskabinetts Teil. Themen gibt es reichtlich.
Paris, New York, San José etc. Berichtssaison II - Quartalszahlen von Danone, American Express, Rio Tinto, eBay, Bank of America
WASHINGTON - US-Konjunktur - Die Fed veröffentlicht ihren Standardbericht ("Beige Book")
DONNERSTAG
MAILAND - Badman kehrt zurück - ASEM-Gipfeltreffen (Asia Europe Meeting), unter den Gästen vermutlich auch der russisch Präsident Putin.
NewYork, Armonk, Sunnyvale etc. - Berichtssaison III - Quartalszahlen von IBM, Delta Air, AMD, Google, Blackstone, Roche, Nestle, Goldman Sachs
DITZINGEN - Mittelstandsikone - Maschinenbau-Champ Trumpf bittet zur Bilanz-Pressekonferenz
In einer Reihe von Artikeln stellt Henrik Müller einige Thesen seines neuen Buchs "Wirtschaftsirrtümer" vor.