Am Morgen des 18. Mai 2012 wagte Facebook seinen heiß erwarteten Börsengang. Um genau 11.05 Uhr sollte es passieren: Die Nasdaq, die größte elektronische Börse der USA, wollte die ersten Facebook-Aktien handeln. Dieser Eröffnungshandel war eine Art Auktion – Käufer und Verkäufer gaben Bestellungen ab, und die Nasdaq berechnete den perfekten Preis. Als der Start näher rückte, kamen Hunderttausende Aufträge rein. Dann wurde es 11.05 Uhr. Und es passierte: nichts. Milliarden von Dollar standen bereit und wollten investiert werden, die Aufmerksamkeit der Analysten und Anleger war auf den IPO gerichtet. Doch die Systeme standen still.
Die Nasdaq-Manager versuchten verzweifelt, das Problem zu diagnostizieren, und hielten eine Notfalltelefonkonferenz ab. Nach ein paar Minuten machten die Programmierer die sogenannte Validierungsprüfung als Problem aus, eine Sicherheitsfunktion, die sie Jahre zuvor in das Programm eingebaut hatten. Sie hatte eine Unregelmäßigkeit festgestellt und den Handel gestoppt. Die Manager beschlossen, sich über die Computerwarnung hinwegzusetzen und weiterzumachen.
Also wurde die Validierungsprüfung ausgeschaltet und der Handel begann, aber der Workaround führte zu einer Reihe von Fehlern. Es stellte sich heraus, dass die Validierungsprüfung etwas Wichtiges entdeckt hatte: einen Computer-Bug, der dazu führte, dass das System Bestellungen für mehr als 20 Minuten ignorierte – eine Ewigkeit an der Wall Street. Die Händler machten die Nasdaq für Verluste in Höhe von Hunderten Millionen Dollar verantwortlich, es folgten diverse Rechtsstreitigkeiten und Geldbußen – von den Reputationsverlusten ganz zu schweigen.
Die meisten von uns betreuen keine großen Börsengänge, aber früher oder später steht jedes Team vor einer unerwarteten Krise: Die Technik versagt, ein Konkurrent erobert den eigenen Markt, ein vielversprechendes Projekt scheitert, ein wichtiger Mitarbeiter kündigt, die Verbraucher reagieren negativ auf ein neues Produkt.
Manche Teams sind gut im Umgang mit dem Unerwarteten, aber die meisten sind es nicht. Unter Stress und Zeitdruck ist es schwierig, ruhig zu bleiben, ein Problem zu diagnostizieren und Lösungen zu finden.
In den vergangenen fünf Jahren haben wir Dutzende von Krisen in allen möglichen Organisationen untersucht. Wir haben die unterschiedlichsten Menschen befragt, die wertvolle Erkenntnisse darüber gewonnen hatten, wie man sich auf das Unerwartete vorbereitet: Führungskräfte, Piloten, Nasa-Ingenieure, Wall-Street-Händler, Polizisten, Ärzte und Sozialwissenschaftler. Hier sind drei dieser Lektionen:
1. Lerne aufzuhören
Wenn wir mit einem überraschenden Ereignis konfrontiert werden, wollen wir oft an unserem ursprünglichen Plan festhalten und weitermachen. Aber das kann angesichts überraschender neuer Informationen das Rezept für eine Katastrophe sein. Beispiele für diese Vogel-Strauß-Taktik gibt es viele, vom Facebook-IPO bis zur Ölpest durch die "Deepwater Horizon".