Zur Ausgabe
Artikel 2 / 19

Wissensmanagement Wie Informationen wertvoll werden

Unternehmen haben viel Geld in aufwendige IT-Systeme investiert und sich so zahlreiche Informationsquellen erschlossen. Eine Studie zeigt, dass es nun eher darauf ankommt, die Mitarbeiter im Umgang mit der Technik zu schulen, als noch mehr für Hard- und Software auszugeben.
Von Laurence Prusak und Al Jacobson
aus Harvard Business manager 1/2007

Wer in Unternehmen davon spricht, Wissen zu managen, meint damit meist die Suche nach Informationen. Sogenannte Web Crawler (Programme, die Informationen auf Websites durchforsten, indem sie den Verlinkungen folgen und alles zum gesuchten Schlüsselbegriff sammeln) schwärmen über Dokumente und E-Mails aus, die aus Terabytes von Daten bestehen. Sie suchen Hinweise, die helfen, Suchende mit Informationsquellen zu verbinden. Auf den Desktops vieler Rechner prangen intelligente Icons. Werden diese Piktogramme angeklickt, läuft im Hintergrund ein Programm ab, das den Nutzer mit dem passenden Experten vernetzen soll.

Firmen setzen darüber hinaus Werkzeuge ein, die Netzwerke analysieren. Sie versuchen damit die Schlüsselpersonen - sogenannte Wissensbroker - aufzuspüren, die besonders rege dabei sind, den Suchenden Zugang zu Wissensbeständen zu verschaffen.

All diese Aktivitäten kosten Geld. Die Umsätze, die mit dem Verkauf von Systemen zur Informationssuche erzielt werden, werden um etwa 25 Prozent pro Jahr steigen: von circa 780 Millionen Euro im Jahr 2005 auf knapp zwei Milliarden Euro im Jahr 2010. Das prognostiziert eine Studie der US-Marktforschungsfirma International Data Corporation (IDC).

Lohnt es sich überhaupt, weiterhin kontinuierlich in solche Systeme zu investieren? Möglicherweise nicht. Wir haben am Working Knowledge Research Center des Babson Colleges die Kosten für den Wissenstransfer in Unternehmen untersucht. Das Ergebnis: Die Bemühungen der Vergangenheit waren sicherlich wertvoll. Ob sich Investitionen in der Zukunft ebenfalls auszahlen werden, wird weniger stark davon abhängen, dass Firmen Systeme etablieren, die Informationen beschaffen können. Entscheidend wird sein, ob die Unternehmen Strategien parat haben, die Mitarbeitern dabei helfen, das zu nutzen, was die Systeme gefunden haben.

Wir führten eine Studie bei mehr als 200 Wissensarbeitern in vier verschiedenen

Organisationen durch: in der Defense Intelligence Agency (Nachrichtendienst, der die US-Streitkräfte mit Informationen versorgt), dem Educational Testing System (US-Non-Profit-Organisation, die Bewertungsverfahren im Bildungswesen anbietet), dem Pharmakonzern Novartis und dem Battelle-Institut (gemeinnützige Stiftung mit Sitz in Ohio und Genf, die im Bereich der Agrochemie und der analytischen Chemie forscht).

Die Befragten sollten zehn Tage lang Protokoll führen. Sie sollten ihren Zeitaufwand für den Austausch von Wissen schätzen; also wie viel Zeit sie damit verbracht hatten, Informationen zu suchen, Experten zu treffen, diesen die gewünschte Expertise zu entlocken, die Resultate zu interpretieren und das gewonnene Wissen anzuwenden. Insgesamt notierten die Teilnehmer über 3000 solcher Aktivitäten (siehe Grafik links).

Wir hatten - wie das auch die meisten Führungskräfte tun - vermutet, dass die Mitarbeiter die meisten Anstrengungen auf zwei Aktivitäten verwenden: herauszufinden, an welcher Stelle im Unternehmen sie Informationen bekommen können; und zu versuchen, mit den entsprechenden Experten ins Gespräch zu kommen.

Tatsächlich verwenden die Befragten aber weniger als 17 Prozent ihrer Arbeitszeit darauf, Informationen zu suchen und Treffen mit Experten zu vereinbaren. 80 Prozent der Zeit verbringen sie damit, den Experten relevante Informationen zu entlocken, diese zu interpretieren und dann anzuwenden. Die Ergebnisse blieben konstant, unabhängig davon, wie alt die Mitarbeiter waren, welche hierarchische Position sie innehatten und wie lange sie schon beim jeweiligen Arbeitgeber beschäftigt waren.

Diese überraschenden Erkenntnisse lassen zwei Schlüsse zu: Erstens waren die bisher getätigten Investitionen in Suchtechnologien offenbar gut angelegt. Weiteres Geld in ähnliche Technologien zu stecken würde den von uns befragten Firmen aber wohl kaum Zusatznutzen bringen. Zweitens sollten Manager sich jetzt darauf konzentrieren zu verstehen, warum einige Angestellte besonders geschickt darin sind, Wissen zu sammeln und es ihren eigenen Bedürfnissen anzupassen.

Unsere Studie deutet darauf hin, dass einige Menschen über implizite Fähigkeiten verfügen, die sich aber festschreiben und anderen vermitteln lassen. Manager sollten diejenigen ausfindig machen, die sehr gut darin sind, erworbenes Wissen anzuwenden. Das kann der Kundenbetreuer sein, der die Gabe hat zu verstehen, warum eine neue Produktinformation für seinen Kunden besonders wichtig ist. Beobachten Sie, wie diese Mitarbeiter arbeiten. Mit etwas Glück finden Sie Hinweise darauf, wie Sie den Fokus von der Informationssuche auf das Anwenden von Wissen verschieben können und dabei profitabel arbeiten. n

Zur Ausgabe
Artikel 2 / 19
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren