Karriere Sollte man mit Fake-Bewerbungen um mehr Gehalt feilschen?

Hält wenig vom Bluff: Headhunter Oliver Hohmann
Foto: Natalie BothurDieser Artikel gehört zum Angebot von manager-magazin+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.
manager magazin: Herr Hohmann, was halten Sie von dem gängigen Ratschlag, Bewerbungen an Unternehmen zu schicken, bei denen man gar nicht arbeiten will – um den eigenen Marktwert zu ermitteln?
Oliver Hohmann: Das schadet mehr, als es nützt, weil es Vertrauen verbrennt. Ich sehe zunehmend Fälle, in denen Kandidaten einen Bewerbungsprozess weit treiben: Da finden dann sechs, sieben Gespräche statt, die betreffende Person ist schon in der Endauswahl – und auf einmal merkt man: Die will gar nicht wechseln. Die blufft. Sie will nur ein externes Angebot, um intern besser zu verhandeln.
Woran merken Sie das?
Wir hatten schon Fälle, da fiel dem Bewerber sehr spät erst plötzlich auf: Huch, ich müsste für den Job ja umziehen, und die Bahnverbindung ist leider ganz schlecht! Einer kam kurz vor Verhandlungsschluss damit um die Ecke, dass er doch nur 32 Stunden pro Woche arbeiten wollte. Dagegen ist ja nichts einzuwenden, aber das weiß man nicht erst im letzten Gespräch. Eine Kandidatin hatte ihre Zusage für die neue Stelle per E-Mail gegeben. Sie war im Homeoffice, drei Minuten zu Fuß vom Büro des neuen Arbeitgebers entfernt – wollte aber für die Unterschrift unter den Arbeitsvertrag auf keinen Fall vorbeikommen. Die Frau wollte, dass er per Post gesendet wurde. Da war klar: Die brauchte noch Zeit, weil sie mit dem Vertrag beim alten Arbeitgeber wedeln wollte, um dort ein besseres Angebot zu bekommen.
Machen so etwas auch Führungskräfte auf der oberen Ebene?
Jüngst kam Freitagabend eine Zusage von einem Kandidaten für die Geschäftsführung. Montagmorgen kam die Absage. Der hatte Samstagabend "ganz zufällig" ein Dinner mit den beiden Gesellschaftern des alten Arbeitgebers, die ihm spontan ein dreimonatiges Sabbatical und 30 Prozent mehr Gehalt angeboten haben. Solche Luftnummern sind extrem ärgerlich, weil die Leute damit nur ihr Gehalt hochtreiben wollen. Das ist fast schon Erpressung.
Harter Begriff. Wenn ich anderswo gleich ein Angebot bekomme, das 30 Prozent über meinem derzeitigen Gehalt liegt, dann könnte man auch sagen: Mein Arbeitgeber hat mich die ganze Zeit unter Wert bezahlt. Was ist daran verwerflich, das herausfinden zu wollen und eine marktgerechte Bezahlung zu verhandeln? Außer dass Ihnen als Berater die Provision flöten geht?
Wenn Leute in einen Bewerbungsprozess gehen, nur um woanders ein Angebot vorzeigen zu können, ist das einfach nicht fair. So ein Prozess macht immens Arbeit. Wir reden hier ja nicht nur von großen Konzernen, sondern auch von Mittelständlern, die auf ein echtes Interesse vertrauen und deshalb viel Zeit für die Gespräche mit den Kandidaten investieren, anderen Bewerbern vielleicht absagen. Wer solche Arbeitgeber nur um die Fichte führt, verbrennt damit seinen guten Namen. Wenn man eigentlich bleiben möchte, ist es ist besser, in ein offenes Gespräch zu gehen und zu sagen, welche Entwicklungsmöglichkeiten man anstrebt, was man zuletzt geleistet hat und wie sich der Markt entwickelt hat. Damit kommt man wesentlich weiter, als wenn man die ganze Zeit die Klappe hält und dann auf einmal ein Gegenangebot aus der Tasche zieht, wenn es in die Gehaltsrunde geht.
Ist es nicht eher so, dass viele Firmen sich schwer damit tun, zu akzeptieren, dass sich der Wind gedreht hat – und man keine demütigen Bewerberinnen und Bewerber mehr hat, die dankbar für einen Job sind? Sondern Leute, die es sich aussuchen können, wo sie arbeiten möchten? Und Zeitverzögerungen gibt es ja auch von der Arbeitgeber-Seite – da kann es dauern, bis man den Vertrag zugeschickt bekommt, weil die Firma bis zum Schluss mehrere Kandidaten im Rennen hält.
Stimmt. Heute bewirbt sich ein Unternehmen bei den Mitarbeitern. Und manchmal fasse auch ich mir an den Kopf: Da lässt man einen Kandidaten drei Wochen auf eine Antwort warten – kein Wunder, wenn der dann abspringt. Es geht um Wertschätzung. Wenn die schon am Anfang nicht da ist, wird man keine guten Leute bekommen. Wer als Personalverantwortlicher in einer Branche arbeitet, in der Fachkräfte knapp sind, der weiß, was gute Leute wert sind. Ich habe etliche Kandidaten, die teils Kündigungsfristen von sechs Monaten zum Quartalsende haben und sich Sorgen machen, dass sie deshalb keiner nimmt. Denen sage ich: Kündige einfach. Wenn du willst, hast du dann in zwei Wochen einen neuen Job. Wer aber gar nicht weg will, sollte sich auch nicht wegbewerben.
Oliver Hohmann
Viele Chefs bewegen sich aber gerade in Gehaltsfragen nur unter Druck.
Das ist ein großer Fehler. Erst aufzuwachen, wenn jemand mit Kündigung droht, ist definitiv zu spät, da hat man Chancen verschlafen. Nachbesetzungen sind teuer, Einarbeitungen sind langwierig, es ist immer besser, gute Leute zu halten. Meilensteine zu verabreden, bei deren Erreichung die nächste Beförderung kommt. Wenn das aktuelle Gehalt nicht marktgerecht ist, aber nur derjenige mehr bekommt, der das Spiel mit den externen Bewerbungen am besten draufhat, dann züchtet man sich ohne Not Probleme im Team heran.
Zeigen Sie mir den Chef, der auf einen Mitarbeiter zugeht und sagt: Ich glaube, du bist unterbezahlt.
Ich bin so einer! In einer früheren Position hat sich mal eine Assistentin bei mir beworben und ihre Gehaltsvorstellung geäußert, die lag aber ein gutes Drittel unter dem, was wir für die Stelle vorgesehen hatten. Ich habe ihr dann gesagt, dass ich mit ihrer Gehaltsvorstellung nicht einverstanden bin, weil wir mehr zahlen wollen. Als Firma muss man sich schon fragen: Ist es so toll, bei uns zu arbeiten, dass wir es uns leisten können, dauerhaft 10 oder 20 Prozent weniger zu zahlen als andere Unternehmen? Dann muss ich auch mit anderen Benefits punkten.
Worauf legen Ihre Kandidaten denn Wert? Womit außer Geld kann man die locken?
Heutzutage ist Flexibilität alles. Wenn man beispielsweise vier Monate im Jahr auch mobil von der Ferienwohnung in Portugal aus arbeiten darf, ist das ein gutes Argument. Und erstaunlich viele Leute fahren auf geile Titel ab. Das kostet das Unternehmen nichts, macht aber nach außen hin viel her. Da kann es schon mal sein, dass man nach einem Jahr nicht mehr Junior, sondern Head of Irgendwas ist. Was aber auch nicht unbedingt sinnvoll ist.