Die Mitarbeiter von Tandemploy saßen am Abend dieses Märztages noch lange zusammen. Keiner der 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Berliner Start-ups wollte das Büro im Prenzlauer Berg verlassen. Der Corona-Lockdown warf alles über den Haufen, von nun an würden sie nur noch aus dem Homeoffice arbeiten. "Niemand wusste, wie lange wir jetzt getrennt sein würden", erinnert sich Jana Tepe, eine der beiden Gründerinnen der Jobsharing-Firma.
Das Team arbeitete einige Monate lang ausschließlich virtuell zusammen. Der Trennungsschmerz wurde überwunden, doch das Wirgefühl blieb. "Wir waren überwältigt, wie unser Team in den letzten Monaten zusammengehalten hat, wo wir nur remote in Kontakt standen. Die Produktivität, Motivation und Loyalität sind nicht gesunken, eher im Gegenteil", erzählt Tepe.
So klingt er, der viel beschworene Teamgeist. Er ist der Kitt, der Menschen zusammenhält und dafür sorgt, dass Individuen gemeinsam Großes leisten, egal ob sie Vorstandsmitglied, Büroangestellter, Künstler, Sportler oder Wissenschaftler sind. Teams können neue Produkte oder Theorien entwerfen, die die Welt noch nicht gesehen hat, Prozesse intelligent optimieren, Klimabewegungen initiieren, ehrenamtlich im Palliativteam arbeiten, Senioren beim Einkaufen helfen oder atemberaubende sportliche Höchstleistungen vollbringen.
Die Nähe und gemeinsame Ziele schweißen kleine und große Teams zusammen. Dazu braucht es noch nicht einmal gegenseitige Sympathie. "Mir ist es schon passiert, dass ich (...) dachte, die Person kann ich gar nicht ausstehen – und dann habe ich mit diesem Menschen wunderbare Musik gemacht", sagt Solokontrabassist Michael Rieber vom NDR Elbphilharmonie Orchester. "Man muss Respekt voreinander haben und sich vertrauen, das ist die Hauptsache."
Dieses Zugehörigkeitsgefühl ist nicht zu unterschätzen – der Forscher Marcus Buckingham und seine Kollegen bezeichnen es sogar als einen der wirksamsten Hebel für das Engagement von Mitarbeitern ("Die Stärke unsichtbarer Teams", Harvard Business manager Januar 2020). Wie es die meisten Menschen schon erlebt haben, lässt sich ein Gemeinschaftsgefühl nicht einfach verordnen oder in einem Unternehmensleitbild herbeischreiben. Vielmehr brauchen Organisationen Menschen, die Gemeinschaft vorleben. "Es kommt nur darauf an, ob Ihr Teamleiter und Ihre Teamkollegen jeden Tag da sind und mit Ihnen sprechen, sich auf Sie verlassen und Sie unterstützen", sagt Buckingham. Von dieser Erfahrung hänge es ab, wie produktiv, glücklich, innovativ und belastbar Mitarbeiter bei ihrer Arbeit sind und wie lange sie im Unternehmen bleiben möchten.
Fürs Team da zu sein – das klingt nahezu banal, ist im Alltag aber gar nicht so leicht umzusetzen. Es ist eine große Führungsaufgabe, einen Raum zu schaffen, in dem sich alle sicher und wohlfühlen und sich entfalten können. Managementguru Henry Mintzberg schrieb bereits vor einem Jahrzehnt in seinem Klassiker "Führung neu definieren", dass ein am Gemeinwohl orientiertes Verhalten einen "bescheideneren Führungsstil" erfordert, der sich am besten als engagiertes oder geteiltes Management beschreiben lasse. "Eine Führungsperson in einer Gemeinschaft engagiert sich persönlich, um andere zu motivieren, sodass absolut jeder die Initiative ergreifen kann."