Das Konzept des Producing Managers Wenn Fachleute ins Management wechseln
JAY W. LORSCH ist Professor für Human Relations an der Harvard Business School. PETER F. MATHIAS ist Vice President für Personalentwicklung beim New Yorker Brokerhaus Goldman Sachs.
Barry Donovan, Chef einer kleinen, aber rasch wachsenden Beratungsfirma, dachte darüber nach, was er mit seinen Kollegen beim Treffen der Geschäftsführung am nächsten Morgen zu besprechen hatte. Obgleich er mit den Gewinnen der Firma und dem breiten Spektrum neuer geschäftlicher Möglichkeiten zufrieden war, bedrückte Donovan zweierlei: die richtige Strategie für ein weltweit tätiges Consultingunternehmen zu finden und das rasche Personalwachstum zu bewältigen. "Wie können wir dieses Unternehmen führen, wenn sich der Umsatz verdoppelt?", sorgte er sich. Seine Partner waren so mit der Entwicklung neuer Geschäfte und der Beratung der Kunden beschäftigt, daß sich nie jemand hingesetzt hatte, um über die Zukunft der Firma nachzudenken. Sich den langfristigen strategischen Fragen zu widmen, erschien immer wie ein Ausweichen vor dem Zwang, den Kunden zu dienen und mit der wachsenden Flut täglicher Verpflichtungen fertig zu werden. Verschlimmert wurde die Situation noch durch die große Zahl an Akademikern - meist Absolventen von Business Schools - , die in jüngster Zeit eingestellt worden waren. Um leistungsfähige, wertvolle Mitglieder des Unternehmens zu werden, brauchten sie Anleitung durch die Seniorpartner. So wie die Dinge standen, hatten sie nur in hektischen Projektbesprechungen Kontakte mit erfahrenen Vorgesetzten. Und das war sicherlich kein wirkungsvoller Weg, um das Unternehmen kennenzulernen oder Erfahrungen mit Kunden zu sammeln. Die unausweichliche Konsequenz: Managementfragen verlangten größere Beachtung. Doch das war für Donovans Kollegen ein rotes Tuch. Denn sie sahen sich alle als hochqualifizierte Berater, als Spezialisten für Strategie, Marketing oder Personalvermittlung, nicht aber als General Manager. Das galt selbst für die geschäftsführenden Partner. Wie konnte Donovan sicherstellen, daß das Führungsproblem nicht ständig auf morgen verschoben wurde? Noch lieber hätte er gewußt, was mit dem Laden selbst geschehen sollte. Es war immer sein Stolz gewesen, in einer Firma zu arbeiten, die frei von den bürokratischen Strukturen und Methoden war, die er so oft bei seinen Kunden aus der Großindustrie gesehen hatte. Aber würde die Unternehmensberatung noch wachsen und gleichzeitig jene informelle Kommunikation und Koordination erhalten können, die ihr eine so vorzügliche Reputation eingetragen hatten? Dieses organisatorische Dilemma wird vielen Leuten in partnerschaftlich geführten, know-how-intensiven Dienstleistungsfirmen schmerzlich vertraut sein, wo es auf nichts so sehr ankommt wie auf die fachlichen Fähigkeiten hochqualifizierter Spezialisten und ihre intensiven Kundenkontakte. Doch auch in solchen Unternehmen muß sich jemand um allgemeine Führungsfragen kümmern - eine Strategie entwickeln, den Nachwuchs einarbeiten und die Mitarbeiter motivieren. Das aber bedeutet, daß für diese Aufgaben Leute abgestellt werden müssen, die nicht mehr oder nicht mehr ausschließlich auf ihrem Fachgebiet tätig sein können. Gleich ob Berater, Investmentbanker, Buchprüfer, Architekten oder Rechtsanwälte, die Seniorpartner solcher Firmen haben alle mit denselben Problemen zu kämpfen: * Wo finden sich Kollegen, die die Mitarbeiter führen, aber nicht für diese Aufgaben eingestellt, ausgebildet und bezahlt werden? * Wie läßt sich eine wachsende Zahl von Nachwuchskräften einarbeiten, eingliedern und fördern, ohne eine übermäßig hierarchische Organisation zu schaffen? * Wie kann eine strategische Koordination zwischen den Abteilungen erreicht werden, wenn die Strategie von Leuten konzipiert werden muß, die genug mit der Tagesarbeit zu tun haben? * Wie wächst ein Unternehmen, ohne bürokratisches Fett anzusetzen? Barry Donovans Firma wählte, gleich vielen ähnlichen Unternehmen, die übliche Lösung für diese Probleme. Sie versetzte erfahrene Spezialisten auf Managementposten in der Erwartung, daß sie ihre Kunden und ihre fachlichen Aktivitäten auf jüngere Kollegen übertrügen und so genug Zeit für Führungsaufgaben gewännen. Dieses konventionelle Vorgehen hat offensichtliche Mängel. Wenn die tüchtigsten Leute ins Management wechseln, dann verliert das Unternehmen deren Experten- Know-how und riskiert obendrein, daß die Versetzten mit der Zeit unzufrieden werden. Die meisten Spezialisten genießen die intellektuelle Herausforderung ihrer Arbeit. Sie haben sich für ihren Beruf entschieden, weil sie die damit verbundene Arbeit aufregend und packend fanden - nicht aber, weil sie Manager werden wollten. Experten schätzen ihre Arbeit zum Teil deshalb, weil sie rasche und meßbare Resultate bringt. Dies sorgt für Arbeitszufriedenheit. Ein Berater beobachtet den Fortgang eines Projektes und erhält einen unmittelbaren Informationsrückfluß von seinen Klienten. Ein Investmentbanker arrangiert eine Aktienemission und sieht, wie sich die Börsenkurse entwickeln. Makler bringen den Verkauf von Immobilien unter Dach und Fach. Manager hingegen erreichen nur stufenweise Resultate - oft erst in Monaten oder Jahren. Und selbst dann sind diese weder konkret, noch gibt es ein klares Feedback. Die Förderung junger Kollegen zum Beispiel ist ein langfristiger Prozeß ohne klar erkennbare Erfolge. Dasselbe gilt für das Finden und Umsetzen einer neuen Strategie für das Unternehmen. Manager müssen sich meist mit glanzlosen Details befassen: Einführung und Kontrolle eines neuen administrativen Verfahrens, Beratung eines Jüngeren in beruflichen Fragen, Abklärung, ob ein neues Arbeitsfeld hinzugenommen werden soll. Obendrein arbeiten erfolgreiche und tüchtige Spezialisten oft allein oder in einem kleinen Team. Sie genießen relativ große Autonomie. Manager müssen hingegen mit einem schwierigen Geflecht von Beziehungen zu Vorgesetzten, Gleichrangigen und Untergebenen zurechtkommen. Aus diesen Gründen kann das Abkommandieren der tüchtigsten Kollegen auf Führungsposten beiden schaden, der Firma und den Betroffenen selbst, besonders, wenn diese nur widerstrebend ins Management gehen. Denn als Leiter einer solchen Kollegengemeinschaft sind sie dann fest im Geschirr. Nimmt das Unternehmen für Führungsaufgaben aber die schlechter Qualifizierten, dann wird es die traditionelle Geringschätzung der Spezialisten für Managementtätigkeiten bestärken. Unwahrscheinlich zudem, daß Manager mit geringem fachlichen Ruf in einer Firma viel Einfluß haben, wo in erster Linie das Spezialisten-Know-how zählt. Und die weniger begabten Leute werden wohl ebenso wie ihre Kollegen die Managementtätigkeit ziemlich reizlos finden. Holt das Unternehmen aber professionelle Manager von außen, so wird es entdecken, daß ihnen wesentliche Erfahrungen mit der Eigenart der Firma fehlen und daß sie daher keine angemessenen strategischen und personalpolitischen Entscheidungen treffen können. Bestenfalls wird das Unternehmen Hilfe bei administrativen Routineentscheidungen bekommen. Vollzeitmanager, deren Aufgabe allein im Führen besteht, werden außerdem wohl die Autonomie der Spezialisten beschränken und statt dessen mehr Bürokratie schaffen. Inflexibilität erschwert es jedoch, auf Kundenbedürfnisse und Marktänderungen zu reagieren, und demotiviert die Experten.
Zweigleisig fahren
Glücklicherweise gibt es eine Lösung - den sogenannten Producing Manager. Solche Leute sind sowohl für Managementaufgaben verantwortlich als auch aktiv an Kundendienstleistungen beteiligt. Diese Doppelrolle ist nicht neu. Seniorpartner, die gewissenhaft ihre Firma führen, haben ihre Spezialistenarbeit und den Kundenkontakt immer beibehalten, während sie Managementaufgaben übernahmen. Sie können zwar hoffen, daß sich die richtigen Leute schon im richtigen Augenblick mit der richtigen Mischung von berufsspezifischen und Managementfähigkeiten einfinden, doch schlagen wir vor, Producing Manager systematisch heranzuziehen und dieses Konzept fest in der Struktur und Arbeitsweise der Firma zu verankern. Eine Firma kann besser in Kontakt mit ihrem Markt bleiben und einen Wettbewerbsvorteil gewinnen, wenn sie über Leute verfügt, die sowohl ihren eigentlichen Beruf ausüben als sich auch dem Management widmen. Eine Organisation, die dieses Konzept einführt, sieht ziemlich einfach aus. Sie besteht aus kleinen Geschäftseinheiten, die jeweils von einem Producing Manager geleitet werden. Die Einheiten können räumlich und/oder nach Geschäftsfeldern (Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung, Unternehmensberatung) gegliedert sein - eine Methode, nach der viele internationale Wirtschaftsprüfungsgesellschaften verfahren. Wie die Einheiten auch organisiert sein mögen, die Firma behält eine relativ flache Organisationsstruktur, die zahlreiche Vorteile hat. Sie verschafft den Angehörigen der Firma die Selbständigkeit, die sie für ihre Tätigkeit in einem wettbewerbsintensiven und dynamischen Umfeld benötigen. Wenn ein Producing Manager sich zum Beispiel mit der Firmenleitung über eine Frage beraten muß, bei der ein großer Kapitaleinsatz auf dem Spiel steht, wird er keine tiefgestaffelte Hierarchie durchlaufen müssen. Eine flache Struktur ist zudem psychologisch wichtig für die Experten der Firma, die im allgemeinen auf den Gebieten, wo sie sachverständig sind, frei entscheiden möchten. Die Aufgabe der Leute in der Zentrale (oberhalb der Ebene der Producing Manager) variiert mit der Firmengröße, Komplexität und der Art des Dienstleistungsgeschäfts. Die Geschäftsführer können nahezu völlig mit Managementfunktionen befaßt sein, oder sie sind ebenfalls Producing Manager. In einer kleinen, aus 50 Personen bestehenden Beratungsfirma kann der Chef einen bedeutenden Teil seiner Zeit mit Kundenarbeit verbringen und dennoch effizient führen. Der Leiter einer großen Beratungsfirma wird sich indes allenfalls gelegentlich einmal um einen wichtigen Auftrag oder einen langjährigen Klienten kümmern können. Die Geschäftseinheiten werden nicht mit strikter Kontrolle durch das Topmanagement zusammengehalten, sondern durch persönliche Beziehungen zwischen den Producing Managern, die auf gegenseitigem fachlichen Respekt sowie auf der gemeinsamen Verpflichtung auf die Ziele und Richtlinien der Firma beruhen. Die Producing Manager verkehren miteinander nicht auf hierarchisch streng gezeichneten Bahnen, vielmehr herrscht ein komplexes Geflecht informeller Beziehungen. Producing Manager müssen daher gut mit Leuten können. Wem dies mit der Arbeit an isolierten Projekten unvereinbar erscheint, der sei daran erinnert, daß jede erfolgreiche Beratungstätigkeit auf engem Kundenkontakt beruht. So wie Producing Manager den Leuten in ihrer Abteilung helfen müssen, einen Ausgleich zwischen selbständiger Arbeit und dem Engagement für Ziele der Gruppe zu finden, muß die Firmenleitung dafür sorgen, daß die Geschäftseinheiten den Kontakt untereinander halten. Denn Zusammenarbeit ist häufig geboten - etwa wenn zwei Angestellte einer Beratungsfirma für verschiedene Abteilungen desselben Kunden arbeiten. Um ihre Selbständigkeit zu schützen, brauchen die Einheiten klare Abgrenzungen; aber diese müssen durchlässig genug sein, damit zu Kooperation ermutigt wird. So soll ein Berater einen Spezialisten in einem anderen Büro aufsuchen können, wenn das erforderlich ist, um einem Klienten zu helfen.
Kosten- und Leistungsrechnung
vereinfachen
Eine Producing-Manager-Organisation bedarf neben der informellen Kooperation auch formaler Methoden, um effizient geführt zu werden. Anwaltskanzleien und Beratungsfirmen zum Beispiel müssen die Personalauslastung messen; bei Brokerhäusern spielen die Rentabilität der Geschäftseinheiten sowie ihre Einkünfte und Abschlüsse eine große Rolle. Die Kosten/Leistungsrechnung kann mit dem Konzept des Producing Manager auf eine Weise verbunden werden, die ein kooperatives Klima fördert. Vor allem müssen partnerschaftlich geführte Firmen das Rechnungswesen vereinfachen und es auf die wichtigsten Faktoren beschränken, gleich welche Variablen sie messen. Producing Manager sollten sich daher darüber im klaren sein, welche Informationen sie wirklich brauchen, und dies nicht Spezialisten überlassen, die die Firma leicht mit unnützen oder sogar schädlichen Daten überschütten. Zudem muß sich die Kosten/ Leistungsrechnung an der Rentabilität der Gesamtfirma orientieren. Producing Manager und Geschäftsleitung brauchen Zahlen über die Leistung der Geschäftseinheiten. Aber es kann sehr schädlich sein, wenn sich das Unternehmen so stark auf die Ergebnisse der Einheiten konzentriert, daß die Manager die firmeninterne Zusammenarbeit aus dem Blick verlieren.
Gute Producing
Manager finden
Ein Unternehmen, das Producing Manager einführen möchte, braucht mehr denn je gute Leute, da die traditionelle hierarchische Verteilung von Management und Kundenarbeit ja verschwindet. Die Leute, die gleichzeitig als Spezialisten und als Führungskräfte tätig werden, müssen in der Lage sein, ohne viel Überwachung gut zu arbeiten. Weil hochqualifizierte Spezialisten so wichtig sind, verbringen Producing Manager Hunderte von Stunden in Universitäten und Business Schools, um gleich auf dem Campus hochqualifizierte Absolventen anzuwerben. Der kontinuierliche Nachschub von Talenten ist zugleich die Quelle für neue Producing Manager. Die Geschäftsleitung braucht viel Fingerspitzengefühl für die Auswahl der Producing Manager. Welche Kriterien soll sie dabei zugrundelegen? Gewiß: Die Kandidaten müssen von ihren Kollegen wegen ihres fachlichen Könnens respektiert werden. Und sie sollen im Umgang mit den Klienten gezeigt haben, daß sie fähig sind, gute informelle Beziehungen zu knüpfen. Neben fachlicher Spitzenkompetenz brauchen potentielle Producing Manager drei weitere, miteinander verbundene Fähigkeiten: * Sie müssen in der ganzen Firma als integer, zuverlässig und vertrauenswürdig gelten. * Sie müssen die Bedürfnisse anderer Spezialisten verstehen und Möglichkeiten finden, um sie zu befriedigen. * Sie müssen ihren Kollegen helfen, auch in einer hochkomplexen, von großer Ungewißheit gekennzeichneten Situation stichhaltige Entscheidungen zu treffen. Die Firmenleitung sollte tüchtige Spezialisten nicht tadeln, die es ablehnen, ins Management zu wechseln. Leute, die ausschließlich auf ihrem eigentlichen Fachgebiet arbeiten wollen, haben in know-how-intensiven, partnerschaftlich geführten Dienstleistungsfirmen einen legitimen, notwendigen und wichtigen Platz. Ihre individuellen Leistungsbeiträge und ihre Kundenbeziehungen machen sie wertvoll genug.
Die Balance
beherrschen lernen
Neue Producing Manager brauchen einiges an zusätzlicher Ausbildung. Dazu gehören einerseits informelle Gespräche mit Mitgliedern der Geschäftsführung über die beiderseitigen Erwartungen und die neuen Aufgaben und Herausforderungen. Dazu kommen gewöhnlich formale Fortbildungsprogramme. Eine Einführungsveranstaltung mit den Producing Managern, in der die frustrierenden Seiten ihrer neuen Aufgaben behandelt werden, kann ihnen nachhaltig dabei helfen, Zeit für das Management aufzubringen. In dieser Sitzung sollte - ebenso wie in den anschließenden Seminaren - darauf hingewiesen werden, daß die künftigen Producing Manager ihre Arbeit nur erfolgreich erledigen können, wenn sie eine Balance zwischen Management und fachlicher Tätigkeit finden. Das richtige Gleichgewicht variiert von Stelle zu Stelle - sogar in derselben Firma - und ist von der Art des Geschäfts, der Bedeutung von persönlichem Engagement für die Klienten sowie der praktischen Erfahrung, der Selbständigkeit und der Anzahl der Untergebenen abhängig. Jeder Producing Manager muß hier den rechten Ausgleich für sich selber finden. Es ist wichtig, den Neulingen diesen Aspekt früh vor Augen zu führen, denn bei ihrer Arbeit werden sie vielen Belastungen ausgesetzt sein: beständigem Zeitdruck, widerstreitenden Ansprüchen und komplexer Güterabwägung. Hier die richtige Balance zu finden, erfordert, daß die Producing Manager eine klare Vorstellung über ihre Ziele haben. Die Managementnovizen benötigen einen Katalog locker miteinander verbundener Ziele, der ihnen beim Setzen von Prioritäten, bei der Zeiteinteilung und bei Personalentscheidungen als innerer Fahrplan dient. Dazu brauchen sie in der Einarbeitungszeit Hilfe von oben. Producing Manager sollten ihren Zielkatalog dazu benutzen, Tag für Tag ihre Aktivitäten zu beurteilen und neue Prioritäten zu setzen. Sie können damit die große Gefahr vermeiden, von einer Krise in die nächste zu stolpern. Viele Manager kommen mit einem ungeschriebenen Zielkatalog aus, doch es ist besser, die Ziele nach ihrer Rangordnung schriftlich festzuhalten. Der Zielkatalog steht in enger Verbindung mit dem Netz informeller Beziehungen, das jeder Producing Manager knüpfen muß. Er benötigt beides gleichermaßen, um seine Tätigkeit als Manager und als Experte auszubalancieren. Ohne gute Verbindungen wird er keinen Zugang zu den Informationen finden, die er für eine neue Strategie oder einen realistischen Zielfahrplan braucht. Ein Producing Manager ohne einen solchen Fahrplan berichtet: "Ich habe oft das Gefühl, daß andere Leute mich und meine Zeit beherrschen." Solch ein Kommentar ist nicht selten. Unternehmensberater, Headhunter oder Wirtschaftsprüfer sind gewöhnlich deshalb erfolgreich, weil sie Kundenwünschen gegenüber sehr aufgeschlossen sind. Im Extremfall kann sich dies in den Wunsch verkehren, allzeit zu jedermann "nett" sein zu wollen. Vielen neuen Producing Managern ist nicht ohne weiteres die Parallele zwischen firmeninternen Beziehungen und dem Umgang mit Klienten klar. Manche nehmen an, sie müßten plötzlich die Leute in der Firma kommandieren wie Generäle. Doch sie müssen ihren Vorgesetzten, Kollegen und Untergebenen dieselbe Zeit, Aufmerksamkeit und Rücksichtnahme zukommen lassen wie ihren Klienten. In den Fortbildungsveranstaltungen sollten die Producing Manager auch in Strategie und Firmenkultur unterwiesen werden. Wie diese Lernziele vermittelt werden, ist nicht entscheidend. Es kommt vielmehr darauf an, daß die Manager regelmäßig die Leitsätze ihres Unternehmens diskutieren und überprüfen und daß sie Kollegen signalisieren, daß sie für ihre Sorgen ein offenes Ohr haben. Solche Aktivitäten schaffen Vertrauen. In Unternehmen, die das Konzept des Producing Managers praktizieren, sorgen die von den Firmenangehörigen geteilten Grundsätze, Überzeugungen und Werte für das festgefügteste Kontrollsystem, das sich denken läßt.
Leistung belohnen
Alle Manager müssen mit leistungsabhängiger Vergütung auf Trab gehalten werden. Producing Manager bilden da keine Ausnahme. Sie brauchen eine quantitative Schätzung der finanziellen Ergebnisse ihrer Einheiten und ihrer persönlichen Beiträge. Ferner benötigen sie ein Feedback ihrer Managementtätigkeit. Wie gut bewältigen sie ihre strategischen Aufgaben, die Einstellung und Förderung von Fachpersonal, die Kommunikation mit Kollegen und die Teamarbeit in und zwischen den Einheiten? Während reine Spezialisten gewöhnlich durch gleichgestellte Kollegen kritisch bewertet werden, läßt sich die Leistung von Producing Managern nur von der Geschäftsleitung beurteilen. So lästig dies scheinen mag, für das Funktionieren des Konzepts "Producing Manager" ist es unerläßlich, denn Leistungsbewertung durch die Unternehmensspitze zeigt, wie wichtig Managementaktivitäten in der Firma genommen werden. Es ist daher ein Muß für alle Seniorpartner, die Producing Manager bei der Arbeit zu beobachten. Bei der Vergütung sollten die Managementleistungen der Producing Manager ebenso berücksichtigt werden wie die Aufträge, die sie für die Firma hereingeholt haben. Wie immer das Vergütungssystem im einzelnen aussehen mag, ein ausreichend großer Teil der Bezüge sollte an den Gewinn der Gesamtfirma gebunden sein, um zum reibungslosen Funktionieren des Ganzen und zur Kooperation zwischen den Geschäftseinheiten anzuspornen. Das bedeutet nicht, daß alle Anteile am Bonustopf gleich groß sein müssen, sondern vielmehr, daß individuelle ezüge die Ergebnisse der Gesamtfirma ebenso widerspiegeln sollten wie die Leistung der einzelnen Einheit. Wir hoffen, das Bild einer Organisation gezeichnet zu haben, die sich gut an ein wechselndes und Ungewisses Umfeld anpassen kann und die Mitarbeiter zu produktiver Arbeit zu motivieren vermag. Ihre Struktur ist flach, ihr Management und die Kontrollsysteme von begrenztem Ausmaß. Ein Geist von Zusammengehörigkeit und Kooperation beherrscht das Unternehmen. Die Producing Manager streben nach Erfolg für ihre eigenen Einheiten, aber sie alle haben auch ihre wechselseitige Abhängigkeit begriffen. Eine Frage bleibt. Wie groß kann ein solches Unternehmen werden? Wir kennen keine Untersuchung, die diese Frage mit Sicherheit beantwortet. Wir wissen, daß solche Firmen wachsen - indem sie sich in weitere Einheiten aufgliedern oder neue Einheiten hinzunehmen - , falls die ursprünglichen Abteilungen für einen Producing Manager zu unhandlich werden oder die Firma neue geschäftliche Aktivitäten entwickelt. Trotz des hohen Maßes an Zeit, Können und Arbeit, das erforderlich ist, um sich erfolgreich zu vergrößern, vermögen viele partnerschaftlich geführte Firmen zu ansehnlichem Umfang zu wachsen. Die einzige Wachstumsgrenze ist das Angebot an qualifizierten Producing Managern. Am allerwichtigsten ist indes: Die gesamte Organisation muß ganz einem Kanon gemeinsamer Werte und Ziele gewidmet sein. Dazu gehört auch das Konzept des Producing Managers. Copyright: © 1987 by the President and Fellows of Harvard College; ursprünglich veröffentlicht in "Harvard Business Review" Nr. 4, Juli/ August 1987, unter dem Titel "When professionals have to manage"; Übersetzung: Dr. Horst Georg Koblitz.