Börsen-Fehlstart von Rocket Internet und die Folgen Die Rocket Horror Picture Show

Rocket-Gründer Oliver Samwer (am Tag des Börsengangs an der Frankfurter Börse): Kursabsturz unmittelbar nach Börsengang
Foto: Boris Roessler/ dpaHamburg - Als die ersten Kurse von Rocket Internet und Zalando an der Kurstafel erschienen, standen drei Gewinner bereits fest: Oliver Samwer und seine Brüder Marc und Alexander wurden durch die Börsengänge der beiden Unternehmen um mehr als zwei Milliarden Euro reicher. Prozentual sind die Samwers in diesem Jahr sogar die größten Gewinner auf der diesjährigen Liste der 500 reichsten Deutschen. Ihr Vermögen wuchs von 850 Millionen auf 3,5 Milliarden Euro, damit gehören sie zu den 30 reichsten Deutschen.
Und die Investoren? Wer die Rocket-Aktie zum Ausgabekurs von 42,50 Euro kaufte, erlitt gleich am ersten Tag einen Vermögensverlust von 13 Prozent. Zeitweise gab die Aktie um satte 25 Prozent nach - um sich zum Wochenschluss leicht zu "erholen" und bei einem Minus von rund 17 Prozent gegenüber Ausgabekurs einzupendeln.
Die Banker, die den Börsengang begleitet und gut daran verdient hatten, verschwanden angesichts des Kursabsturzes am Premierentag sogleich hinter der Milchglasscheibe der Deutschen Börse. Anleger der ersten Stunde blieben mit ihrer Enttäuschung allein, die Häme der Kritiker war ihnen ebenso wie den Samwer-Brüdern sicher.
Die Gewinner: Die Samwers, die Banken, die Großaktionäre
Dabei war bereits vor dem Börsengang klar, dass die Bewertung der beiden Unternehmen sehr ambitioniert war. "Wenn ein Unternehmen wie Rocket Internet mit diversen Beteiligungen, die noch nicht einmal den Nachweis der Profitabilität erbracht haben, mehr wert sein soll als beispielsweise die Lufthansa, sollte es einen Investor schon nachdenklich stimmen", sagt Christian Gritzka von der Vermögensverwaltung Knapp Voith.
Mit dem Börsengang Geld verdient haben neben den Samwers bislang nur Großanleger, die schon früher in das Unternehmen investiert hatten und ihre Beteiligungen zu einem wesentlich geringeren Preis bekommen haben.
Die Leidtragenden: Die nachfolgenden IPO-Kandidaten
Zahlen werden dagegen unter anderem Unternehmen, die ihrerseits an die Börse wollen - und die nun das Problem haben, dass Rocket und Zalando ihnen zuvorgekommen ist. Denn das Klima für Börsengänge hat sich unter anderem durch den Rocket-Rohrkrepierer deutlich verschlechtert.
Rocket Internet konnte noch im vergleichsweise samtweichen Kielwasser des Rekord-IPO von Alibaba segeln: Zwar ist Rocket nicht mit Alibaba vergleichbar, doch die Begeisterung für Tech-Werte, die Alibaba mit seinem Rekord-Börsengang ausgelöst hat, kam Rocket durchaus zupass.
"Gefahr, dass der deutsche IPO-Markt wieder einmal austrocknet"
Nun ist das Fahrwasser für Unternehmen, die Kurs auf eine Aktienerstnotiz nehmen, deutlich unruhiger. "Für künftige IPOs wird es mit Sicherheit deutlich schwieriger so hohe Preise für die Aktien durchzusetzen, wie es Zalando und Rocket Internet geschafft haben", sagt Uwe Eilers von Geneon Vermögensmanagement. Hätte Rocket nicht am oberen Ende der Preisspanne angesetzt, das Enttäuschungspotenzial für Anleger wäre geringer gewesen.
Immerhin ein gutes Viertel der im Rahmen einer Blitzumfrage von manager magazin online befragten deutschen Vermögensverwalter ist ähnlich skeptisch. Allerdings räumen auch die Skeptiker ein, dass man Rocket & Co. Zeit geben müsse, so schnell nach dem IPO noch nicht von einem Scheitern sprechen könne. Dauert die Kursmisere indes an, sei die Gefahr groß, dass "der deutsche IPO-Markt wieder einmal für lange Zeit komplett austrocknet," sagt Gritzka.
Schlechte Aussichten also zum Beispiel für Scout 24. Die einstige Tochter der Deutschen Telekom, die inzwischen im Besitz des US-Finanzinvestors Hellman & Friedman ist, sollte schon bald an die Börse gebracht werden. Doch angeblich wurden die entsprechenden Vorbereitungen abgebrochen, heißt es in Branchenkreisen - wegen des verschlechterten Umfelds.
Comeback á la Facebook?
Mittelfristig könnte der Blick auf Facebook den enttäuschten Zeichnern von Rocket Internet und Zalando Hoffnung machen. Denn auch Facebook brauchte seine Zeit. In den Monaten nach seinem Börsengang im Mai 2012 rutschte der Kurs des Unternehmens um mehr als ein Drittel ab, während Gründer Marc Zuckerberg sich über einen Milliardenzuwachs seines Vermögens freuen konnte. Heute notiert die Aktie mehr als doppelt so hoch wie zum Ausgabezeitpunkt.
Dass die Gebrüder Samwer ihre Schöpfung nur zu gern in die Nähe von Facebook, Alibaba oder Amazon gerückt wissen sehen, lässt sich anhand ihres bislang breitbrüstigen Auftretens denken. Noch erscheint die Parallele utopisch, vor allem angesichts des sich verschlechternden Börsenklimas. Trotzdem bleibt Rocket Internet der vermutlich größte Internet-Inkubator Deutschlands. Wenn dessen Ideen aufgehen und sich auch wirtschaftlich nutzen lassen, kann das auch für Investoren lukrativ sein.
Die Kehrseite verzeichen die Prospekte des Börsennovizen. Rockets junge Unternehmen "machen derzeit bedeutende Verluste und verfügen über einen negativen operativen Kapitalfluss", heißt es im Börsenprospekt. Sie erfordern hohen Kapitaleinsatz und werden möglicherweise nie gewinnbringend oder zahlungsmittelgenerierend", hieß es dort außerdem. Mit anderen Worten: Rockets Firmen verbrennen derzeit noch Geld und benötigen weiteres Kapital. Union-Investment-Fondsmanager Michael Muders bringt es daher auf den Punkt: "Wenn Sie in Rocket Internet investieren wollen, müssen Sie überzeugt sein, dass die Samwers eine Idee im Markt schneller als alle anderen etablieren können."
Derzeit glaubt das offenbar kaum jemand.