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Tool-Kit Strategieentwicklung auf dem Bierdeckel

Manager, die die richtige Marschrichtung für die Zukunft herausfinden wollen, verlieren sich oft in detaillierten Analysen. Dabei genügt eine einfache Methode, um im Führungsteam die wichtigsten Bereiche für einen Wettbewerbsvorsprung zu identifizieren.
Von Joel E. Urbany und James H. Davis
aus Harvard Business manager 1/2008

Die meisten Manager würden sicherlich der Binsenweisheit zustimmen, dass ein Unternehmen einen klar unterscheidbaren Wettbewerbsvorteil bieten muss, um langfristig profitabel wachsen zu können. Doch viele haben nur sehr verschwommene Vorstellungen davon, was dies wirklich bedeutet. Sie lassen sich von der esoterischen Sprache verwirren, die häufig im strategischen Management verwendet wird, oder sie verlieren sich in den technischen Details ausgefuchster Analysetools.

Wir treffen oft auf solche Manager, entweder in unseren Seminaren oder im Rahmen unserer Beratertätigkeit. Jedes Mal bitten wir sie, drei Kreise zu zeichnen. Diese drei Kreise liefern - sofern sie in die richtige Relation zueinander gesetzt werden - eine gute Visualisierung dessen, was eine gute Strategie (sowohl eine interne als auch eine externe) ausmacht.

Hunderte von Topmanagern und angehenden Topmanagern haben in unseren Kursen rasch gelernt, worauf es bei dem Entwerfen von Strategien ankommt, indem sie dieses simple Instrument verwendeten. Und viele von ihnen benutzen dieses Tool - "Threecircle analysis" genannt - weiterhin, wenn sie wieder in ihre Unternehmen zurückgekehrt sind. In vielen Firmen ist es so zu einem festen Bestandteil der Entscheidungsprozesse geworden.

Nehmen wir an, diese Übung wird von dem Führungsteam eines Unternehmens durchgeführt. Das Team sollte zunächst intensiv darüber nachdenken, was die Kunden wünschen und warum.

Möglicherweise legen die Verbraucher besonderen Wert auf schnellen Service, um möglichst viel Kontrolle über ihre eigene Zeit zu behalten oder weil sie die gewonnene Zeit mit ihrer Familie verbringen möchten. Die tiefliegenden Werte der Kunden zu erforschen kann Managern die Augen öffnen, und sie entdecken Chancen für neue Angebote.

Betrachten wir die Abbildung auf Seite 18. Der rechte Kreis in der Grafik oben steht für die gemeinsame Sicht des Teams darüber, was die wichtigsten Kundengruppen brauchen und was das Unternehmen ihnen demnach anbietet oder anbieten sollte (andere Kundensegmente können später analysiert werden).

Im linken Kreis sollen die Manager ihre übereinstimmenden Einschätzungen dazu festhalten, wie Kunden das Angebot bewerten - also wie gut das Unternehmen die Bedürfnisse der Kunden befriedigt. Je stärker sich die Kreise überschneiden, desto besser werden die Wünsche der Verbraucher erfüllt.

Aber selbst in sehr reifen Märkten kennen Unternehmen selten alle Probleme oder Wünsche der Kunden. Kein Kunde hätte wohl an die Tür von Procter & Gamble geklopft und den Konsumgüterhersteller darum gebeten, den Swiffer zu erfinden, eine Art

Staubwedel, der heute einen großen Teil zum zweistelligen Wachstum der Firma im Bereich Haushaltsprodukte beiträgt.

Daher können unausgesprochene Probleme oft eine Quelle für Wachstum sein und Chancen zur Verbesserung der Kundenbeziehungen bieten. Der dritte Kreis (siehe Grafik unten) gibt wieder, wie das Führungsteam das Angebot der Wettbewerber einschätzt.

Je nachdem, wie weit sich deren Angebot mit den Bedürfnissen der Kunden und mit dem Angebot des eigenen Unternehmens überschneidet, eröffnen sich Chancen zur Differenzierung.

Jeder Bereich innerhalb der Kreise ist von strategischer Bedeutung, aber die Bereiche A, B und C sind die entscheidenden, also jene, in denen sich ein strategischer Wettbewerbsvorteil erzielen lässt. Das Team sollte sich für jeden Bereich verschiedene Fragen stellen:

Für Bereich A ("Unsere Angebote erfüllen die Bedürfnisse der Kunden und unterscheiden sich klar von den Angeboten der Wettbewerber"): Wie groß und wie nachhaltig ist unser Vorsprung? Basiert er auf unterscheid- baren Kernkompetenzen?

Für Bereich B ("Unsere Angebote unterscheiden sich nicht von denen der Wettbewerber"): Erbringen wir die Leistungen zumindest besser oder schneller? Durch welchen zusätzlichen Kundennutzen können wir unsere Wettbewerber schlagen?

Für Bereich C ("Die Angebote der Wettbewerber erfüllen die Bedürfnisse der Kunden, unsere nicht"): Wie können wir den Wettbewerbsvorteilen der Konkurrenz begegnen?

Das Führungsteam sollte Hypothesen dazu formulieren, wie das Unternehmen Wettbewerbsvorteile erzielen oder ausbauen kann und diese Alternativen testen, indem es die Kunden befragt. Dieser Prozess kann überraschende Einsichten verschaffen, etwa darüber, welche Chancen sich im Bereich der unerfüllten Kundenbedürfnisse (Bereich E) bieten. Eine andere Einsicht kann darin bestehen, eigene Angebote oder Angebote der Wettbewerber zu entdecken, die der Kunde eigentlich gar nicht benötigt (Bereiche D, F und G).

Die Agrochemiesparte des Pharmaherstellers Zeneca etwa hat entdeckt: Einer seiner wichtigsten Händler war bereit, sein Geschäft mit dem Unternehmen auszudehnen, wenn dieses bereit wäre, das zeitaufwendige Verkaufsförderungsprogramm abzuschaffen, von dem die Zeneca-Ma-nager glaubten, es sei ein für den Kunden besonders wertvoller Teil des Angebots.

Doch die größte Überraschung erleben Manager häufig, wenn sie feststellen, dass der Bereich, in dem sich das eigene Angebot mit den Kundenbedürfnissen überschneidet - den sie selbst meist für riesengroß halten -, in den Augen der Kunden in Wirklichkeit winzig klein ist. n

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