Verhandlungen Wenn du lügst, lüge ich auch

Wer lügt als Erster? Sobald es in Verhandlungen unehrlich zugeht, wird eine Lügenspirale in Gang gesetzt
Foto: SIphotography / iStockphoto / Getty ImagesEs ist gängige Taktik, in Verhandlungen nicht immer die ganze Wahrheit zu sagen. Doch nun haben Forschende aus Rotterdam, Tennessee und Düsseldorf in zwei Experimenten mit insgesamt 774 Vertrieblern herausgefunden, dass schon eine einzige Lüge den Lauf einer Unterredung negativ beeinflussen kann. Denn sie führt dazu, dass das Gegenüber sich ebenfalls durch Unehrlichkeit rächt.
Für seine Studie bat das Forschungsteam die Probanden, sich vorzustellen, sie seien Salesmanager für einen Anbieter von Kosmetik- und Pflegeprodukten und müssten mit Einkäufern verschiedener Kundenunternehmen über Preise verhandeln. Mal gab sich ihr Gegenüber ehrlich, mal wurden sie belogen. In der Folge traten eindeutige Ansteckungseffekte auf: Im ersten Experiment logen 55 Prozent derjenigen, deren Gegenüber unehrlich gewesen war, in der Abschlussverhandlung selbst. Bei den Probanden mit ehrlichem Gegenüber waren es 16 Prozent.
Diese Tendenz bestätigte sich in einem zweiten Experiment, in dem die Intensität der ursprünglichen Täuschung abgeschwächt war. Von den Studienteilnehmern, die ihr Gegenüber beim Lügen erwischt hatten, entschieden sich dabei mehr als doppelt so viele, selbst zu lügen (im Vergleich zu denen, deren Verhandlungspartner ehrlich geblieben war). Überraschenderweise machte es keinen Unterschied, ob die Probanden nur einmal oder mehrmals einer Lüge ausgesetzt waren: Ein einziges Mal reichte aus, um den Ansteckungseffekt auszulösen.
Um nicht in eine Lügenspirale zu geraten, empfiehlt das Autorenteam Firmen verschiedene Vorsichtsmaßnahmen. So sollten Beschäftigte niemals allein in einen Diskurs geschickt werden; es brauche mindestens zwei Leute, um den Verhandlungsführer der Gegenseite zu kontrollieren. Zudem sollten Bevollmächtigte mindestens alle zwei Jahre bei einer Schulung die ethischen Prinzipien des Unternehmens auffrischen. Verhandlungsteams könnten ihr Verhalten im Rückblick gemeinsam reflektieren und besprechen, ob sie den Code of Conduct eingehalten haben.
Auch das Verhalten der Gegenseite müsse hinterfragt werden, raten die Forschenden: "Ein gewisses Maß an Unehrlichkeit gehört sicherlich zum Verhandlungsspiel. Aber ein solches Verhalten kann Ihr Team anstecken und dauerhafte Auswirkungen haben; daher sollten Sie extreme Verhaltensweisen nicht tolerieren." Hier könnten Aufzeichnungen über frühere Täuschungen der Gegenseite helfen – und die Forderung an das andere Unternehmen, bei der nächsten Begegnung eine aufrichtigere Person zu schicken.
Quelle: Leopold Ried et al.: "From Target to Actor: Contagion of Honesty and Deception Across Buyer-Supplier Negotiations", Journal of Operations Management, September 2022

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