
Gehälter gegen Dividende Anleger und Manager ringen um Millionen
Hamburg - Diese Zahlen haben es in sich. Denn sie werfen ein neues Licht auf den Vergleich zwischen Deutschlands erster Börsenliga, den Dax-Firmen also, und den Unternehmen aus der zweiten Reihe. Vor allem aber liefern die Daten neuen Zündstoff für die Debatte um die Millionengehälter für Deutschlands Topmanager.
Ausgangspunkt ist die Frage, wo ein Investment für Anleger lohnender erscheint, bei den Großkonzernen oder bei den mittleren und kleinen Unternehmen. Sie alle waren 2011 überaus erfolgreich. Die Dax-Firmen beispielsweise meldeten reihenweise Rekorde. Im Schnitt erhöhten sie ihre Umsätze nach Berechnung der Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young um 9 Prozent, mit den Gewinnen ging es um 8 Prozent nach oben.
Noch besser lief es in der zweiten Reihe: Einer Untersuchung der Agentur Ergo-Kommunikation zufolge verzeichneten die Firmen des MDax und des SDax im vergangenen Jahr sowohl beim Umsatz als auch beim Nachsteuerergebnis ein Plus von jeweils 12 Prozent.
Der leichte Vorteil spiegelte sich auch in den Kursen wieder. Zwar lief es an der Börse im vergangenen Jahr wegen der Euro-Schuldenkrise insgesamt nicht gut. Unterm Strich performte jedoch die zweite Liga geringfügig besser als die erste. Der Dax etwa gab über das Jahr betrachtet mehr als 15 Prozent ab, beim MDax waren es etwas geringere 12,3 Prozent.
Dividenden: Kleinere Firmen stechen Dax-Konzerne aus
Dieser hauchdünne Vorsprung wäre kaum der Rede wert, gäbe es nicht die zweite Quelle, aus der Aktionäre ihre Rendite beziehen: die Dividendenzahlungen. Da nämlich stechen die kleineren Firmen die Big Player offenbar wesentlich deutlicher aus.
Darauf lässt das Ergebnis der Ergo-Studie schließen. Demnach haben die Firmen aus dem MDax und dem SDax ihre Gewinnausschüttungen für das Jahr 2011 gegenüber dem Vorjahr um durchschnittlich 26 Prozent gesteigert. Sie lassen ihre Aktionäre also überproportional am Geschäftserfolg teilhaben.
Gutes Beispiel ist der Anlagenbauer Gea, auf dessen Hauptversammlung nach einem Gewinnsprung im vergangenen Jahr diese Woche die Erhöhung der Dividende von 40 Cent je Aktie auf 55 Cent beschlossen wurde. Ein Plus von 15 Cent also, beziehungsweise 37,5 Prozent. Auch der Reifenhersteller Continental will nach drei Jahren wieder Gewinnanteile an die Anleger ausschütten. Geplant sind 1,50 Euro je Anteilsschein. Bei der Modekette Gerry Weber schließlich steht die Entscheidung über die Dividende auf der HV Anfang Juni an. Vorgesehen ist auch dort eine Steigerung um gut 18 Prozent.
Auf der anderen Seite die Dax-Konzerne: Die hoben ihre Dividendenzahlungen laut Ernst & Young im Schnitt lediglich um 6 Prozent an. Ein Plus, das unter dem Gewinnzuwachs liegt.
Für Anleger sind das bedeutende Kennzahlen. Schließlich trägt die Gewinnausschüttung erheblich zum Erfolg eines Aktieninvestments bei. Nach Berechnungen von Kenneth R. French beispielsweise, Finanzprofessor an der Tuck School of Business im amerikanischen Hanover (New Hampshire), kamen Aktien des S&P-500-Index ohne Dividende langfristig auf eine jährliche Rendite von 5,35 Prozent. Inklusive der Gewinnausschüttungen waren es 9,67 Prozent.
Die Krux ist allerdings: Dieser enorme Anteil der Dividenden an den Aktienerträge, das zeigen Studien ebenfalls, ist den meisten Anlegern gar nicht bewusst. Zu dem Resultat kam beispielsweise jüngst eine Umfrage, die Fidelity Worldwide Investment beim Marktforschungsinstitut YouGov in Auftrag gegeben hatte. Mehr als 1000 deutsche Anleger wurden Anfang April befragt. Das Ergebnis: Über 90 Prozent von ihnen verkannten die Bedeutung eines regelmäßigen Dividendenstroms für die Wertentwicklung eines Portfolios.
Geld für die Chefs: Gehaltssprünge um mehrere Millionen Euro
Für mehr Aufmerksamkeit dürfte dagegen ein anderes Thema sorgen, und auch da lohnt der Vergleich zwischen erster und zweiter Börsenliga. Die Rede ist von den Millionengagen der Topmanager. Nicht nur deren absolute Höhe, sondern auch die mitunter gewaltigen Steigerungsraten befeuern regelmäßig eine hitzige Debatte.
Und siehe da: Auch diesen Wettstreit gewinnen die mittleren und kleineren Firmen. Um vergleichweise bescheidene 7 Prozent stiegen die Gehälter des Topmanagements in diesen Unternehmen laut Ergo-Studie im vergangenen Jahr. Im MDax lag das Plus zwar bei 9,3 Prozent, während im SDax lediglich 1,1 Prozent mehr gezahlt wurden. Im Midcap-Index verzerrt jedoch ein einzelner Ausreißer das Bild: Ohne die Aareal Bank, wo sich die Vergütung nach Auslaufen der Staatshilfe mehr als verfünffacht hat, lag der Anstieg im MDax lediglich bei 6,3 Prozent, so die Ergo-Autoren.
Die Spitzenmanager im Dax dagegen können sich trotz geringerer Zuwächse bei Umsatz und Gewinn im Schnitt über deutlich üppigere Gehaltsaufschläge freuen. So ist die durchschnittliche Vergütung eines Vorstandschefs im Leitindex nach Angaben der Unternehmensberatung Hostettler, Kramarsch und Partner (HKP) 2011 um 9 Prozent auf gut fünf Millionen Euro gestiegen. Dies ist der höchste Wert seit 2006, dem Beginn der individuellen Ausweispflicht von Vorstandsvergütungen in Deutschland, so die Experten.
Auch diese Zahlen dürften bei Anlegern auf Interesse stoßen. Zum einen geben sie Aufschluss darüber, wie die Unternehmen, in die investiert wurde, mit ihrem Geld umgehen. Zum anderen müssen auch viele Aktionäre im Job Jahr für Jahr um Gehaltsaufschläge ringen. Im öffentlichen Dienst zum Beispiel waren kürzlich größte Mühen nötig, um ein Gehaltsplus von 6,3 Prozent zu erreichen - verteilt auf zwei Jahre. Mit Verweis auf ein wackliges Umfeld verordnen manche Firmen ihren Mitarbeitern sogar schon wieder Nullrunden.
Gehaltssprünge um mehrere Millionen Euro
Gehaltssprünge um mehrere Millionen Euro sowie Rekordgagen können da schon für Irritierung sorgen. Beispiel Volkswagen: Im erfolgreichsten Jahr der Unternehmensgeschichte verdoppelte Europas größter Autokonzern den Verdienst seiner achtköpfigen Vorstandsriege auf 70,6 Millionen Euro. Zudem ist Konzernchef Martin Winterkorn absoluter Topverdiener im Dax. Seine Jahresgage stieg um etwa 88 Prozent auf über 17 Millionen Euro.
Zum Vergleich: Die Dividende für die im Dax notierten Vorzugsaktien der Wolfsburger legte die Hauptversammlung vorige Woche auf 3,06 Euro fest. Gegenüber dem Vorjahreswert von 2,26 Euro ist das ein Plus von 35,4 Prozent.
Konzernchef Winterkorn ist der Geldregen wohl selbst ein wenig peinlich. Wie sonst wäre es zu erklären, dass er dem Volk, das seine Autos kaufen soll, via "Bild am Sonntag" persönlich erläuterte, wie es zu seiner horrenden Gehaltssumme kam (Aufmacher am 25. März: "Der heißeste Lohnzettel Deutschlands").
Dabei ist Volkswagen längst kein Einzelfall. Auch andere Dax-Chefs kassierten für 2011 gewaltig ab. Josef Ackermann etwa kam in seinem letzten vollen Jahr an der Spitze der Deutschen Bank laut HKP noch einmal auf weit überdurchschnittliche 9,4 Millionen Euro, bei Siemens-Lenker Peter Löscher waren es 8,7 Millionen Euro und bei Daimler-Boss Dieter Zetsche 8,65 Millionen.
Auch Aufsichtsräte langen kräftig zu
Damit nicht genug: Nicht nur über die Gehälter der Vorstände, sondern auch deren Altersbezüge rücken inzwischen in den Fokus. Einem Bericht des SPIEGEL zufolge versorgen die Dax-Konzerne ihre ehemaligen Topleute auch im Ruhestand überaus großzügig. Sage und schreibe 637 Millionen Euro haben die Unternehmen dafür zurückgestellt, so das Magazin. Und geht es um die größten Profiteure, fallen wiederum bekannte Namen: Zetsche, Winterkorn, Ackermann.
Immerhin, allmählich setzt offenbar auch in Managerkreisen das Nachdenken ein. Vor wenigen Tagen schrieben der ehemalige Vorstands- und jetzige Aufsichtsratschef der Commerzbank Klaus-Peter Müller sowie der frühere Daimler-Vorstand und heutige Chefaufseher der Deutschen Börse Manfred Gentz einen Brief an die obersten Aufsichtsräte der Dax-Konzerne. Müller und Gentz, beide Mitglieder der "Kommission für gute Unternehmensführung" (Corporate Governance), regen darin Obergrenzen für Vorstandsbezüge an.
Bei den Aufsichträten sind sie mit dem Anliegen an der richtigen Adresse. Schließlich sind Männer wie Ferdinand Piëch an der Spitze der Kontrollgremien von Volkswagen und MAN oder Gerhard Cromme, Chefaufseher von Siemens und ThyssenKrupp, für die Festlegung der Gehälter verantwortlich.
Allerdings ist das Thema für die Kontrolleure selbst nicht ganz ohne. Denn auch sie lassen sich für ihre Tätigkeit immer großzügiger entlohnen. Die Spitzenverdiener im Dax, so rechnete kürzlich der Vergütungsexperte Heinz Evers im "Handelsblatt" vor, bekommen heute für ihre Kontrolleurstätigkeit beinahe so viel Geld, wie ein Vorstand vor anderthalb Jahrzehnten in demselben Unternehmen.
Hinzu kommt: Die Summe macht's. Spezialisten mit mehreren Mandaten, wie Cromme oder Manfred Schneider, oberster Kontrolleur von Linde, Bayer und RWE, kommen inzwischen auf gewaltige Jahresverdienste. Den Spitzenplatz hält Ferdinand Piëch. Allein durch seinen Einsatz bei Volkswagen und MAN kommt der Autopate auf mehr als eine Million Euro Verdienst im Jahr.
Fotostrecke: Die Topverdiener aus Dax, MDax und SDax im Überblick