Antonia Götsch

Lead Forward Wie füllen Sie Ihren Salzstreuer?

Antonia Götsch
Von Antonia Götsch Chefredakteurin Harvard Business manager
Engagiert streiten – und dennoch Platz für eine andere Meinung lassen? Das gelingt nur wenigen Menschen. Was wir aus der Paarforschung für Konflikte in Unternehmen lernen können.

Liebe Leserin, lieber Leser,

neulich wurde ich Zeugin eines Streites. Im Café saß neben mir ein Paar. Und nein, ich habe nicht gelauscht. Aber zwischendurch wurde der Konflikt ziemlich hitzig. Es ging um Themen, die mir bekannt vorkamen. Wer sich wann um die Kinder kümmerte, wo in der Woche Zeit blieb und die Aufmerksamkeit füreinander, wieso er sich immer mehr Freiraum herausnahm. Ich versank wieder in meinem Buch. So weit, so üblich, dachte ich mir. Doch eine Sache ließ mich aufmerken.

Obwohl sich die beiden offenkundig uneins waren, sagte sie: "Ich kann deinen Wunsch sehen und nachvollziehen, ich bin jedoch anderer Meinung." Wenig später fragte er nach einem Wortgefecht: "Bist du ok? Es trifft mich, dass du traurig bist – gleichzeitig bin ich so wütend." Ich war beeindruckt.

Selbst im Streit schafften es diese zwei Menschen, sich Raum zu lassen. Oder besser gesagt: Sie gaben sich Raum – für ihre Gefühle, ihre Meinungen, ihr Erleben und ihre Bedürfnisse. Die englische Formulierung "to make space" passt meines Erachtens in Konflikten viel besser – denn gerade in solchen Momenten ist es ein bewusster und aktiver Akt, seinem Gegenüber Raum zu verschaffen.

Überlegen Sie mal, wie oft Sie erleben, dass sich Menschen wirklich diesen Raum geben, einander wahrzunehmen. Im privaten und im beruflichen Kontext. Wahrscheinlich haben etliche Kolleginnen und Kollegen in Ihrem Unternehmen schon mal vom aktiven Zuhören gehört. Dennoch werfen wir solche Erkenntnisse schnell über Bord, wenn wir uns angegriffen fühlen. Wir setzen eine Negativspirale in Gang, die in Anklagen und Verletzungen endet. Wir arbeiten gegeneinander statt zusammen – das gilt für Paare wie für Teams.

Gute Kommunikation ist ansteckend

Für Paare ist übrigens inzwischen ganz gut erforscht, welches Verhalten verbindet oder langfristig zur Trennung führt: "Es klingt banal, aber im Grunde lassen sich all meine Forschungsergebnisse mit der Metapher eines Salzstreuers beschreiben", berichtete der bekannte Paarpsychologe John Gottman in einem Interview . Wer diesen mit vielen Möglichkeiten "Ja" zu sagen fülle und diese immer wieder einstreue, stärke seine Beziehungen – zu Partnern, Freundinnen, Kollegen. "Ja, das ist eine gute Idee." "Ja, das ist ein gutes Argument. Daran habe ich noch gar nicht gedacht." Im Gegensatz dazu ist der Salzstreuer in angeschlagenen Beziehungen mit all den Möglichkeiten gefüllt, Nein zu sagen: "Kommt nicht infrage." "Das kannst du dir aus dem Kopf schlagen." "Das mache ich besser allein."

Die gute Botschaft: Etliche Studien zeigen, dass gute Kommunikation ansteckend ist. Menschen greifen unterbewusst Wörter und Ausdrücke auf, die Aufgeschlossenheit – oder eben Engstirnigkeit – signalisieren. Wir können viel bewegen, wenn wir anderen Raum geben und gleich zu Beginn einen versöhnlichen Ton anschlagen.

Wenn Sie sich mit konkreten Methoden für Konflikte beschäftigen wollen, empfehle ich Ihnen den Artikel Diskutieren, ohne zu streiten  von den Harvard-Professorinnen Julia Minson und Francesca Gino. Sie erklären, wie Sie das Zuhör-Dreieck nutzen und welche kleinen Formulierungen sofort die Kommunikation im Team verbessern.

Schreiben Sie mir hier  an mein persönliches Postfach. Ich freue mich über jede Rückmeldung.

Herzliche Grüße
Antonia Götsch
Chefredakteurin Harvard Business manager

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