Schweiz "Es wird weniger Banken geben"

Nicolas Pictet: Schwer unter Druck
Foto: REUTERSmm: Herr Pictet, derzeit gibt es 320 Banken in der Schweiz. Wie viele davon werden die nächsten zehn Jahre überleben?
Pictet: Es wird in Zukunft weniger Banken in der Schweiz geben, das ist klar. Wie viele weniger, ist unmöglich zu sagen. Das weltweite Umfeld ist heute so schwierig wie seit Jahrzehnten nicht. Die Weltkonjunktur ist schwach. Unsere Einnahmen in Euro und Dollar sinken, in Franken gerechnet, während die Kosten steigen. Dazu wird die Regulierung immer strenger und komplizierter. Wenn man diese drei Faktoren zusammennimmt, muss man sagen, dass es schwieriger wird für Schweizer Banken.
mm: Werden nur die großen Privatbanken übrig bleiben?
Pictet: Die entscheidende Frage ist nicht die Größe, sondern ob eine Bank eine klare Zielgruppe hat und Mehrwert für die Kunden schafft. Wenn das nicht der Fall ist, dann hat sie vermutlich ein Problem.
mm: Die USA haben mit der Klage gegen die Bank Wegelin das 271 Jahre alte Traditionshaus ausradiert. Dabei hatte es nicht einmal eine US-Niederlassung.
Pictet: Amerika hat unglaubliche Macht, weil jede Bank in der Welt darauf angewiesen ist, Geschäfte in Dollar tätigen zu können. Unsere Regierung verhandelt intensiv mit den USA über eine Gesamtlösung. Ein Teil davon ist ein Schlussstrich unter die Vergangenheit. Ich erwarte dieses Abkommen in den nächsten Monaten.
mm: Wie beurteilen Sie das mit Berlin ausgehandelte Steuerabkommen?
Pictet: Das Abkommen liegt in jedermanns Interesse, es ist ausgewogen. Für Deutschland stellt es sicher, dass es künftig volle Steuerkonformität geben wird. Die Schweizer Banken haben hier ein großes Zugeständnis gemacht, sie sammeln Steuern für ein ausländisches Parlament. Wir wiederum bekommen leichteren Zugang zum deutschen Markt und eine abschließende Regelung der Vergangenheit für unsere Kunden und für die Banken.
mm: Was geschieht, wenn die SPD das Abkommen im Bundesrat scheitern lässt?
Pictet: Das ist Sache der Politik. Soweit ich davon Kenntnis habe: Die Eckpunkte werden nicht nachverhandelt.
mm: Steuerfrei Geld in der Schweiz zu verstecken ist bald unmöglich. Welchen Vorteil haben die Banken dort dann überhaupt noch zu bieten?
Pictet: Fachwissen. Diese Expertise, Geld flexibel und global zu verwalten, ist extrem rar. Genau das können wir bieten. Der Zufluss an versteuertem Neugeld ist daher hoch.
mm: Weil Reiche aus Krisenwährungen wie dem Euro in die Schweiz fliehen?
Pictet: Die Krise kann eine Rolle spielen, Vermögende sehen die Schweiz als stabil und sicher an. Aber entscheidend sind immer noch das Know-how und einwandfreie Dienstleistungen von höchster Qualität.