

Frauenkarrieren Schluss mit der Depression


Top-Frauen, die Milliardenunternehmen bewegen (von oben links im Uhrzeigersinn): Anna Maria Braun ist CEO des Medizintechnikherstellers B. Braun Melsungen; Claudia Nemat leitet das Innovationsressort im Vorstand der Deutschen Telekom; Finja Kütz steuert die digitale Transformation der Großbank Unicredit; Britta Fünfstück ist CEO des Medizinprodukte-Unternehmens Hartmann; Martina Merz ist CEO von ThyssenKrupp; Bélen Garjo ist designierte CEO von Merck
Foto: B.Braun; imago images/Mike Schmidt; O.Wyman; B.Hartung/Merck; R.Vennenbernd/dpa; P.Hartmann/dpaWenn es um Frauen geht, darf die Welt einfach nicht besser werden. In dieser Woche kann man /frau das wieder irritiert beobachten. Da ermitteln die Vergütungsexperten von EY, dass Frauen in den Vorständen aller Dax-Segmente besser verdienen als Männer und in Kommentaren heißt es: "Das ist eine schlechte Nachricht." Denn es liege schließlich daran, dass sie nur so wenige sind und man den Vorstandsvorsitz herausgerechnet hat, dessen Vergütung stark nach oben ausschlägt und der fast ausschließlich von Männern besetzt wird.
Stimmt. Aber ist die Studie es nicht wert, sie mal einen Moment sacken zu lassen und zu sagen: Wow, ein Erfolg für die Frauen! Sie sind begehrt, sie werden gebraucht, sie werden – konsequenterweise – richtig gut bezahlt? Man könnte sogar sagen: Der durchschnittliche männliche Vorstand leidet aktuell unter einem Pay Gap, also der viel beschriebenen Gehaltslücke aufgrund des Geschlechts. Das Gender Pay Gap zulasten von Frauen gibt es auf Vorstandsebene nicht.
Oder die Allbright-Studien. Da zählen zwei engagierte Beschäftigte einer schwedischen Stiftung einmal im Jahr alle Frauen in deutschen Börsenunternehmen durch und stellen fest: Es geht nur sehr, sehr langsam voran. In diesem Jahr sind sogar ein paar weniger Frauen im Vorstandsamt als im Jahr zuvor.
Stimmt – allerdings speisen sich die viel zitierten Studien (die jüngste ist im Oktober erschienen) aus einer gewissen Oberflächlichkeit. Wie wenig der reine Blick auf die Zahlen aussagt, zeigt sich zum Beispiel bei der Positivbewertung, die Allbright in der jüngsten Studie vornimmt.
Posten-Arithmetik ist nicht alles
Auf der "grünen Liste", die ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis würdigt, wird neben der im SDax notierten Dermapharm einzig Ceconomy hervorgehoben. Eine Holding, deren aktueller CEO Bernhard Düttmann keine einzige Frau in seinem operativen Führungsgremium aufzuweisen hat. Ceconomy ist nämlich nur die Hülle für die Elektronikhändler Media Markt und Saturn, und im Vorstand der Media Saturn GmbH sitzen CEO Ferran Reverter und Finanzchef Florian Wieser. Zwei Männer.
Im Ceconomy-Vorstand arbeitet zwar CFO Karin Sonnenmoser, die aber bereits da war, als Düttmann den CEO-Job übernahm. Düttmann wiederum gehört Insidern zufolge zu dem Typ Manager, der gern mal äußert, er sehe keine geeigneten Frauen für die Führungsjobs, die er zu besetzen habe.
Dass Ceconomy in der Allbright-Analyse auf der Positivliste landet, ist also bloße Arithmetik. Über das Klima für Frauen im Unternehmen sagt es nichts aus.
Besser wird die Welt, wenn Unternehmen und Gesellschaft sich als Ganzes auf den Weg machen. Das hat inzwischen sogar die CSU kapiert und deswegen gibt es vielleicht demnächst die Frauenquote für Vorstände. Doch auch auf Seiten der Unternehmen gibt es echte Positivsignale.
Das zeigt sich auf oberster Ebene, bei der Vorstandsvergütung. Die Frauen werden nicht nur zum Antritt gut bezahlt, die meisten bleiben inzwischen auch lange im Amt und damit steigt ihre Vergütung jedes Jahr.
Es zeigt sich auch auf der zweiten und dritten Führungsebene, die sich langsam, aber hoffentlich sicher, mit weiblichen Managern füllen. Manche dieser Frauen leiten operative Sparten global tätiger Unternehmen: Sie steuern Milliardengeschäfte, sind als Expertinnen absolut unverzichtbar für den Erfolg ihrer Konzerne und denken sicher nicht sämtlich den halben Tag darüber nach, warum sie noch nicht im Zentralvorstand sitzen. Depression findet nicht statt. Es wäre es richtig, solche Ergebnisse guter Personalpolitik anzuerkennen statt nur nach Defiziten zu suchen – und gemeinsam den nächsten Meilenstein anzusteuern: Parität.
Lektionen aus der Krise
Worum es jetzt, in der Corona-Zeit, ganz besonders geht:
Auf Seiten des Topmanagements: Aufsichtsräte und Vorstände beider Geschlechter, die bereits im Amt sind oder demnächst ins Amt kommen, mit Quote oder ohne, sollten sich sehr konkret für Frauen einsetzen, die ihnen nachfolgen.
Im Arbeitsalltag: Unternehmen und Paare müssen aus der Krise wirklich etwas lernen. Es ist nachgewiesen, dass Frauen in der Pandemie den Großteil der häuslichen Verantwortung übernehmen und etliche von ihnen auf Karriere verzichten. Da stimmt etwas im Selbstverständnis der Paare nicht. Wie wird es weitergehen, wenn die Pandemie abklingt, wenn alle plötzlich wieder reisen und ins Büro gehen können? Verabschieden sich dann auch die letzten Männer zurück in ihre alten Arbeitsroutinen und die Frauen bleiben endgültig auf der Familienarbeit sitzen – auch weil der Druck des Arbeitgebers wächst und es "unmännlich" wäre, zu Hause zu bleiben?
In der Politik: Der Staat muss Kitas und Schulen endlich so ausstatten, dass Kinder und Jugendliche Lust haben, dort ganze Tage zu verbringen, weil sie durch spannende Angebote gehalten und gefördert werden, so dass beide Eltern mit gutem Gewissen ganztags arbeiten können. Diversity, sagte mir unlängst Belen Garijo, ab Mai 2021 CEO von Merck (und damit Vorstandschefin eines Dax-Konzerns, bis auf Weiteres die einzige), könne man nicht allein dem Privatsektor überlassen.
Zum Nachdenken über Diversity gehört auch, dass wir als Gesellschaft Chancengleichheit breiter definieren. Hürden gibt es in dieser Gesellschaft wieder zunehmend für Menschen, die nicht aus akademischen Haushalten kommen oder deren Familien ihre Begabungen nicht gezielt fördern können. Das ist oft ein Problem in Migrantenfamilien, aber nicht nur dort. Die soziale Mobilität wird geringer in diesem Land, und das ist langfristig ein mindestens ebenso wichtiges Thema wie die Chancengleichheit für Frauen.
Seit sechs Jahren stellt manager magazin gemeinsam mit der Unternehmensberatung BCG und einer Jury die Liste der 100 einflussreichsten Wirtschaftsfrauen Deutschlands zusammen, die für dieses Jahr veröffentlichen wir am 17. Dezember. Die schiere Menge derer, die sich für diese Gruppe qualifizieren, wächst von Jahr zu Jahr länger, die Auswahl fällt immer schwerer.
Das ist eine gute Nachricht. Genauso wie die Tatsache, dass Frauen in Vorständen überdurchschnittlich bezahlt werden, eine gute Nachricht ist – jedenfalls für Frauen.
Wir sollten sie so stehen lassen.