
Chinesischer Autohersteller BYDs großer Traum vom Aufstieg verblasst
Nein, an ehrgeizigen Zielen mangelte es dem chinesischen Autohersteller mit dem blumigen Namen Build Your Dreams (BYD) noch nie. Bis 2015, so bekräftigte BYD-Vertriebschef Henry Li noch vor wenigen Monaten, soll BYD zum Marktführer in China aufsteigen. Bis 2025, erklärte BYD-Gründer Wang Chuanfu wiederholt, wolle er sein Unternehmen zum größten Automobilhersteller der Welt machen.
Doch der Traum vom Aufstieg des Akkuherstellers zum Autoschwergewicht hat in den vergangenen Monaten ein paar kräftige Dämpfer erhalten. Im August gab BYD einen Gewinneinbruch von 90 Prozent bekannt. Zugleich musste das Vorzeigeunternehmen deutliche Absatzrückgänge hinnehmen. Etwas mehr als 220.000 Autos lieferte BYD in den ersten sechs Monaten dieses Jahres aus, etwa 23 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum.
Schuld daran sei der intensive Wettbewerb und der Wegfall von staatlichen Subventionen für Kleinwagen, begründete BYD den Einbruch. Dabei wächst der Gesamtmarkt weiterhin: In den ersten sechs Monaten dieses Jahres wurden in China um 5,8 Prozent mehr Autos verkauft als im Jahr zuvor, zeigen die Statistiken der chinesischen Autoherstellervereinigung CAAM.
Nun schaltet das Unternehmen offenbar auf Krisenmodus. Rund 70 Prozent seiner 2200 Vertriebsmitarbeiter in der Autosparte will BYD loswerden, bestätigte der chinesische Autohersteller vor einigen Wochen. Chinesische Zeitungen berichten, dass BYD zudem insgesamt 7000 von 200.000 Stellen streichen will - eine Größenordnung, die BYD dementiert. Die Einführung des lange angekündigten Elektroautos E6 hat BYD auf das nächste Jahr verschoben. Punkten will BYD nun mit einer Reihe neuer Modelle mit Hybridantrieb. Doch das könnte schwierig werden, wenn die Vertriebsmannschaft tatsächlich so stark schrumpft wie angekündigt.
Batterie-Know-how lockt westliche Investoren
Die Probleme von BYD werden auf der heutigen außerordentlichen Hauptversammlung wohl für reichlich Gesprächsstoff sorgen. Der einst so umworbene Aufsteiger ist ins Straucheln geraten und müht sich nun, wieder Tritt zu fassen. Dabei sah die Autowelt den chinesischen Hersteller bis vor wenigen Monaten auf der Siegerstraße. Im Jahr 1996 fing BYD als Hersteller für Lithium-Ionen-Akkus an, vor acht Jahren kaufte Firmenchef Chuanfu das Unternehmen Tsinchuan Automotive zu und produzierte von da an Fahrzeuge unter eigener Marke.
In nur acht Jahren schwang sich BYD zu einem Hersteller auf, der jährlich rund eine halbe Million Autos produziert - ein Wachstum, dem selbst Daimler-Chef Dieter Zetsche Respekt zollt. Doch die globale Autoelite interessiert sich weniger für BYDs herkömmliche Autos, die westlichen Maßstäben kaum gerecht werden. Es ist BYDs Standbein in der Batterieherstellung, das unter den Autoriesen für Spannung sorgt.
In den vergangenen Jahren hat sich BYD zum weltgrößten Hersteller von Lithium-Ionen-Batterien hochgearbeitet. Diese Erfahrungen will BYD für den Bau von Elektroautos nutzen, eine Kombination, die offenbar auch US-Anlegerlegende Warren Buffett unwiderstehlich findet. Denn vor drei Jahren erwarb seine Firma Berkshire Hathaway für 230 Millionen Dollar rund 10 Prozent der BYD-Anteile, die mittlerweile an den Börsen von Hongkong und Shenzhen gehandelt werden.
Auch Daimler hat BYD als Partner für seine Elektroautopläne in China auserkoren. Im Mai 2010 haben die beiden ungleichen Autohersteller ein Joint Venture gegründet, das ab 2013 Elektroautos für den chinesischen Markt produzieren soll. Von Daimler kommt das Wissen im Fahrzeugbau, BYD steuert sein Know-how bei der Batterietechnik bei.
Probleme zeichnen sich seit Monaten ab
Daimler-Chef Dieter Zetsche gibt BYD trotz der aktuellen Turbulenzen Rückendeckung. Natürlich halte Daimler an seinen Plänen fest, mit BYD ein Elektroauto zu entwickeln, sagte Zetsche vor wenigen Wochen am Rand der Automesse IAA. Dort war BYD in diesem Jahr übrigens gar nicht vertreten.
In einem Interview mit der Frankfurter Rundschau wurde Zetsche noch etwas deutlicher. BYD sei in Rekordzeit zu einem Hersteller mit einem Absatz von 500.000 Autos aufgestiegen. "Das Unternehmen leidet jetzt unter typischen Wachstumsschmerzen", konstatierte er. "So wenig wie BYD in der ersten Phase über Wasser laufen konnte - so wurde es zum Teil ja dargestellt -, so wenig sind die Manager jetzt alle Versager."
Zetsches offen zur Schau getragener Optimismus freut die BYD-Führung vermutlich. Dennoch muss sie sich den Vorwurf gefallen lassen, spät auf Warnzeichen reagiert zu haben. Denn bereits seit mehreren Monaten läuft längst nicht alles rund bei dem einstigen Vorzeigeunternehmen aus der chinesischen Freihandelszone Shenzen. Ausgerechnet im Autorekordjahr 2010 musste BYD seine Absatzprognose kassieren. Aus geplanten 800.000 Fahrzeugen wurden letztlich nur 520.000 verkaufte Autos.
Daraufhin senkte BYD den Listenpreis für seinen beliebten Kleinwagen F3 um 20 Prozent auf knapp 5500 Euro. Doch auch das konnte den Absatzrückgang nicht stoppen. Erschwerend für BYD kommt hinzu, dass der Autohersteller bisher im Billigsegment des chinesischen Marktes unterwegs ist. Da ist die Konkurrenz besonders groß, die Margen hingegen klein.
Modelloffensive mit herkömmlichen Motoren
Bei seinen bisherigen Modellen setzt BYD auf altbackene Technik und ein Design, das vielfach bei anderen Autoherstellern abgekupfert ist. Berichten zufolge wehren sich auch erste Händler gegen die massiven Preissenkungen, die sie Profite kosten - und sie klagen auch über schlechte Qualität und Kundenservice.
Nun investiert BYD kräftig in die Entwicklung herkömmlicher Fahrzeuge. Ab 2012 will BYD mit einer Palette neuer Modelle vom SUV bis zum Kleinwagen auf dem chinesischen Markt punkten. Anbieten will BYD sämtliche neuen Modelle mit Benzin- und Hybridantrieb. Doch ob dieser Zeitraum reicht, um das Ruder in dem schnelllebigen Markt herumzureißen, ist längst noch nicht ausgemacht.
Auch bei seinen so oft angekündigten reinen Elektroautos ist BYD um einige Hoffnungen ärmer. Zwar hat BYD bereits im Jahr 2009 mit dem F3DM den ersten Plug-in-Hybrid auf den Markt gebracht. Die Batterien des Kleinwagens lassen sich angeblich in wenigen Stunden an der Steckdose laden. Rund 60 Kilometer weit kommt das Fahrzeug im Akkubetrieb, bevor sich der Verbrennungsmotor zuschaltet. Doch ein Absatzrenner war der F3DM bislang nicht, obwohl es für das 18.000 Euro teure Fahrzeug großzügige staatliche Förderungen gibt. Im vergangenen Jahr hat BYD nur wenige Hundert Exemplare seines Vorzeigeautos verkaufen können.
Elektroautos sind Chinesen trotz Förderungen zu teuer
Immerhin soll BYDs lange angekündigtes Elektroauto E6 in den nächsten Wochen endlich auf den chinesischen Markt kommen, hieß es vor Kurzem auf der Branchenwebsite China Car Times. Seit 2009 kündigt BYD seinen E-Auto-Hoffnungsträger an, der auf dem Papier eine Reichweite von rund 300 Kilometern schafft und dessen Batterie in 40 Minuten voll aufgeladen sein soll.
Von dem Fahrzeug erhofft sich BYD einen Riesenmarkt. Denn in ihrem Fünfjahresplan hat die chinesische Regierung festgeschrieben, dass bis 2015 eine Million Elektroautos auf ihren Straßen rollen sollen. Jedes verkaufte Elektroauto erhält einen staatlichen Zuschuss von 6500 Euro.
Bislang sind den Chinesen Elektroautos jedoch zu teuer: Von Juni 2010 bis Juni 2011 wurden in ganz China gerade mal 800 Stromer neu zugelassen. Das mag auch an der geringen Anzahl an verfügbaren Modellen liegen. Doch selbst Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao rudert bereits langsam zurück. Erst vor Kurzem schrieb er in einer Parteizeitung, dass er sich nicht sicher sei, ob sich Elektroautos letztlich durchsetzen werden.
Für die Manager bei BYD muss die Aussage Jiabaos ein Schock gewesen sein. In seiner Forschungsabteilung beschäftigt BYD immerhin 10.000 Mitarbeiter. Zudem hat BYD in den vergangenen Jahren viel Geld in die Entwicklung von Lithium-Eisen-Phospat-Akkus gesteckt, die sicherer und billiger als herkömmliche Lithium-Ionen-Batterien sein sollen. Bei der Massenproduktion der Batterie habe man große Fortschritte erzielt, hieß es wiederholt aus dem Unternehmen. Das klingt aber eher nach mühsamem Vorarbeiten denn nach einem echten Durchbruch.
Daimler hält eisern zu seinem Kooperationspartner
Daimler ist dennoch davon überzeugt, dass die Partnerschaft mit BYD zum Erfolg führen wird. Bisher habe China seine Fünfjahrespläne immer erfüllt, sagte Daimlers Nordostasien-Chef Ulrich Walker der Zeitschrift "Technology Review". Er schätze BYD-Chef Wang Chuanfu als Visionär. Zudem unternehme die chinesische Regierung große Anstrengungen, um bei der Elektromobilität in Führung zu gehen.
Mindestens einmal pro Monat treffen sich Walker und Chuanfu, sagte Walker der Zeitschrift. Auch Daimler-Chef Zetsche komme regelmäßig nach China, um die gemeinsame Strategie zu besprechen. Etwas mehr als 70 Millionen Euro investieren beide Unternehmen in ihr gemeinsames Elektroautoprojekt, das laut Aussagen von Daimler-Managern ähnlich weit gediehen sein soll wie BMWs E-Auto i3.
Von dem gibt es aber schon erste Prototypen zu sehen, während Daimler und BYD noch nichts vorzuweisen haben. Im April soll das gemeinsame Elektroauto allerdings der Weltöffentlichkeit vorgestellt werden, bestätigte Daimler vor Kurzem. Einen möglichen Rückstand zu BMW sehen die Daimler-Leute nicht. In China gebe es "deutlich verkürzte Entwicklungszyklen", ließ Daimler unlängst die "Süddeutsche Zeitung" wissen. Soll heißen: Das chinesische E-Auto wird deutlich schneller entwickelt als ein Fahrzeug für den europäischen Markt.
Ob der deutsch-chinesische Stromer wirklich ein Verkaufserfolg wird, ist noch unsicher. Zuerst muss BYD ohnedies seine Absatzprobleme bei herkömmlichen Fahrzeugen in den Griff bekommen. An seinem Traum vom weltgrößten Autohersteller wird BYD-Gründer Chuanfu wohl länger arbeiten müssen, als bisher erhofft.