Ingmar Höhmann

Strategie zum Frühstück Bringt KI wirklich Mehrwert?

Ingmar Höhmann
Von Ingmar Höhmann, Leitender Redakteur Harvard Business manager
Künstliche Intelligenz gilt als Gamechanger. Doch bevor Sie in Ihrem Unternehmen groß angelegte Projekte aufsetzen, sollten Sie klären, ob sich die Investition überhaupt auszahlen wird.
Illustration: Patrick Mariathasan für Harvard Business Manager

Lieber Leser, liebe Leserin,

unter Journalisten sorgen KI-Tools gerade für mächtig Unruhe. "Wir sind bald alle arbeitslos", sagte mir eine Bekannte, als ChatGPT im November 2022 veröffentlicht wurde. Ich teile die Befürchtung nicht.

Beim Harvard Business manager experimentieren wir seit Jahren mit DeepL, einem KI-Übersetzungstool. Die Ergebnisse sind gut – allerdings nur bis zu einem Punkt. Ist der Ursprungstext unklar, mehrdeutig oder interpretierungsbedürftig, kann die KI damit wenig anfangen. Das ist bei komplexeren Themen leider häufig der Fall, ohne Redigieren geht es nicht.

Doch KI verändert zweifellos die Arbeit. Bei der Illustration unseres Schwerpunkts über künstliche Intelligenz in der aktuellen Ausgabe kam Midjourney zum Einsatz, einer der großen KI-Bildgeneratoren. Unser Art Department hat mit seiner Hilfe fantastische Bilder gefunden (hier ist der Link zur Ausgabe) – und unsere Publikation und letztlich auch unser Unternehmen haben zweifellos davon profitiert.

Wenn Sie KI-Projekte in Ihrem Betrieb planen, sollte die Frage nach dem Mehrwert im Zentrum stehen. Das schreibt Stephan Kudyba, einer der Autoren unseres KI-Schwerpunkts und IT-Professor am New Jersey Institute of Technology. So schön die Bilder oder die Texte, die die KI hervorbringt, auch sein mögen: Senken Sie damit wirklich Ihre Kosten, erhöhen Sie die Umsätze oder steigern den Gewinn? Nicht immer ist der Business Case so klar, wie es auf den ersten Blick scheint.

Klären Sie zuerst den Nutzen für Ihr Unternehmen: Das ist eine der Empfehlungen, die Kudyba in seinem Artikel "Das sollten Sie vor Ihrem ersten KI-Projekt wissen"  ausspricht. Gute Kandidaten für KI-Vorhaben seien etwa Tätigkeiten, die zeit- und arbeitsintensiv sind – wie das Lesen umfangreicher Dokumentationen –, Prozesse, die sich durch eine Sprachanalyse ergänzen lassen – wie das Bearbeiten von Kundenanfragen – oder Prognosen zum Kundenverhalten.

Wie kann das konkret aussehen? Kudyba berichtet von einem Großkonzern, der Industrieprodukte herstellt. Das Unternehmen wollte mit KI den E-Mail-Verkehr im Kundendienst verbessern. Der Bedarf war klar: Die Mitarbeiter mussten extrem viele E-Mails beantworten, es handelte sich also um eine zeit- und arbeitsintensive Tätigkeit. Sowohl die Inhalte der Anfragen als auch die Antworten wiederholten sich. Das war ein weiterer Hinweis darauf, dass KI Abhilfe schaffen konnte.

Die angestrebte Lösung sollte E-Mails künftig automatisch an die richtige Abteilung weiterleiten. Als Ziel definierte das Unternehmen, dass mindestens 80 Prozent aller Mails korrekt ankommen sollten. Damit würde die KI die händische Weiterleitung übertreffen. Der Konzern sammelte Zehntausende E-Mails und erhielt so einen robusten Trainings- und Testdatensatz mit hoher Genauigkeit – eine wesentliche Voraussetzung für KI-Projekte.

Um die Mails der Kunden zu sortieren, definierte das Projektteam 10 Haupt- und 30 Unterkategorien. Problematisch war die Integration: Erst nach zusätzlicher Programmierarbeit ließ sich die KI in die IT-Systeme des Unternehmens integrieren. Nachdem diese Hürde übersprungen war, erreichte das Projekt seine Ziele – der Konzern konnte einen aufwendigen Geschäftsprozess optimieren, die Kosten senken und den Service für die Kunden verbessern.

Die schlechte Nachricht: In diesem Fall wurde menschliche Arbeit ersetzt. Doch das muss nicht immer so sein, erklärt Kudyba. "In vielen Bereichen sind Menschen immer noch unverzichtbar – und wenn es nur darum geht, KI-Ergebnisse zu überprüfen oder Warnhinweisen nachzugehen." Der Forscher warnt auch vor überzogenen Hoffnungen: "Es mag durchaus sein, dass das KI-Projekt am Ende nicht den von Ihnen erhofften Nutzen bringt. Seien Sie daher kritisch bei Ihrer Auswahl."

Mit welchen KI-Projekten sorgen Sie in Ihrem Unternehmen für Mehrwert? Schreiben Sie mir hier .

Herzliche Grüße
Ingmar Höhmann

Leitender Redakteur Harvard Business manager

PS: Strategie zum Frühstück erscheint alle zwei Wochen, einmal im Monat in Zusammenarbeit mit Alexander Osterwalder, dem CEO von Strategyzer 

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