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Sprache in Stellenanzeigen Die Diskriminierung steckt oft im Detail

Direkt, analytisch, durchsetzungsstark: Stellenausschreibungen werden häufig für Männer formuliert. Warum Frauen sich davon nicht abschrecken lassen sollten.
Ein Gastbeitrag von Simone Burel
Stellenanzeigen können Klischees vermitteln – auch dann, wenn sie vermeintlich neutral formuliert sind

Stellenanzeigen können Klischees vermitteln – auch dann, wenn sie vermeintlich neutral formuliert sind

Foto: Mia Takahara / plainpicture

Wer eine Stelle ausschreibt, darf niemanden benachteiligen, zum Beispiel aufgrund von Alter, Behinderung oder Geschlecht – so sieht es das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG ) vor. In einer Erhebung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes  verstießen nur zwei Prozent der untersuchten Stellenausschreibungen eindeutig gegen das AGG, ein Großteil wegen Diskriminierung in Bezug auf Geschlecht. Aber: Über 20 Prozent der Ausschreibungen bargen ein Diskriminierungsrisiko.

Wie kommt das?

Oft beginnt das Problem schon im Titel. Referent, Junior Berater, Projektleiter: Viele Arbeitgebende lösen die Pflicht zur Gleichbehandlung durch die simple Angabe »m/w/d«, die Jobbeschreibung selbst steht im sogenannten generischen Maskulinum. Die männliche grammatikalische Form ist sicher nicht die Ursache für die Diskriminierung von Frauen, sie hat jedoch eine Verstärkerfunktion.

Viele Frauen und nicht binäre Personen fühlen sich dadurch nicht angesprochen, zeigte bereits 2006 eine Studie des Instituts für Angewandte Wirtschaftsforschung : 88 Prozent der Befragten fanden Frauen ungenügend berücksichtigt, wenn der Text (in dem Fall: Gesetzestext) im generischen Maskulinum abgefasst war.

Geschlechterstereotype, die unter anderem in der Psychologie und der Linguistik hinreichend belegt wurden, sind für das Denk- und Sprachverhalten gleichermaßen von Bedeutung. Sie bestimmen unsere Wortwahl mit und beeinflussen maßgeblich, welche Bilder in unseren Köpfen entstehen. Auch durch die Wortwahl in Stellenausschreibungen werden Stereotype transportiert. Und das betrifft nicht nur die Jobbeschreibungen im Titel.

Adjektive, die geforderte Eigenschaften (»analytisch«, »teamorientiert«) oder die Unternehmenskultur (»junges, modernes Arbeitsumfeld«) beschreiben, können ebenfalls Klischees vermitteln – und zwar auch dann, wenn sie vermeintlich geschlechtsneutral sind. Im Rahmen einer Studie der TU München mussten die Teilnehmenden die in Stellenanzeigen verwendeten Adjektive nach »männlich« und »weiblich« klassifizieren. Während sie beispielsweise Wörter wie analytisch, entscheidungsfreudig und durchsetzungsstark als »männlich« einordneten, hielten sie engagiert, teamfähig und zuverlässig eher für »weiblich«.

Kompetenz vs. Kommunikationsfähigkeit

Die Vorstellungen, wie Mann oder Frau zu sein haben, und welche Eigenschaften wir ihnen mit Wörtern zuschreiben, beruht auf jahrhundertealten Schemata, die sich gesellschaftlich herausgebildet haben. (Fach-)Kompetenz wird als Teil des männlichen Stereotyps angesehen. Kommunikationsfähigkeit zählt dagegen als typisch weibliche Eigenschaft. Häufig entsprechen Eigenschaften, die typischerweise Männern zugeschrieben werden, den sogenannten Hard Skills, typisch Weibliches dagegen den sogenannten Soft Skills.

Die Psycholinguistik spricht in diesem Zusammenhang auch von agentischen und kommunalen Wörtern. Und diese Wörter beeinflussen Verhalten.

Wir haben selbst in einer Studie herausgefunden: Auf Stellenanzeigen, die zu viele »männliche« (agentische) Wörter enthalten, bewerben sich signifikant weniger weibliche Personen , weil sie sich nicht darin wiederfinden. Nach einer Anpassung des Wortprofils bewarben sich in unserer Untersuchung bis zu 33 Prozent mehr Frauen auf die Stelle. Männer ließen sich dagegen von »weiblich« formulierten Stellenausschreibungen nicht abschrecken – sie bewarben sich gleichermaßen.

Frauen neigen zu Downgrading. Sie tendieren dazu, jede Anforderung in einer Stelle als unerlässlich einzustufen, und trauen sich weniger zu.

Woran liegt das? Hier kommt ein weiteres psychologisches Phänomen ins Spiel: Frauen neigen zu Downgrading. Sie tendieren dazu, jede Anforderung in einer Stelle als unerlässlich einzustufen, und trauen sich weniger zu. Männer tendieren dagegen eher dazu, sich zu überschätzen.

Uns Menschen sind diese Phänomene nicht bewusst, weshalb viele Frauen gar nicht angeben können, warum sie sich für eine Stelle nicht beworben haben. Sprachverarbeitung läuft zum großen Teil unbewusst ab.

Downgrading-Fallen enttarnen

Wer aber um diese Mechanismen weiß, kann damit arbeiten. Zum Beispiel so:

  • Wer eine Bewerbung schreibt, sollte die Buzzwords aus der Stellenausschreibung aufgreifendas ist ein häufig wiederholter Tipp . Was aber, wenn man sich mit den dort geforderten Persönlichkeitsanforderungen nicht identifiziert? Dann können Sie sich fragen: Treffen andere Beschreibungen aus der Ausschreibung zu? Wenn ja: nicht zögern und bewerben!

  • Kommunikationsstark, teamorientiert, loyal – das sind Eigenschaften, die typischerweise als »weiblich« bewertet werden und zu den Soft Skills zählen. Soft Skills werden zu Unrecht häufig nicht als Skills ernst genommen. Dabei sind sie als Fähigkeit im Berufsalltag nicht zu unterschätzen und dürfen als solche in einer Bewerbung auch betont werden.

  • Agentische (männlich gelesene) und kommunale (weiblich gelesene) Eigenschaften meinen oft das Gleiche, nur verweisen weibliche Eigenschaften auf eine erwartete soziale Komponente. Wenn Sie also das Gefühl haben, eine Eigenschaft trifft auf Sie nicht zu, fragen Sie sich: Ist das wirklich so, oder wurde die Stellenanzeige nur mit einem männlichen Bias verfasst?

    Hier eine kleine Übersetzungshilfe, die in beide Richtungen funktioniert:

Agentisch

Kommunal

eigenständig, selbstständig

Verantwortung übernehmen

ambitioniert, leistungsfähig

committed, engagiert

zielorientiert

zuverlässig

direkt, bestimmt

ehrlich

  • Statt der eigenen Fähigkeiten lieber mal typische Ausschreibungsfloskeln downgraden. Wenn »idealerweise erste Berufserfahrung« gefordert wird, bedeutet das übersetzt: Berufserfahrung wird nicht erwartet und Sie können sich auch ohne bewerben. Übrigens: Ja, auch Praktika zählen als Berufserfahrung!

Und noch ein Tipp: Sie sollen in der Bewerbung eine Gehaltsvorstellung angeben und haben keine Ahnung ? Es gibt etliche Portale, in denen branchenübliche Gehälter verglichen werden. Neben einer solchen Recherche lohnt es sich, sich mit anderen Menschen auszutauschen und damit das alte Tabu »über Geld spricht man nicht« aufzubrechen. Denn Wissen ist Macht und Unwissenheit fördert Downgrading.

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