Kundenbeziehungen Impfung gegen Unzufriedenheit

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Die meisten Unternehmen glauben, dass sich die Kundenzufriedenheit nach einer Servicepanne nur durch Entschuldigungen, Preisnachlässe und andere Formen der Wiedergutmachung aufrechterhalten lässt. Doch Wissenschaftler in Deutschland und England haben eine vollkommen andere Methode entdeckt: die psychologische "Impfung".
Die Forscher Sven Mikolon, Benjamin Quaiser und Jan Wieseke schickten hierfür zwei sorgfältig formulierte E-Mails an Kunden einer europäischen Fluggesellschaft, bevor deren Flüge starteten. Die erste Mail enthielt ein Lob der Airline ("das Engagement für Servicequalität brachte ihr mehrere Preise ein"); die zweite wies mögliche Beschwerden schon im Voraus freundlich zurück ("lange Wartezeiten an der Gepäckausgabe lassen sich nicht verhindern").
Diese zweistufige Mailkampagne sollte den Kunden positive Emotionen gegenüber der Fluggesellschaft vermitteln und bewirken, dass sie diese Gefühle im Fall einer Panne beibehielten.
Frühere Forschungen haben gezeigt, was passiert, wenn eine bestehende Überzeugung – beispielsweise eine positive Einstellung zu genmanipulierten Lebensmitteln – mit vorsichtigen Formulierungen angezweifelt wird ("Die Gegner gentechnisch veränderter Lebensmittel argumentieren überzeugend, dass die Testverfahren nicht ausreichen; doch die Risiken sind in Wirklichkeit minimal"): Die Menschen stutzen, überprüfen ihr ursprüngliches Urteil und entwickeln dann mentale Abwehrstrategien, die dieses Urteil zusätzlich stärken. Eine Meinung freundlich infrage zu stellen wirkt also wie eine Impfung.
Die Wissenschaftler experimentierten mit einer Gruppe von 1254 Fluggästen, die unterschiedlichen Bedingungen ausgesetzt waren: Die einen mussten an der Gepäckausgabe lange warten, die anderen nicht länger als üblich. Nach langen Wartezeiten zeigten jene Fluggäste, die die E-Mails bekommen hatten, eine höhere Zufriedenheit als ihre "ungeimpften" Leidensgenossen. Dies war keineswegs das Ergebnis der riskanten Taktik des "Erwartungsmanagements". Hierbei werden Kunden darauf konditioniert, sich mit besonders wenig zu begnügen – ein Ansatz, der die Zufriedenheit womöglich auch dann senkt, wenn nichts schiefgeht.
Dass der Effekt im Fluggastexperiment tatsächlich von der "Impfung" ausgelöst wurde, lässt sich dadurch belegen, dass die E-Mails keinen negativen Einfluss auf die Zufriedenheit jener Fluggäste hatten, die nur kurze Zeit warten mussten. Die Verbesserung war nicht groß, aber signifikant: Die Zufriedenheit "geimpfter" Fluggäste erreichte durchschnittlich 3,8 Punkte auf einer siebenteiligen Skala, verglichen mit 3,45 Punkten bei "nicht geimpften" Fluggästen. Die Strategie lässt sich schnell, einfach und kostengünstig umsetzen. Um optimale Ergebnisse zu erzielen, empfehlen die Wissenschaftler in ihrer Studie "Don't Try Harder: Using Customer Inoculation Against Service Failures" allerdings, sie mit herkömmlichen Wiedergutmachungsstrategien zu kombinieren.
Sie weisen außerdem darauf hin, dass die Wirkungen einer "Impfung" sich noch steigern lassen, wenn Sie Ihren Kunden erklären, dass die Servicepanne auf äußere Umstände zurückzuführen ist, etwa bei einem Zulieferer oder Dienstleister.
Aber Vorsicht: Wenn Sie die Schuld einem Geschäftspartner in die Schuhe schieben, könnte das die Beziehungen zu diesem Partner beschädigen – und das führt auf lange Sicht womöglich zu ganz anderen Problemen.
Dieser Artikel erschien erstmals in der März-Ausgabe 2016 des Harvard Business managers.