Vorstandsgehälter Wir müssen anders messen
Viele der waghalsigen Managementenscheidungen, die zur jüngsten Krise beigetragen haben, wären vermeidbar gewesen - wenn wir die Vergütung von CEOs an langfristigere Ziele geknüpft hätten, etwa an die Entwicklung der Aktienrendite über einen Zeitraum von fünf Jahren. So etwa lautet der Konsens, der sich in der letzten Zeit herauskristallisiert hat.
Meine Befürchtung ist allerdings: Selbst wenn es gelingen würde, einen Vergütungsplan aufzustellen, der an einer Kennzahl wie der langfristigen Entwicklung des Shareholder-Value ausgerichtet ist, würde dies die Probleme in den Unternehmen nur zum Teil lösen. Denn auch bei einem langfristig orientierten Ansatz bleiben zwei grundlegende Denkfehler erhalten: Erstens wird die Motivation des CEOs noch immer an eine einzige, flatterhafte Kennzahl gekoppelt - den Aktienpreis -, und es liegt ihm immer noch die Annahme zugrunde, dass es vor allem die Vergütung ist, die einen CEO zu entsprechender Leistung bewegt.
Unternehmenschefs lassen sich aber in Wirklichkeit von einer ganzen Reihe von Dingen motivieren - von der Anerkennung Gleichgesinnter zum Beispiel. Oder dem Bedürfnis, die Welt zu verändern. Viele CEOs haben tatsächlich auch schon ausreichend Geld verdient. Warum sieht es mitunter dennoch so aus, als würden sie sich am meisten für den Aktienwert interessieren - und dafür, wie dieser sich auf ihr Gehalt auswirkt -, statt für andere Formen der Motivation?
Die Antwort ist einfach: CEOs kümmern sich um den Aktienkurs, weil wir sie daran messen. Wenn wir wollen, dass sie auf andere Dinge Wert legen, müssen wir sie auch an anderen Dingen messen.
So einfach kann es nicht sein, mögen Sie argumentieren. Aber Psychologen und Ökonomen werden ihnen das Gleiche sagen wie ich. Menschen richten ihr Verhalten an dem aus, woran sie gemessen werden. Alles, was Sie messen, wird eine Person dazu bewegen, ihre Werte auf dieser Maßskala zu maximieren. Sie werden genau das bekommen, was Sie messen. Fristgerecht. Dieses Verhalten des Menschen ist ein Phänomen, das sich als zeitlos erwiesen hat und mit schöner Regelmäßigkeit in Studien nachgewiesen werden konnte. Es ist auch der Grund dafür, warum zum Beispiel Vielfliegerprogramme auf zahlreiche Menschen einen unwiderstehlichen Reiz ausüben.
Als ich am Massachusetts Institute of Technology (MIT) tätig war, wurde ich daran gemessen, wie ich meine jährliche Lehrverpflichtung erfüllte, mittels einer komplizierten mathematischen Gleichung. Das darauf basierende Rating war ursprünglich dazu gedacht, die Leistung akademischer Lehrkräfte in einer Reihe von Dimensionen zu verfolgen und zu verbessern. Aber das System zu schlagen wurde schnell zu einem Ziel an sich. Obwohl ich das Lehren weiterhin sehr genoss, ertappte ich mich dabei, dass ich weniger Zeit mit den Studenten verbrachte. Denn ich konnte höhere Werte erzielen, wenn ich andere Dinge tat. Ich begann, verschiedene Möglichkeiten daraufhin zu prüfen, wie viele Punkte man damit gewinnen konnte. Ich versuchte diese Maßzahl nicht deshalb zu optimieren, weil ich mir davon mehr Geld oder Zufriedenheit versprach. Auch glaubte ich nicht daran, dass es ein Beweis dafür wäre, dass ich der beste Lehrer war, wenn ich die meisten Punkte erzielte. Es war die Maßzahl selbst, die man mir als Standard vorgegeben hatte. Ich wollte bei diesem Spiel so gut wie möglich abschneiden. Und glauben Sie mir, ich war ziemlich gut darin.
Das beschriebene Phänomen zeigt sich nicht nur an Universitäten, sondern ebenso in Unternehmen und anderen Organisationen. Länder, die standardisierte Bildungstests durchführen, produzieren Kinder, die bei genau diesen Tests sehr gut abschneiden. Ihre Leistung schwankt dagegen stark, wenn sie ihr Wissen auf andere Weise demonstrieren sollen.
Machen Lehrer ihre Arbeit deswegen schlecht? Nein, sie verhalten sich ganz einfach so, wie sich Menschen verhalten, die anhand einer Kennzahl bewertet werden.
Aus diesem Grund wird jeder CEO, der morgens in sein Büro kommt, zunächst jene Zahl prüfen, an der er in erster Linie gemessen wird: den Aktienkurs. Er wird die Gesellschaft von Leuten suchen, die Ideen haben, wie man den Kurs steigern könnte. Er wird in der dafür relevanten Periode tagtäglich alles tun, was nötig ist, um diese Zahl zu steigern - Unternehmen kaufen oder verkaufen, bestimmte Leute einstellen oder feuern und so weiter.
In dieser Zeit werden die Analysten sehr genau beobachten, was er tut; sie werden ihn loben, wenn der Kurs steigt, und ihn kritisieren, wenn er fällt. Wenn Sie einer solch unerbittlichen Überprüfung unterzogen würden, täten Sie dann nicht auch, was Sie könnten, um den Unternehmenswert nach oben zu bringen? Selbst wenn Sie wüssten, dass Ihr Handeln irgendwann möglicherweise negativ auf Sie zurückfällt?
Um das Verhalten von CEOs zu ändern, müssen wir nicht nur den Zeitraum ändern, an dem sie gemessen werden, sondern auch die Kriterien. Maßzahlen zur Aktienkursentwicklung, die langfristig orientiert sind, sind nur ein erster Schritt. Viel wichtiger ist es, die Aufmerksamkeit der Manager auf Kennzahlen zu lenken, die nachhaltigen Erfolg garantieren.
Hier ein paar auf der Hand liegende Kriterien, mit denen Sie den nachhaltigen Erfolg eines CEOs messen könnten: Wie viele neue Jobs hat er in Ihrer Firma geschaffen? Wie viele neue Patente sind auf einem guten Weg? Wie zufrieden sind die Kunden? Wie groß ist das Vertrauen in Ihre Firma oder Ihre Marke? Wie viel Kohlendioxid emittiert Ihr Unternehmen?
Keine dieser Maßzahlen ist so leicht zu ermitteln wie der Aktienkurs. Nur aus diesem Grund sind wir so fixiert darauf. Aber wenn wir nur das messen, was einfach zu messen ist, werden wir auch nur das maximieren, was einfach zu maximieren ist.