Die Kunst der Rede Kurze Rede, langer Sinn

Reden heißt, die Zuhörer zu informieren und zu unterhalten - und sich kurz zu fassen. Genau daran scheitern Viele. Müssen sie aber nicht, sagt Management-Trainer Lars Sudmann.
Von Arne Gottschalck
Leeres Auditorium: Ist es voller Menschen, fühlen sich viele Redner unter Druck gesetzt

Leeres Auditorium: Ist es voller Menschen, fühlen sich viele Redner unter Druck gesetzt

Foto: Corbis

mm: Worin besteht eigentlich das Kernproblem einer klaren Rede - ich vermute mal nicht Nuscheln?

Sudmann: Das Kernproblem einer klaren Rede liegt meines Erachtens darin, sich bewusst zu machen, was man eigentlich mit der Rede erreichen möchte. Und das besonders in Bezug auf die ja meistens nur kurze Zeit, die man zur Verfügung hat. Redner im Geschäftsalltag sprechen typischerweise über ein Thema, mit dem sie sich seit Monaten, wenn nicht Jahren, beschäftigen - und etwas wegzulassen, fällt dann Vielen schwer. Das Resultat: unklare Reden und volle Folien. Der beste Weg zu einer klaren Rede ist ein klares Ziel. Ich empfehle daher, vor der Präsentation den folgenden Satz mit nicht mehr als 20 Wörtern zu vervollständigen: "Am Ende der Präsentation möchte ich, dass …".

mm: Wie schwer ist es, sich aus der Fachmannspose zu lösen, die für andere ja oft unverständlich ist? Also der mit Fachtermini überladenen Welt der Anwälte, Ärzte und so weiter?

Sudmann: Das fällt in der Tat gerade vielen Experten schwer. In meiner Arbeit mit Fach- und Führungskräften merke ich allerdings häufig, dass es eher fehlende Wahrnehmung ist. Viele merken gar nicht, dass sie nicht verstanden werden, da sie es gar nicht für möglich halten, dass jemand die Termini nicht kennt - für den Vortragenden selber sind sie ja in Fleisch und Blut übergegangen. Dann gilt es, sich immer genau zu überlegen, welches Vorwissen das Publikum mitbringt. Und sich selber überprüfen kann man beispielsweise dadurch, dass man sich mit einem Bekannten oder dem Team nach einem Vortrag zusammensetzt und eine Nachbesprechung durchführt. Oder einen Feedbackbogen austeilt mit der Frage: Waren Ausdrücke unklar? Es geht ja auch nicht darum, die Termini vollständig zu eliminieren, sondern eher darum, die Zuhörer abzuholen.

mm: Welchen Anteil an einer guten Präsentation hat die Vorbereitung, welchen Anteil die "Performance" am Tag X?

Sudmann: Das hängt natürlich von Fall zu Fall ab. Generell sehe ich allerdings besonders bei Führungskräften, dass der Vorbereitung zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird. Damit wird jedoch das Fundament eines jeden guten Vortrags gelegt. Ein Problem ist, dass viele Manager Vorbereitung mit "PowerPoint-Folien überarbeiten" gleichsetzen. Gute Vorbereitung ist aber mehr, beispielsweise auch, einmal den Vortrag zu üben. Und damit meine ich nicht nur, die Folien anzuschauen. Besonders wirksam ist auch, die Präsentation einmal laut vorzutragen, am besten im Stehen vor Kühlschrank, Hund, Partner oder wem auch immer. Dieses lebhafte Ausformulieren hilft enorm, um später einen flüssigen Vortrag zu halten. Man merkt dabei auch, wo noch Ungereimtheiten sind und kann diese überarbeiten.

Von wegen "geborener Redner"

mm: Warum gibt es eigentlich so wenig gute Präsentatoren, die mit leichter Hand das Wichtigste darstellen können?

Sudmann: Dafür gibt es sicher eine Vielfalt von Gründen. Einer ist, denke ich, in dem oft vorherrschenden Konzept des geborenen Redners zu finden. Viele denken: "Das ist halt so, entweder man kann's oder nicht", ein wenig so, wie Körpergröße etwas Gegebenes ist. Und wenn ich es nicht kann, brauche ich es auch nicht zu üben. Redefähigkeit gleicht aber meines Erachtens eher einem Muskel, den man entwickeln kann. Fast jeder kann durch fokussiertes Üben immer besser werden. Diese Chance verpassen allerdings viele, weil sie andere nicht nach Feedback fragen, nicht genug üben und für ihre Präsentation keine klaren Ziele setzen.

mm: Wenn Sie nur einen Tipp vor einer Präsentation geben dürften - welcher wäre das und warum?

Sudmann: Wenn ich den Tipp ganz am Anfang geben würde: Fangen Sie mit Papier und Bleistift (oder iPad und so weiter) an, und schreiben Sie sich zuerst Ihr Ziel und dann Ihre drei bis sieben Kernaussagen auf. Sprechen Sie diese mit Vorgesetzen, Kollegen etc. ab - und öffnen Sie erst danach PowerPoint, Keynote oder Prezi, um sich über Folien Gedanken zu machen.

mm: Früher hieß es lapidar, sprich klar und langsam - heute gibt es Konferenzen und Formate wie TED. Was schaffen die für einen Nutzen?

Sudmann: Das TED-Format besteht ja im Kern darin, sein Thema in entweder 3, 9 oder 18 Minuten zu kommunizieren. Auch Nobelpreisträger kriegen nicht mehr Zeit. Von meiner eigenen Erfahrung als Redner bei zwei TED-Konferenzen weiß ich, dass dieses Format extrem frisch und inspirierend sein kann, aber auch sehr viel Vorbereitung bedarf. Goethe soll ja einmal gesagt haben:"Ich habe keine Zeit, Dir einen kurzen Brief zu schreiben, also schreibe ich einen langen". Ein Format wie TED legt den Fokus auf den Redner, sodass er oder sie sich extrem klar darüber wird, was erreicht werden soll. Jede Sekunde muss sitzen. Solche Formate sind übrigens mit der richtigen Vorbereitung auch im Unternehmensalltag in Teams gut einsetzbar. Das Verhältnis von Redezeit zu Diskussionszeit kann umgekehrt werden, und das sorgt dafür, dass mehr Zeit für echte Interaktion vorhanden ist. Und übrigens: Auch während einer dreiminütigen Rede sollte man klar sprechen …

Mehr lesen über

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren