Die Informationstechnik von morgen sorgt für mehr Effizienz, Flexibilität und Kreativität Visionen verwirklichen mit dem Computer
LYNDA M. APPLEGATE und JAMES I. CASH JR. unterrichten an der Harvard Business School. D. QUINN MILLS ist Professor für Business Administration in Harvard und widmet sich besonders Fragen des Verhaltens im Betrieb und der Personalführung.
Für den Präsidenten einer großen Ölgesellschaft - nennen wir ihn J. R. Ewing - war es mit der umfassenden Restrukturierung seines Unternehmens, die vor allem das Mittelmanagement um 40 Prozent ausgedünnt hatte, nicht getan. Ewing wünschte sich für seine neue Führungsmannschaft ein besseres Kontrollsystem. Auf Wunsch des Chefs wurde ein ausgeklügeltes Informationssystem entwickelt, das die Arbeit von Scharen von Analysten und Mittelmanagern übernahm. Auf Knopfdruck konnte es Charts und Graphiken erstellen, diese Informationen zu vielen Stellen übermitteln und die Arbeiten der einen mit denen der anderen in der Firma koordinieren. Das Beispiel steht für eine Entwicklung auf breiter Front: Die Informationstechnologie, die noch vor 20 Jahren ein Werkzeug zur Ausweitung von Organisationen war, hilft nun, diese zu verkleinern und zu restrukturieren. Die moderne Technik verbessert die zentrale Kontrolle in den Unternehmen und sorgt für neue Informationskanäle. Aber diese verbesserten Kontrollmöglichkeiten in der Zentrale gehen faktisch nicht zu Lasten dezentraler Entscheidungsfindung. Im Gegenteil: Weil Computer einen großen Teil der Kommunikations-, Koordinations- und Kontrollfunktionen übernommen haben - vielfach Routinearbeiten, die zuvor vor allem vom Mittelmanagement erledigt werden mußten -, bleibt auch den verbleibenden mittleren Führungskräften nun mehr Zeit für die Lösung verantwortungsvollerer Aufgaben. Einen Großteil dieser Entwicklungen haben die beiden amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler Harold J. Leavitt und Thomas L. Whisler bereits vor dreißig Jahren vorausgesagt. In ihrem legendären Aufsatz "Management in den 80er Jahren" - erschienen in der Harvard Business Review, November/Dezember 1958 - hatten sie unter anderem prognostiziert, der Einsatz der Informationstechnologie - ein Ausdruck, den Leavitt und Whisler mit als erste benutzten - werde dazu führen, daß die mittleren Entscheidungsebenen in den Unternehmen schrumpfen und das Topmanagement großer Organisationen die Kontrolle wieder zentralisiert (siehe Kasten). In der Folgezeit ernteten Leavitt und Whisler zumal aus der Praxis viel Kritik. Vor allem einige Boomphasen hatten mit der Expansion der Unternehmen auch das Mittelmanagement vor dem behaupteten Einbruch bewahrt. Aber am Ende behielten die beiden recht. Was sie freilich nicht in Betracht gezogen hatten: Die Revolution der Mikrocomputer macht es heute möglich, daß Unternehmen zwar zentral kontrolliert werden, gleichwohl aber alle Entscheidungen vor Ort getroffen werden können. In der Vergangenheit mußten sich Manager zwischen einer zentralisierten und einer dezentralisierten Struktur für ihr Unternehmen entscheiden. Heute können sie das eine tun, ohne das andere zu lassen: Moderne technische Kontrollsysteme unterstützen die Flexibilität und Reagibilität einer dezentralisierten Organisation genauso wie Integration und Kontrolle einer zentralisierten Unternehmensstruktur.
Was kommt nun?
Dank der Informationstechnik ist das heute Teil der Unternehmenswirklichkeit. Was aber kommt in den nächsten Jahren auf die Praxis zu? Im Gegensatz zum Zeithorizont, der Leavitt/Whisler vor Augen stand, sind die Entwicklungszyklen bei technischen Neuerungen inzwischen nur noch halb so lang - statt 30 Jahren lediglich noch zehn bis 15 Jahre. Auch der früher von vielen Managern geübte Brauch, eine neue Technologie zunächst einzuführen und dann zu prüfen, wie sie sinnvoll genutzt werden kann, ist heutzutage für die meisten Unternehmen ziemlich unangemessen. Denn die neue Technologie ist leistungsfähiger, aber auch diffiziler und weit mehr in die entscheidenden betrieblichen Prozesse verwoben. Weiterhin auf die neue Technik und den organisatorischen Wandel, den ihr Einsatz hervorruft, nur zu reagieren, kann eine Firma arg ins Schleudern bringen. Gleichzeitig ändern sich die äußeren Bedingungen für die Unternehmen immer schneller, aber manche Umstände hindern sie daran, darauf flexibler zu antworten, starre Aufgabenbeschreibungen, Vergütungsregelungen oder Kontrollmechanismen zum Beispiel. Firmen möchten gern flexibler sein, doch oft ist unklar, wer sich am besten für bestimmte Projekte eignet, besonders bei Mitarbeitern in unterschiedlichen funktionalen Bereichen. Firmen wollen erfolgreich arbeiten, aber jeder Angestellte, der das Unternehmen verläßt, nimmt ein bißchen Erfahrung unwiederbringlich mit fort. Doch mit Hilfe der neuen Technologie können Manager diese Probleme in Zukunft lösen und Visionen in Wirklichkeit verwandeln. Ob große oder kleine Organisationen, zentralisiert oder nicht - Führungskräfte haben Wahlmöglichkeiten wie nie zuvor. Doch sich allein auf Voraussagen zu verlassen und darauf zu vertrauen, daß sie eintreffen, wäre zu wenig. Sinnvoller scheint es, über die Verfassung des Unternehmens der Zukunft nachzudenken und die nötigen Schritte dazu vorzubereiten. Eine Organisationsform, die bereits von einigen besonders fortschrittlichen Unternehmen angewandt wird, ist jene, die wir "düster Organization" nennen (siehe Mills 1989). Sie erlaubt den Leitungen von Großunternehmen, diese wie kleine zu führen und die Vorzüge beider einzuheimsen. In der "Gruppenorganisation" arbeiten Gruppen von Menschen zusammen an der Lösung von betrieblichen Problemen oder der Bestimmung eines Verfahrens und gehen nach getaner Arbeit wieder auseinander. Die Mitglieder eines Teams mögen an verstreuten Orten sitzen und sich persönlich nie begegnet sein, aber Informations- und Kommunikationssysteme bringen jene zusammen, deren Fähigkeit und Kenntnisse einander ergänzen. Mit Hilfe der Technologie können die Teams ihre Arbeit ausführen und die Ergebnisse ihrer Entscheidungen verfolgen. Entsprechend anders werden in einem solchen "Gruppenunternehmen" Berichtspflichten, Kontrollmechanismen, Vergütungen und dergleichen ausfallen. Aber auch für Unternehmen, die diese Organisationsform für sich nicht wählen, bietet die Informationstechnologie eine Vielzahl von Möglichkeiten. Doch um sie zu nutzen, ist ein Blick auf die Technik der Zukunft notwendig.
Die Werkzeuge von morgen
Computer werden immer schneller, kleiner und verläßlicher; sie werden leichter zu bedienen und allen Unternehmen weitgehend zugänglich sein. Im 21.Jahrhundert wird es Personalcomputer geben, die so leistungsfähig sind wie heutige Supercomputer, dafür aber um das Tausendfache rascher arbeiten. Expertensysteme und Datenbanken werden riesige Mengen an Informationen speichern können und sich als flexibel genug erweisen, um den Unternehmen leicht Änderungen der eingegebenen Informationen und ihrer Kommunikationsformen zu ermöglichen, wenn sich das wirtschaftliche Umfeld ändert. Es wird möglich sein, alle Arten und Größen von Computern so leicht an ein Datenübertragungsnetz anzuschließen, wie heute ein Telephon. Und über diese Netze werden Zahlen, Texte und Graphiken genauso leicht, schnell und sicher übertragen werden wie Audio- oder Video-Informationen. Selbst ohne direkten Anschluß an solche Netzwerke wird es möglich sein, Daten einzuspeisen oder abzurufen: mit drahtlosen Telephonen oder Terminals. Doch Hand in Hand mit einer schnelleren Datenverarbeitung und -Übertragung muß auch ihre bessere Verwaltung und Speicherung gehen. Optische Speicher werden mehr Informationen aufnehmen können und sie schneller wiederfinden. Und was noch wichtiger ist: Es wird nicht mehr notwendig wendig sein, ganze Datenbanken neu zu programmieren, wenn sich die Art des Geschäfts ändert. Sogenannte assoziative Netzwerke werden herkömmliche Systeme ablösen. Diese neuen Netzwerke erlauben es, Daten auf eine Art zu speichern und zu verändern, die unserem Denken ähnlich ist: Sie speichern nämlich auch die Beziehungen zwischen den einzelnen Elementen. Heute werden Informationen noch sequentiell verarbeitet. Das geht gut, solange ein Problem oder eine
Aufgabe gut strukturiert und in Einzelschritte aufgelöst werden kann. Es funktioniert nicht, wenn es um komplexe, ungeordnete Aufgaben geht, die subjektive Elemente wie Kreativität und Beurteilungen enthalten. "Neuronale Computer" werden das ändern. Ähnlich wie im menschlichen Gehirn nutzen diese Computer die Verbindungen zwischen Millionen von winzigen Prozessoren, um Informationen nach logischen Regeln zu speichern. Prototypen solcher Computer existieren bereits. So hat eine US-Forschungsgruppe einen Computer Englisch lesen gelehrt, ohne ihn nach Eingabe der wichtigsten Phonetikregeln neu programmieren zu müssen (siehe Sejnowski/Rosenberg 1987). Diese Art der Technologie wird nicht einfach nur für mehr Effizienz sorgen; sie wird vielmehr ein Hebel für Kreativität, Entdeckergeist und Weiterbildung sein. Außerdem sind die Computersysteme geeignet, nicht nur die Arbeit einzelner, sondern auch die Arbeit von Gruppen zu unterstützen. Das hat sich bereits in den vergangenen fünf Jahren gezeigt. So arbeiten verschiedene Forscher an Software für elektronisches Brainstorming. Solche Anwendungen werden geographisch weit voneinander entfernten Gruppenmitgliedern die Zusammenarbeit erleichtern und Firmen helfen, die internen Fähigkeiten zu lokalisieren.
Strukturen, Prozesse und Menschen
Hierarchie und Matrix sind heute in Großunternehmen die am häufigsten realisierten Formen der Organisation. Sie bestimmen Informationsflüsse, Verantwortlichkeiten und Rechnungslegungspflichten in der Absicht, die Komplexität zu vermindern und die Stabilität zu erhöhen. Doch so wie sie heute realisiert sind, bewirken sie auch die Tendenz, Innovation zu ersticken. Aber in einer sich schnell ändernden Umwelt sehen sich große Firmen herausgefordert, mit all ihren Größenund sonstigen Vorteilen ebenso schnell zu reagieren wie die kleinen. In kleineren Unternehmen gibt es naturgemäß weniger Managementebenen und weniger Bürokratie. Sie können sich dem Wechsel schneller anpassen und geben
Kreativität mehr Raum. Führung und Kontrolle sind dort generell einfacher, weil das Topmanagement unmittelbarer mit den Mitarbeitern kommunizieren und den Beitrag jedes einzelnen rascher feststellen kann. Auch der Informationsfluß läßt sich einfacher verfolgen. Das meiste Wissen befindet sich in den Köpfen der Mitarbeiter und jeder weiß, zu wem er mit bestimmten Problemen gehen kann. Die Angestellten haben oft die Chance, Verantwortung zu übernehmen und verstehen deshalb das Geschäft im ganzen besser. Diese kleinen Organisationen, besonders wenn sie informationsintensiv sind und einen hohen Anteil an qualifizierten Mitarbeitern haben, neigen zu Gruppen- (,,Cluster"-)bildung. Manche Autoren sprechen auch von einer Netzwerk-Organisation (siehe Eccles/Crane 1987) oder ,,Adhocracy" (siehe Mintzberg 1988). In der Netzwerk-Organisation werden starre Hierarchien durch formelle und informelle Kommunikationsnetze ersetzt, die alle Unternehmensabteilungen miteinander verbinden. In der "Ad-hoc-Kratie" treten projektgebundene Arbeitsgruppen an die Stelle der Hierarchie. Beide Formen haben sich als flexibel und anpassungsfähig erwiesen. Das Programm der NASA zur bemannten Raumfahrt ist ein Beispiel für eine "Ad-hoc-Kratie"; in den ersten acht Jahren seines Bestehens änderte die NASA seine Organisationsstruktur 17mal (siehe den Bericht bei Mintzberg 1983). Mit Hilfe der neuen Technologien (siehe Kasten links) können künftig auch große Firmen diese flexiblen Organisationsformen bei sich anwenden. Die oberste Führungsebene wird vom alltäglichen Betriebsgeschehen weniger als heute abgeschnitten sein, weil Informationssysteme dem Topmanagement helfen werden, es zu verfolgen, zu koordinieren und zu kontrollieren. Anstatt auf die Berichte von Analysten und Mittelmanagern bis zum Ablauf längerer Berichtsfristen warten zu müssen, haben alle Führungskräfte unmittelbaren Zugang zu den nötigen Informationen. Softwareprogramme helfen bei der Durchführung von Analysen und ihrer Präsentation in einer nützlichen Form. Mit diesem raschen Feedback sind Manager imstande, ihre Strategien und Taktiken den Umständen jeweils anzupassen, ohne für Änderungen festgelegte Zeitabschnitte abwarten zu müssen. Und eine hochentwickelte Kommunikationstechnologie gestattet, das Erfordernis solcher Veränderungen sofort an die Mitarbeiter weiterzuleiten. Die neuen Informationsmöglichkeiten für das Topmanagement müssen nicht automatisch zu mehr Zentralisierung führen. Sie erlauben ihm eher, auf starre Anweisungen und Verfahren im Verkehr mit den Linienmanagern zu verzichten. Befreiend wirken die neuen Systeme für diese auch, weil sie ihnen die Informationen und analytische Unterstützung gewähren, die sie zur Entscheidungsfindung und Kontrolle ihrer Maßnahmen brauchen. Einzelne wie Projektgruppen können weitgehend eigenständig arbeiten, während das Topmanagement täglich oder stündlich die Ergebnisse ihrer Arbeit abrufen kann. Der größte Teil des Tagesgeschäfts wird künftig projektorientiert sein. Weil sich die äußeren Bedingungen noch schneller ändern werden als heute, wird kaum eine Situation einer vorangegangenen gleichen oder desselben Einsatzes an Experten und Methoden bedürfen. Die Zusammensetzung von Projektteams nach Talent und Erfahrung wird sich mit der jeweiligen Aufgabe ändern. Die meiste Verantwortung fällt Projektmanagern zu, die von assoziativen Informationsnetzwerken bei der Suche nach verfügbaren Ressourcen und spezieller Software unterstützt werden; bei der Software geht es vor allem um solche, die die Gruppenarbeit fördert, indem sie bei der Kommunikation zwischen den Teammitgliedern, der Entscheidungsfindung und dem Erreichen von Konsens hilft. Menschen, die in einem Großunternehmen nur gelegentlich miteinander zu tun haben, können auf diese Weise genauso effektiv zusammenarbeiten wie feste Teams in einer kleinen Firma. Entscheidungsfindung wird bisher in den meisten Unternehmen nicht recht verstanden. Manager treffen häufig Entscheidungen aufgrund von Denkprozessen, die sie sich selbst nicht erklären können. Sie sammeln die Informationen, die sie für relevant halten und versuchen, daraus die bestmöglichen Schlüsse zu ziehen. In Zukunft werden ausgefeilte Expertensysteme und Datenbanken helfen, derartige Entscheidungsprozesse zu erfassen. Die Unternehmen können sie dann analysieren und verbessern. Je durchschaubarer und genauer Entscheidungsprozesse werden, desto unwichtiger wird die hierarchische Position desjenigen, der die Entscheidungen trifft. Wichtig bleibt freilich, das Ergebnis zu verfolgen und sicherzustellen, daß sich die Umfeldbedingungen, die in Entscheidung eingingen, nicht vollständig geändert haben. Kontrollfunktionen werden heute durch einen formalen Organisationsplan festgelegt. Der Manager einer bestimmten Ebene ist verantwortlich für das, was unterhalb seiner Ebene geschieht. Über bestimmte Kanäle leitet er Informationen nach oben an die Person, der er berichtspflichtig ist. Doch künftig werden Unternehmen solche formalen Kontrollverfahren in ihrem Berichtswesen nicht mehr brauchen. Denn sie sind überflüssig, wo die Technik Topmanagern erlaubt, selbst Daten von der untersten Ebene ihrer Organisation ohne die Hilfe von Mittlern abzufragen und wo Mitarbeiter aller Ebenen und Funktionen direkt miteinander kommunizieren können. Diese Fähigkeit - Trennung der Überwachungs- und der Berichtsvorgänge - bedeutet, beide Führungsinstrumente effektiver anwenden zu können. Zum Beispiel kann das Topmanagement Kontrolle über alle Ebenen durch das Verfolgen der Resultate ausüben, während durch eine andere Anzahl von Wegen über geplante Vorhaben berichtet wird. Diese Berichtswege geben dann Aufschluß über Motivation, Kreativität und Teameignung von Mitarbeitern. Gleichzeitig können Beschäftigte aller Bereiche und Ebenen kreativer werden, denn Expertensysteme und Hilfsmittel der künstlichen Intelligenz nehmen ihnen einen Großteil ihrer analytischen Arbeit ab. Das wäre ein großer Unterschied zu heute, wo nur den Spitzenjobs im Management zeitliche Freiräume für kreatives Denken zugestanden werden. Das Hin und Her von hochspezialisierten Mitarbeitern wird im 2 I.Jahrhundert für die Unternehmen nicht mehr solch ein Problem sein wie heute. Denn die Informationssysteme werden alles festhalten: die Firmengeschichte ebenso wie die Erfahrungen und die Sachkenntnis der langjährigen Mitarbeiter. Es sind diese Systeme - nicht die Menschen -, die zum stabilisierenden Element des Unternehmensgefüges werden. Die Menschen können frei kommen und gehen, denn ihr wertvolles Wissen findet Eingang in die Informationssystem und wird ihnen und ihren Nachfolgern helfen, das Unternehmen weiterzuführen. Unter diesen Bedingungen werden die Unternehmen weniger Manager brauchen. Freilich, den künftigen Führungskräften werden auch die Erfahrungen fehlen, die sie heute noch über ihre Karrierejahre im Mittelmanagement in Positionen mit wachsender Verantwortung erwerben. Stattdessen können sie dann mit Hilfe der Informationssysteme rasch mit allen Aspekten ihrer Arbeit vertraut werden. Denn bereits ausgeklügelte Geschäftsanalysen und Simulationsmodelle bringen ihnen rasch bei, wie geschäftliche Situationen zu bewerten und Konsequenzen daraus zu ziehen sind. So wie die Technik die Wirtschaft in vielerlei Hinsicht beeinflußt, werden sich auch die Arbeit selbst und die Anforderungen an die Fähigkeiten der Mitarbeiter ändern. Die Menschen brauchen eine bessere Ausbildung und müssen sich in Technik auskennen, um mit ihr umgehen zu können; sie müssen die Technik für sich arbeiten lassen - und nicht umgekehrt -, um sie als Instrument gegen die wachsende Komplexität und das Tempo des Wandels in ihrem Arbeitsumfeld nutzen zu können. Mitarbeiter werden ihre eigene Arbeit stärker selbst bestimmen können, sofern sich das Topmanagement auf seine Möglichkeiten beschränkt, das Geschehen zu beobachten, ohne Freiheiten zu beschneiden. Das bedeutet weniger rigide Einmischungen von Seiten weniger "sichtbarer" Chefs. Zudem läuft dies auch auf die Tendenz hinaus, weg von der Exekution standardisierter Abläufe und hin zur Teilnahme an einer Abfolge von Projekten, die nach der Sachkunde einzelner verlangen. Die Individuen werden dadurch nicht mehr so sehr an ein bestimmtes Unternehmen gebunden, irgendeine Art von Firmentreue aufzubauen wird - verglichen mit heute - schwieriger sein. Freilich, für manche Unternehmen ist auch jetzt schon Treue weniger entscheidend als das, was der Betreffende an Kenntnissen zu bieten hat. In der Folge davon verschwimmen die Grenzen zwischen den verschiedenen Unternehmen. Gesuchte Mitarbeiter wechseln öfter. Ohnehin wird es immer häufiger passieren, daß sich Unternehmen fallweise über Informations- und Kommunikationsnetze mit anderen zusammenschließen, mal mit einem Konkurrenten, mal einem Zulieferer, mal einer externen Firmenberatung. Da Mitarbeiter künftig besser ausgebildet sein werden, aber geringere Aufstiegschancen in den Unternehmen vorfinden, sollte ihnen das attraktive Arbeitsumfeld winken, das sie erwarten, finanzielle Anreize eingeschlossen. Fehlt es daran oder wird ihre Selbständigkeit bedroht, werden sie anderswohin gehen. Auf diese Weise ähneln die Unternehmen der Zukunft eher freiberuflich geführten Dienstleistern heute. Die erfolgreichsten von ihnen ködern ihre Mitarbeiter mit einem Umfeld, das sie intellektuell herausfordert, Abwechslung verspricht und ein hohes Maß an Selbstbestimmung im Umgang mit anderen - auch Kunden - bietet. Manche Spezialisten arbeiten mit mehr als einer dieser Firmen - Ärzten gleich, die Patienten in verschiedene Krankenhäuser einweisen. In Zukunft wird Unternehmensführung selbst zum Teilzeit-Job, in dem Maße, wie die Mitglieder der Projektgruppen Verantwortung teilen und die Gruppenleitung unter ihnen rotiert. Abgesehen von der Unternehmensspitze wird es nur wenige Positionen geben, die allein zur Aufsicht der Arbeit der anderen da sind - zur Leistungsbewertung und Kontrolle von Vorhaben. Und die Informationstechnik erleichtert es, den Beitrag und die Fähigkeiten jedes Mitarbeiters zu erfassen. Damit wird zum ersten Mal auch eine leistungsgerechte Bezahlung möglich, wie sie sich bisher in hierarchischen Gehaltsstrukturen nicht verwirklichen ließ.
Verborgene Gefahren
Mit Hilfe der neuen Technologien bekommen auch große, bisher strikt hierarchisch geordnete Unternehmen die Chance, sich schneller und besser der Welt des 21. Jahrhunderts anzupassen. Aber diese Technologien bergen auch Risiken. Informationen schneller zu verarbeiten, ist vermutlich meist von Nutzen, sie zu schnell zu verarbeiten aber gefährlich. Denn die Effizienz läßt sich nur bis zu einem bestimmten Punkt steigern. Dieser Punkt ist erreicht, wenn es nicht mehr möglich ist, die Prozeßergebnisse zu beobachten und zu kontrollieren. Jenseits dieses Punktes bricht der Vorgang der Informationssammlung, Entscheidungsfindung, Verfolgen der Konsequenzen und der Erfolgsbeurteilung zusammen. Die Erfahrungen mancher Firmen während des Börsenkrachs im Oktober 1987 verdeutlichen dies. Es ist auch nicht ganz ungefährlich, Daten aus verschiedenen Quellen zu integrieren. Zum einen besteht das Risiko des Überfrachtens, bei dem kein Mensch die Informationen noch verstehen oder nutzen kann und die Werkzeuge versagen, die Daten in Informationen zu verwandeln. Zum anderen mag die Schaffung integrierter Datenbasen zu ungewollten Konsequenzen führen, etwa wenn ein Hersteller über Mängel und Mängelrügen seines Produkts genaue Protokolle anlegt, die bei einem Schadenersatzprozeß von einem Prozeßgegner dann in das Verfahren eingebracht werden. Außerdem wachsen mit zunehmender Computerisierung die Sicherheitsrisiken. Sabotage, Fälschungen oder Datendiebstahl werden zu sehr greifbaren Gefahren. Leavitt und Whisler haben Recht gehabt mit ihrer These, daß die Informationstechnik die innere Struktur der Unternehmen, ihre Führungsmethoden und den Charakter der Führungsaufgabe nachhaltig beeinflussen würden. 30 Jahre Erfahrung im Umgang mit dieser Technik legen heute den Schluß nahe, daß Manager sich in Zukunft bei der Steuerung dieser Technik und ihres Einflusses auf die Unternehmen weit mehr engagieren müssen. Trotzdem wird auch künftig Technik allein keine Probleme lösen oder Wettbewerbsfähigkeit garantieren. Weiterhin ist ihr Einsatz sorgfältig zu planen und verantwortungsvoll zu lenken. Der große Unterschied aber ist der: Wie niemals zuvor werden die hochentwickelten Informations- und Kommunikationssysteme klarstellen, was es mit den schöpferischen Kräften der Unternehmensführer auf sich hat, die entscheiden müssen, wann diese Techniken genutzt werden sollen und zu welchem Zweck. Literatur Robert G. Eccles, Dwight B. Crane: Managing Through Networks in Investment Banking, m: California Management Review, Herbst 1987. Harold J. Leavitt, Thomas L. Whisler: Management in the 1980s, in: Harvard Business Review, November/Dezember 1958; Nachdruck erhältlich. D. Quinn Mills: The düster Organisation: A New Alternative to the Hierarchy, 1989 (in Vorbereitung). Henry Mintzberg: Structuring in Fives - Designing Effektive Organizations, Englewood Cliffs, N.J. 1983. Henry Mintzberg: The Adhocracy, in: The Strategy Process, hrsg. von James Brian Quinn, Henry Mintzberg, Robert N.James, Englewood Cliffs, N.J. 1988. Terrence Sejnowski, Charles Rosenberg: Parallel Networks That Learn to Pronounce English Text, in: Complex Systems, Vol. l, 1987. Copyright: © 1988 by the President and Fellows of Harvard College, ursprünglich veröffentlicht in "Harvard Business Review" Nr. 6. November/Dezember 1988, unter dem Titel "Information Technology and Tomorrow's Manager"; Übersetzung: Brigitta Schulte.