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Es gibt immer mehrere Möglichkeiten, einen gefährdeten Geschäftsabschluß noch zu retten Verhandeln mit streitbaren Kunden

Das kann Ihnen bei einem Verkaufsgespräch leicht passieren: Alles läuft gut, bis Ihr Kunde urplötzlich Barrikaden errichtet, indem er Konditionen verlangt, die Sie ihm unmöglich einräumen können. Kommt es zu dieser Situation, dann gilt es, Ruhe zu bewahren und überlegt vorzugehen, um so mehr, wenn Sie auf den Auftrag angewiesen sein sollten. Offensives Gegenhalten hieße nur, Öl ins Feuer zu gießen, einfaches Nachgeben dagegen würde Sie aller denkbaren Vorteile aus dem Geschäft berauben. Dieser Zwickmühle kann ein geschickter Verkäufer entrinnen, sofern er nicht anfängt zu tricksen. Gewinnen Sie vielmehr Ihren Gegenspieler für die gemeinsame Suche nach einer gedeihlichen Lösung. Der Autor schlägt acht verschiedene Methoden vor, die helfen können, Verkaufsverhandlungen zum Punkt beiderseitiger Zufriedenheit zu führen.
aus Harvard Business manager 2/1989

THOMAS C. KEISER ist Senior Vice President der Forum Corporation, einer auf Manager-Aus- und -Weiterbildung spezialisierten Unternehmensberatung in Boston.

Alles scheint bereits klar, da sagt Ihr Kunde ziemlich unerwartet: "Ich schätze Ihr Produkt, aber der Preis ist weitab von einer akzeptablen Höhe. Gewöhnlich bezahlen wir nur halb soviel." Oder: "Acme gibt den Servicevertrag umsonst dazu. Wenn Sie da nicht mitziehen können, sind Sie aus dem Rennen." Oder: "Zugegeben, ich glaube wir haben ein recht gutes Übereinkommen erzielt. Aber jetzt müssen Sie noch zu meinem Chef. Wenn Sie dachten, ich sei schon ein harter Brocken gewesen, na, Sie werden ja sehen.." Oder: "Ich mache Ihnen einen Vorschlag: Wenn Sie beim Preis 20 Prozent nachlassen, kriegen Sie den Auftrag. Wenn Sie erstmal in unserer Abteilung Fuß gefaßt haben, glauben Sie mir, steht Ihnen der ganze Konzern offen. Das Volumen kann dann ganz gewaltig werden." Oder: "Über Zahlungsziele kann ich mit Ihnen nicht einmal diskutieren. In diesem Punkt ist meine Firma beinhart." Oder: "Hören Sie, bei diesem Preis verschwenden Sie nur meine Zeit. Ich dachte, das sei ein ernsthaftes Angebot! Was glauben Sie denn, mit wem Sie zu tun haben, etwa mit einem Anfänger?" Dergleichen kommt meist unerwartet. Sie haben viel Zeit aufgewandt, um das Vertrauen und Entgegenkommen des Kunden zu gewinnen. Sie waren während des Verkaufsgesprächs bemüht, auf seine Bedürfnisse einzugehen, ein gutes Verhältnis aufzubauen, hilfreich und kundenorientiert zu sein. Und Sie waren überzeugend und voll guter Laune. Als Sie aber zum Ende kommen wollten, verwandelte sich Ihr guter Freund, der Kunde, plötzlich in Attila, den Hunnenkönig, forderte bessere Konditionen und war ganz versessen darauf, die Gewinnspanne Ihres Unternehmens zunichte zu machen und mit "Ihren" Gewinnen abzuziehen. Sie stehen nun vor einer üblen Wahl - entweder ein Geschäft besiegeln, das nichts einbringt, oder überhaupt kein Abschluß. Diese Art von Dilemma ist natürlich nicht neu, und täglich scheitern daran zahllose Verträge. Aber Geschäfte, die von langfristigen Kundenbeziehungen abhängen, verlangen in besonderem Maße danach, derartige Zuspitzungen zu vermeiden - schließlich kann der Rücktritt von einem einzigen schlechten Handel eine Menge künftiger Abschlüsse kosten. Auf der anderen Seite gibt es immer einige Käufer, die auch dann noch mit harten Bandagen drohen, wenn der Verkäufer bereits entgegenkommend war; sie gehen einfach davon aus, daß Fragen nach Zugeständnissen nichts kosten und die Verkäufer immer nein sagen können und daß sie am Ende trotzdem abschließen werden. Viele Verkäufer jedoch, gerade unerfahrene, sagen selbst zu den unerhörtesten Kundenansinnen ja. Und raffinierte Käufer können sogar erfahrene Verkäufer zu Abschlüssen verleiten, die mehr auf Gefühl als gesundem Geschäftssinn beruhen. Wie können Sie aber Ihre Interessen wahren, den Abschluß und die Geschäftsbeziehung retten, wenn Ihr Gegenüber Ihnen die Butter vom Brot zu nehmen sucht? Die Kampfansage erwidern ist keine Lösung, es sei denn, Sie sind die einzige Bezugsquelle für das, was der Kunde braucht. (In diesem Fall sollten Sie aber sichergehen, daß Ihre Monopolstellung unanfechtbar ist.) Das Feld einfach räumen wäre eine noch schlechtere Taktik, so verlockend es auch sein mag, einen unverfrorenen Kunden sitzenzulassen. Überraschenderweise stellen Anpassung und Kompromiß ebensowenig passende Antworten dar. Oft mag bei einer Bestellung der geforderte zehnprozentige Preisnachlaß nicht viel ausmachen, und so sind Sie vielleicht allzu schnell geneigt einzuwilligen. Doch abgesehen davon, daß die Gewinnmarge Ihres Unternehmens dabei doch eine erkennbare Einbuße erleidet - den Kunden wird ein Nachgeben bloß in dem Glauben bestärken, bei künftigen Verhandlungen seien noch weitere Gratisvorteile drin. Der schematische Kompromiß - sich die Differenz zu teilen und dem Kunden auf halben Weg entgegenzukommen - mag Zeit sparen. Weil er aber die Wünsche beider Seiten nicht recht erfüllt, stellt er auch nicht beide Seiten zufrieden. Ein Mitbewerber, der einen kreativeren Weg einschlägt, kann den Auftrag durchaus an sich reißen. Die beste Reaktion auf aggressive Kunden ist eine Art von selbstbewußtem Pazifismus. Verweigern Sie sich einem kämpferischen Disput, aber lassen Sie nicht zu, daß der Kunde Sie überrollt. Geben Sie nicht klein bei, aber unterlassen Sie Gegenangriffe. Ducken, ausweichen, zurückfedern, aber das eigene Terrain halten. Schlagen Sie keine Türen zu, öffnen Sie neue. Versuchen Sie den Kunden in eine kreative Partnerschaft einzubinden, in der Sie gemeinsam an erfindungsreichen Lösungen arbeiten, die keinem ihrer Mitbewerber je einfielen. Es gibt acht Schlüsselstrategien, einen Kunden von einem halsstarrigen Standpunkt abzubringen und für eine produktivere Einstellung zu gewinnen:

1. Überlegen Sie, wie Sie vorgehen
wollen und legen Sie sich die Variablen zurecht, mit denen Sie während der Verkaufsverhandlungen operieren möchten.

Jedermann weiß darum, daß es Verhandlungsstrategien gibt. Ob Sie mit den Russen über ein Rüstungsabkommen, mit der Gewerkschaft der Automobilarbeiter über einen Tarifvertrag oder ob Sie über einen Vertrag verhandeln, den zu verlieren Sie sich nicht leisten können, Sie benötigen einen Plan: eine Kombination von Preis, Fristen und Lieferbedingungen, die das äußerste darstellen, was Sie zugestehen können. Ohne das fehlt Ihnen die Leitlinie bei den Verhandlungen. Noch wichtiger ist es, die Zahl der Variablen zu vergrößern. Je mehr Variablen Ihnen zur Verfügung stehen, desto mehr Optionen können Sie anbieten. Und je größer die Zahl der möglichen Optionen ist, desto besser sind Ihre Aussichten, das Geschäft abzuschließen. Bei wichtigen Kunden muß Ihr erstes Ziel sein, Situationen der Art Alles-oder-Nichts zu umschiffen und solange zu verhandeln, bis ein tragfähiger Abschluß zustandekommt. Zu viele Verkäufer glauben, der Preis sei ihre einzige Variable, aber solch eine enge Sichtweise kann für den Handel tödlich sein. Schließlich ist der Preis ein Parameter, bei dem die Interessen des Kunden und des Anbieters diametral gegensätzlich sind. Daher kann die Betonung der Preisfrage nur Animositäten schüren, die Marge schmälern oder gar beides zusammen. Richten Sie Ihr Augenmerk statt dessen auf Variablen, bei denen zwischen Ihrem Kunden und Ihnen eher eine gemeinsame Interessenlage besteht. Der Verkäufer eines Herstellers von Konsumgütern meinetwegen kann dem Einzelhändler sagen, wie die Anzeigenetats - der des Einzelhändlers ebenso wie der des Herstellers - wirkungsvoller eingesetzt werden könnten, um den Verkauf an die Endverbraucher zu fördern. Durch das Einbringen von Marketingprogrammen in die Diskussion trägt der Verkäufer dazu bei, daß sein unmittelbarer Kunde besser den Wert begreift, der im Preis entgolten werden soll, längst bevor dieser in einem späteren Verhandlungsstadium vereinbart wird. Es ist Aufgabe des Verkäufers, jenes spezifische Bündel von Gütern und Dienstleistungen zu schnüren, das für den Kunden den größten Nutzen bringt, ohne den eigenen Profit zu schmälern. Ein Automobilzulieferer zum Beispiel baute seine F + E-Kapazitäten aus und eröffnete seinen Kunden damit die Wahlmöglichkeit, ihre eigene Forschung und Entwicklung entweder im eigenen Haus zu belassen oder sie zu dem Lieferanten hin zu verlagern. Diese Offerte rückte das Verhandlungsschwergewicht vom Preis weg auf die wertsteigernden Prozesse in der Produktentwicklung. Die Umsätze und Margen des Zulieferers stiegen beträchtlich. Selbst bei einfachen Produkten können Sie die Variablen vermehren, indem Sie sich auf den Service konzentrieren. Ein Verkäufer chemischer Grundstoffe zum Beispiel brachte regelmäßig Zahlungsmodalitäten, Mengenrabatte, Koppelung mit anderen Lieferungen und sogar die anteiligen Kosten und Vorteile zur Sprache, die mit dem Einsatz der Tankwagen des Lieferanten oder des Abnehmers verbunden waren. Egal welche Branche, über je mehr Handlungsparameter Sie verfügen, desto größer sind Ihre Erfolgsaussichten.

2. Wenn Sie angegriffen werden, hören
Sie erst einmal zu.

Gewinnen Sie so viele Informationen wie möglich vom Kunden. Denn sobald sich dieser auf eine Position versteift, wird es schwierig, ihn durch Argumente davon wieder abzubringen, so brillant Ihre Darlegungen auch sein mögen. Unter solchen Umständen wirkt zuhören überzeugender als alles andere. Ein Beispiel aus meinem eigenen Unternehmen: Im Laufe einer langwierigen Verhandlung über einen großen Schulungs- und Entwicklungsvertrag versuchte der Kunde ständig, den Tagungspreis unserer qualifizierten Seminarleiter zu drücken. Er führte sein unzureichendes Budget an, billigere Konkurrenzangebote und firmenpolitische Grundsätze. Es ging um einen bedeutenden Vertrag, doch wir bewegten uns bereits an der Grenze des Möglichen und verspürten keine

Neigung, beim Tagungspreis auch nur um ein geringes weiter nachzugeben. Nun verkaufen wir aber auch Bücher an jeden der Kursteilnehmer, und dieses Geschäft war für uns mindestens genauso wichtig wie das Unterrichtsangebot. Bei den Büchern forderte der Kunde keine Preiszugeständnisse, er pochte allein auf den Tagungspreis und fing allmählich an, sich zu sperren. An diesem Punkt wurde unsere Verkäuferin stumm, stellte lediglich noch Fragen und begann zuzuhören. Sie erfuhr eine Menge und entdeckte einen Punkt, der dem Kunden noch wichtiger schien als der Preis: Dieser Kunde war Schulungsund Entwicklungsleiter in einem Großunternehmen und ein Mann mit Karriereabsichten. Um diese zu fördern, mußte seine Arbeit seinen Vorgesetzten augenfällig werden. Nun fürchtete er, daß unsere Spezialisten zum Topmanagement seines Unternehmens ihre eigenen Beziehungen entwickeln würden und er dabei im Regen stehen bliebe. Unsere Verkäuferin beschloß, ihm die gewünschte Kontrolle zu überlassen. Normalerweise hätten wir zusätzliche freie Mitarbeiter hinzugezogen, um die Lücke zwischen unseren eigenen personellen Kapazitäten und den Anforderungen des Kunden zu schließen. In diesem Fall jedoch bot die Verkäuferin dem Kunden an, er könne die freien Mitarbeiter, die dann unserer Schulung und Leitung unterstellt wären, selber aussuchen. Unsere ständigen Mitarbeiter würden zur vollen Tagespauschale entlohnt, die von ihm eingestellten freien Mitarbeiter könne er direkt honorieren; das Geld, was er dabei spare, tangiere unseren Gewinn nicht, der aus dem Buchverkauf und den eigenen Fachleistungen herrühre. Er aber würde derart die Kontrolle behalten. Freilich waren wir sicher, daß der Kunde die Schwierigkeiten unterschätzt, die das Einstellen, Ausbilden und Anleiten freier Mitarbeiter mit sich bringt. Daher nahmen wir an, im Laufe der Zeit werde er unseren Service noch zu würdigen wissen, den er zunächst ausgeschlagen hatte. Und dann werde er auch bereit sein, dafür zu zahlen. Unsere Beurteilung wurde bestätigt, binnen eines Jahres hatten wir den Vertrag über die gesamte Breite der fachlichen Dienstleistungen, ohne Abstriche beim Gewinn machen zu müssen. So kam eine Lösung zustande, bei der kein Mitbewerber mithalten konnte, denn die hatten sich alle nicht die Zeit genommen, auf das zu hören, was dem Kunden wirklich am Herzen lag. Noch wichtiger aber, die Bereitschaft zu einem vorsichtigen Hazardspiel hatte sich auf Seiten des Kunden in Vertrauen verwandelt, und dieses Vertrauen hielt vor in allen folgenden Verhandlungen. Angegriffen reagieren die meisten Menschen naturgemäß mit Selbstverteidigung oder mit einem Gegenangriff. Ein Verkäufer, der in Verhandlungen so agiert, steigert dadurch nur die Vehemenz der Auseinandersetzung. Die beste Reaktion ist indes, auch wenn sie einem widerstreben mag, den Kunden zum Reden zu bringen. Dafür gibt es drei gute Gründe: Zum ersten können weitere Informationen den Bewegungsspielraum und die Zahl der Aktionsparameter erhöhen. Zum zweiten hilft Zuhören, ohne sich zu verteidigen, die Wogen glätten. Drittens schließlich, solange Sie zuhören, brauchen Sie keine Zugeständnisse einzugehen.

3. Behalten Sie stets die Fragen im
Auge, die diskutiert werden müssen.

Verhandlungen können verwirrend wirken. Kunden frustriert oft der augenscheinliche Mangel an Fortschritten; gelegentlich kommen sie auf Vereinbarungen zurück, die bereits abgehakt sind; manchmal bringen sie im letzten Moment neue Themen aufs Tapet. Eine gute Methode, solche Schwierigkeiten zu vermeiden, besteht darin, zwischendurch festzuhalten, worüber bereits Einigkeit herrscht und dann herauszustellen, was noch behandelt werden muß. Kurzes, aber häufiges Rekapitulieren hält die Verhandlung in Schwung, und es bestätigt dem Kunden, daß Sie seinen Argumenten folgen. Klasseunterhändler können sogar vehement ausgesprochene Widerstände neutralisieren, indem sie Einwände zu Themen machen, die erörtert werden müssen. Der Kniff besteht darin, kühlen Kopf zu bewahren, auf Worte und Tonfall des Kunden zu achten und geduldig einen ruhigen Moment abzuwarten, um die gemeinsam erreichten Fortschritte zusammenzufassen.

4. Wahren Sie die Interessen Ihres
Unternehmens.

Erfolgreiche Verkäufer konzentrieren sich immer auf die Bedürfnisse ihrer Kunden - nicht auf die eigenen. Sie lernen, sich die Perspektive des Kunden so vollständig zu eigen zu machen, daß sie ein schon fast übernatürliches Verständnis für die Bedürfnisse und Wünsche des Kunden an den Tag legen. Doch eine zu einseitige Ausrichtung kann sich auch gegen den Verkäufer auswirken, weil Verkaufsverhandlungen einen zweifachen Brennpunkt brauchen - die Interessen des Kunden und die des eigenen Unternehmens. Die einseitige Ausrichtung auf Kundenzufriedenheit ist nicht die beste Verhandlungsgrundlage - das ist vielmehr die Konzentration auf solche Problemlösungen, die beide Parteien zufriedenzustellen suchen. Verkäufer, die nicht die Interessen des eigenen Unternehmens sichern, werden allzu wahrscheinlich unnötige Konzessionen machen. Außerordentlich wichtig ist auch die Art und Weise der Selbstbehauptung. Sie darf niemals provokativ sein. Eine Äußerung wie "Sie nehmen unser Kundendienstcenter zu 50 Prozent mehr in Anspruch als unsere Durchschnittskunden, das hat auch seinen Preis..." wird bei einem streitbaren Kunden wahrscheinlich eine Gegenreaktion auslösen. Statt dessen sollte der Verkäufer eine gemeinsame Verhandlungsgrundlage schaffen, indem er die gemeinsamen Interessen betont, aufreizende Sprüche vermeidet und strittige Fragen zu besprechen anregt. So hört sich ein besserer Einstieg an: "Das Servicecenter ist offensichtlich ein entscheidender Punkt bei der ganzen Sache. Im Augenblick nutzen Sie es zu 50 Prozent intensiver als der Durchschnitt unserer Kunden. Das treibt bei uns die Kosten in die Höhe und bei Ihnen unseren Preis. Suchen wir doch nach einer Form der Zusammenarbeit, bei der die Servicekosten niedrig und die Servicequalität dennoch hoch gehalten werden können. Lassen Sie uns zuerst einmal klären, woher dieser große Servicebedarf kommt."

5. Stimmen Sie einer Lösung erst zu,
wenn sichergestellt ist, daß sie beiden Seiten nützt.

Spürt ein durchsetzungsfreudiger Kunde, daß der Verkäufer sich an einer bestimmten Position festkrallt, dann sinken die Chancen für einen Abschluß. Geschickter ist es, zunächst einmal, hypothetische Lösungen vorzuschlagen. Vergleichen Sie die beiden Ansätze bei der Vergabe eines Geschäftskredits: "Ich mach' Ihnen einen Vorschlag: Wenn Sie uns alle Währungsgeschäfte bei Ihren europäischen Niederlassungen überlassen, gehen wir beim Zins auf ein Prozent über dem Diskontsatz herunter." "Sie erwähnten die Geschäfte in Fremdwährung, die sich aus Ihren Europa-Aktivitäten ergeben. Unterstellen wir einmal, Sie würden diese komplett bei uns abwickeln. Dann sähen wir uns in der Lage, Ihnen bei den Zinskonditionen für den neuen Kredit entgegenzukommen." Die erste Vorgehensweise wird wahrscheinlich einen Gegenvorschlag des durchsetzungsfreudigen Kunden nach sich ziehen. Beide Seiten sitzen sich dann mit zwei unvereinbaren Vorschlägen am Verhandlungstisch gegenüber. Der zweite Einstieg wirkt als Einladung für den Kunden mitzuhelfen, dem Vorschlag mehr Gestalt zu geben. Kunden, die sich an der Suche nach Lösungen beteiligt sehen, werden sehr viel eher zu einem für Sie akzeptablen Abschluß bereit sein. Manche Verkäufer begehen den Fehler, einzelnen Punkten definitiv zuzustimmen, ohne sich zu vergewissern, ob das auch in den Gesamtabschluß paßt. Das spielt einem aggressiven Kunden direkt in die Hände, der es darauf anlegt, das Ganze mittels der Salamitaktik zu bekommen. Zugeständnisse lassen sich schwer zurücknehmen. Legen Sie sich deshalb beim Abhhaken von Punkten nur vorläufig fest: "Wir sind mit X einverstanden, vorausgesetzt, wir einigen uns auch bei Y und Z auf eine praktikable Lösung."

6. Heben Sie sich die härtesten Nüsse
für zuletzt auf.

Wenn Sie über eine ganze Reihe von Punkten verhandeln, dann fangen Sie nicht mit den schwierigsten an, auch wenn es logisch scheinen mag, erst die entscheidenden Stolpersteine wegzuräumen. Aber ist das richtig? Warum Zeit für Randprobleme verwenden, wenn nicht sicher ist, ob die dornigsten Streitfragen gelöst werden können? Dieses Verfahren empfiehlt sich aus zwei Gründen. Zum einen entwickelt sich aus dem Abhaken relativ einfacher Fragen so etwas wie eine Eigendynamik. Angenommen Sie haben mit einem Kunden zu tun, der wild entschlossen ist, Sie bei lebendigem Leib zu häuten, sobald es zum Wesentlichen kommt. Fangen Sie zunächst mit weniger Strittigem an und finden Sie dabei zu innovativen Lösungen, so läßt sich der Kunde durch Sie vielleicht davon überzeugen, daß die Suche nach solch neuen Ansätzen ihren Wert hat. Zum anderen kann die Diskussion leichterer Probleme helfen, neue Möglichkeiten der Vertragsgestaltung aufzudecken. Diese werden von Nutzen sein, wenn Sie endlich zum harten Kern des Geschäftsabschlusses vorstoßen.

7. Steigen Sie mit hochgeschraubten
Bedingungen ein und geben Sie langsam nach.

Streitbare Kunden möchten sehen, daß sich ihre Verhandlungsanstrengungen auszahlen. Wenn Sie wissen, daß ein Kunde feilschen möchte, beginnen Sie eben mit etwas, das Sie konzidieren können. Offensichtlich haben derartige Spiele ihren Preis. Sie bringen Ihrem Kunden damit nicht nur bei, Zugeständnisse einzufordern, sondern Sie impfen ihm auch ein, niemals die finanzielle Seite aller Vereinbarungen aus den Augen zu verlieren. Wenn Ihr Kunde jedoch hin und her feilschen will, bleibt Ihnen keine andere Wahl. Auch den Kunden kann es einiges kosten, wenn er sich auf solche Spiele einläßt. Klassisch ist der Fall des Einkäufers, der dauernd mit seinen Gewinnen beim Poker prahlte, vermutlich in der Absicht, die Verkäufer einzuschüchtern, bevor die Verhandlungen überhaupt beginnen. "Ich verlasse den Tisch immer als Gewinner", schien er signalisieren zu wollen, "sprechen Sie nur schon Ihr letztes Gebet." Die Verkäufer erhöhten also schon von vornherein ihre Preise gleich um zehn bis 15 Prozent. Dann ließen sie ihr Gegenüber ein paar Dollar "gewinnen", priesen sein Geschick und brachten den Auftrag mit einer anständigen Spanne nach Hause. Eine Reihe von Studien hat gezeigt, daß hohe Erwartungen die besten Verhandlungsergebnisse erzeugen und niedrige Erwartungen die geringsten. Deshalb dürfen sich Verkäufer nicht von einem Kunden einschüchtern lassen, der ständig um jede Einzelheit kämpft. Sobald Sie Ihre Erwartungen zurückschrauben, haben Sie unbewußt das erste Zugeständnis gemacht, bevor die Verhandlungen überhaupt ihren Lauf nehmen. Verfrüht räumen Sie auf diese Weise dem Kunden Konzessionen ein, die er dann zusätzlich zu den normalerweise noch auszuhandelnden einkassiert. Ein mir bekannter Manager - Chef eines Unternehmens, das Software an Apotheken vertrieb - bestand immer auf absoluter Offenheit bei allen Kundenverhandlungen. Er fing Kundengespräche damit an, daß er seine Preisliste vorwies und sagte: "Das ist unsere Standardpreisliste. Da Sie aber für eine so große Kette da sind, werden wir Ihnen einen Rabatt gewähren." Durch ein Zugeständnis, das noch niemand verlangt hatte, war das Eis gebrochen, und er brachte fast jedes Mal einen Auftrag nach Hause. Ausschlaggebend ist es, für jedes Zugeständnis etwas einzuhandeln und dessen wirtschaftlichen Wert zu kennen. Bedenken Sie, daß jedes Zugeständnis außerdem für Käufer und Verkäufer von unterschiedlichem Wert sein kann. Geben Sie deswegen am Anfang bei Dingen nach, die dem Kunden besonders wertvoll sind, Ihrem Unternehmen aber kaum zusätzliche Kosten verursachen, etwa * Verhandlungsführung, * Qualitätszusicherung, *D bequeme Abwicklung,*D Vorzugsbehandlung bei Engpässe,* * Informationen über neue Technologien (beispielsweise unter Einbeziehung des F + E- Bereichs), * Kreditierung, * Lieferzeiten, * kundengerechte Gestaltung, * Service. Es gibt ein altes Sprichwort: "Wer zuerst nachgibt, der verliert." Für knallharte Verhandlungen mag das zutreffen, etwa dann, wenn dem Kunden keine andere Bezugsquelle offensteht. Aber in den meisten konkurrenzbetonten Verkaufssituationen muß der Verkäufer das erste Zugeständnis machen, um dem Auftrag näherzukommen. Geben Sie in kleinen Stücken nach, holen Sie dafür etwas heraus und bedenken Sie, welchen Wert das Zugeständnis für jede der Seiten hat. Sich Zeit zu lassen mag Verkäufern abwegig vorkommen, die gelernt haben, daß Zeit Geld ist. In einer Verhandlung jedoch heißt es: Sich keine Zeit nehmen kostet Geld.

8. Lassen Sie sich nicht mit Gefühlen
erpressen.

Gelegentlich setzen Käufer Emotionen ein - für gewöhnlich Ärger - , um Konzessionen herauszuschinden, die Verkäufer andernfalls nicht machen würden. Manche benutzen das Stilmittel "Ärger" als wohldurchdachte Taktik; andere sind wirklich wütend. Es spielt aber keine Rolle, ob es echte oder vorgetäuschte Gefühle sind - wichtig ist allein, wie Verkäufer reagieren. Wie gehen Sie mit der Wut eines Kunden um, und halten Sie dabei die eigenen Gefühle unter Kontrolle? Für Verkäufer sind drei verschiedene Techniken von Vorteil, wenn sie es mit Kunden zu tun kriegen, die absichtlich oder unabsichtlich Gefühlsausbrüche einsetzen, um zu manipulieren: * Ziehen Sie sich zurück. Verlangen Sie eine Unterbrechung, beraten Sie sich mit Ihrem Chef oder setzen Sie einen neuen Termin an. Ein neuer Termin und ein neuer Ort kann die ganze Verhandlungslandschaft verwandeln. * Hören Sie still zu, wenn der Kunde schäumt und tobt. Vermeiden Sie sowohl ein zustimmendes Kopfschütteln als auch ein abwehrendes Murren. Behalten Sie Augenkontakt, mit einem neutralen Gesichtsausdruck, aber bestärken Sie den Kunden nicht in seinem Verhalten. Wenn die Tirade vorbei ist, schlagen Sie eine konstruktive Tagesordnung vor. * Reagieren Sie freimütig auf den Ärger des Kunden, sagen Sie, daß Sie das unproduktiv finden, und schlagen Sie vor, sich auf einen spezifischen, weniger emotionsbelasteten Punkt zu konzentrieren. Für diese Taktik gibt es zwei Schlüsselelemente: Das erste ist Timing: Beschleunigen Sie den Prozeß nicht unnötig, sonst laufen Sie Gefahr, den Kunden in eine Ecke zu drängen, aus der ihm kein ehrenvoller Rückzug mehr bleibt. Das zweite Element besteht darin, deutlich festzustellen, daß der Gebrauch manipulativer Taktiken nicht akzeptabel ist, danach können Sie eine sinnvolle Tagesordnung vorschlagen. Seien Sie nicht schüchtern, Stärke und Durchsetzungsfähigkeit gehören dazu, um das durchzuziehen. Stellen Sie sich zum Beispiel vor, Sie antworten einem Kunden, der einen Wutausbruch hat: "Diese Attacke ist nicht sonderlich konstruktiv! (Und dabei direkter Augenkontakt und selbstsicherer Tonifall.) Wir haben drei Stunden darauf verwandt, die Themen aufzuarbeiten und zu versuchen, faire und vernünftige Lösungen zu finden. Jetzt schlage ich vor, daß wir zur Frage der Zahlungsbedingungen zurücckommen und sehen, ob wir sie klären können." Natürlich gibt es bei jeder dieser Techniken ein wesentliches Risiko. Ziehen Sie sich zurück, erhalten Sie womöglich keine zweite Verhandlungschance. Hören Sie still zu oder reagieren nicht angemessen, verstimmen Sie den Kunden vielleicht noch stärker. Es sind Taktiken, die nur dann angebracht sind, wenn die Diskussion ins Uferlose zu entgleiten droht. In solcher Gefahr haben sie freilich schon manche Verhandlung gerettet, die hoffnungslos verfahren schien. Die Quintessenz erfolgreicher Verhandlungsführung mit aggressiven Kunden ist, ihren Angriffen auszuweichen und sie zu überzeugen, daß ein gemeinschaftlicher Versuch, die Probleme zu lösen, profitabler und produktiver sein wird. Ihr hartgesottenster Kunde wird aufhören, Schläge zu verteilen, wenn er dabei ins Leere trifft. Ihr schwierigster Kunde wird froh sei, wenn Sie den Ablauf so gestalten, daß er auch für ihn interessant und vorteilhaft ausfällt. Kein Zweifel, die alte Art des Clinch hatte ihre guten Seiten. Handel als Schlagabtausch betrieben konnte ein guter Test auf Stehvermögen und Kondition sein, ein Beweis für Phantasie war er auf keinen Fall. Beim Verhandeln mit streitbaren Kunden verrät erst Kreativität ein besseres Verständnis für ein schwieriges Geschäft. Copyright: © 1988 by the President and Fellows of Harvard College; ursprünglich veröffentlicht in "Harvard Business Review" Nr. 6, November/Dezember 198 8, unter dem Titel "Negotiating with a Customer You Can't Afford to Lose"; Übersetzung: Henriette Holtz.

Thomas C. Keiser
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