Angela Merkels Erklärung zum Lockdown
"Der Winter wird schwer. Aber er wird enden."
Mit viel Dramatik hat Bundeskanzlerin Angela Merkel den November-Lockdown im Bundestag begründet. Der wirtschaftliche Schaden einer ungebremsten Infektionswelle wäre weitaus größer - und Hoffnung gebe es bei aller Sorge auch.
Angela Merkel vor der Regierungserklärung am Donnerstag
Foto: Michael Kappeler / dpa
Mit eindringlichen Worten hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (66) in einer Regierungserklärung im Bundestag für den am Mittwoch beschlossenen "Wellenbrecher-Lockdown" geworben. In den vergangenen Wochen seien die Zahlen der Neuinfektionen mit dem Coronavirus deutlich in die Höhe geschnellt, sagte die CDU-Politikerin am Donnerstagvormittag. Auch die Zahl der Menschen, die auf Intensivstationen betreut werden, steige, viele Gesundheitsämter seien an der Belastungsgrenze. "Eine solche Dynamik wird unsere Intensivmedizin in wenigen Wochen überfordern", warnte Merkel.
Eine ungebremste zweite Corona-Welle hätte auch wirtschaftlich und sozial verheerende Folgen. Zentrale Infrastruktur des Landes drohe auszufallen - der wirtschaftliche Schaden wäre also ungleich größer als durch den Lockdown. "Wenn wir warten würden, bis die Intensivstationen voll sind, dann wäre es zu spät." Daher gelte es, auf "jeden nicht zwingend notwendigen Kontakt" zu verzichten. Darauf zielten die neuen Beschlüsse, die Schulen und Kindergärten ebenso wie einen Großteil der nicht auf enge soziale Kontakte angewiesenen Wirtschaftstätigkeit ausnehmen. Sie seien "geeignet, erforderlich und verhältnismäßig".
"Die anderen Konzepte überzeugen mich nicht"
Auf Kritik aus der Gastronomiebranche entgegnete Merkel, die vielen erarbeiteten Hygienekonzepte seien nicht sinnlos, sie würden später auch wieder gebraucht. Aber in der gegenwärtigen Infektionslage "können diese Hygienekonzepte ihre Kraft nicht mehr entfalten". Der Bundeskanzlerin zufolge sei es nicht möglich, sich nur auf besonders gefährdete Risikogruppen zu fokussieren. Potenziell könne ein schwerer Krankheitsverlauf jeden erwischen. "Deswegen überzeugen mich die anderen Konzepte nicht", ging Merkel auf die am Mittwoch vor den Beratungen veröffentlichte Lockdown-Kritik von Ärzteverbänden und einigen Virologen ein.
Als Merkel auf die Beschlüsse der Videokonferenz mit den Regierungschefs der 16 Bundesländer vom Mittwoch verwies, wurde sie durch wütende Zwischenrufen aus den Reihen der AfD unterbrochen, die Gewaltenteilung anmahnten. Abgeordnete aller Fraktionen hatten zuletzt angemahnt, die Parlamente stärker zu beteiligen. "Lüge und Desinformation, Verschwörung und Hass beschädigen nicht nur die demokratische Debatte, sondern auch den Kampf gegen das Virus", hielt Merkel dagegen. "Beschwichtigendes Wunschdenken wäre unverantwortlich." Nicht nur die demokratische Debatte sei durch Populismus in Gefahr, "davon hängen Menschenleben ab".
"Neues Kapitel" mit Antigen-Schnelltests
Den dramatischen, warnenden Tönen fügte Merkel auch einige wenige Signale der Hoffnung an. Mit der Verfügbarkeit von Antigen-Schnelltests beginne "ein neues Kapitel", um mehr Mobilität zu ermöglichen. Auch die Planung mithilfe ethischer Standards, welche Bevölkerungsgruppen im Fall eines verfügbaren Impfstoffs wann geimpft werden sollen, schreite voran.
An das Coronavirus gerichtet, zitierte die Kanzlerin die Wissenschaftsjournalistin May Thi Nguyen-Kim: "Wir werden dir zeigen, dass du dir den falschen Wirt ausgesucht hast."
"Der Winter wird schwer, vier lange, schwere Monate", fasste Merkel ihre Botschaft zusammen. "Aber er wird enden."