Georgine Kellermann "Ich habe euch 40 Jahre etwas vorgemacht"
Georgine Kellermann hatte sich schon ein schwarzes Kostüm gekauft, das sie bei ihrer Abschiedsrede zur Pensionierung tragen wollte. Die letzte Ansprache vor den Kolleginnen und Kollegen beim WDR sollte nicht nur ein Abschied werden, sondern ein Neuanfang: "Ich wollte sagen, 'Leute, ich habe euch 40 Jahre etwas vorgemacht. Hier steht eure richtige Kollegin'", so Kellermann in der neuen Folge von Team A.
Die meisten Mitarbeitenden beim WDR kannten Georgine Kellermann schließlich als Mann. Als männlich gelesener Journalist hatte sie die vergangenen vier Jahrzehnte Karriere im öffentlich-rechtlichen Rundfunk gemacht, war als Reporter in Paris und Washington und leitete schließlich das WDR-Studio in Essen. Zu der Rede kam es nicht.

Astrid (Maier, Xing-Chefredakteurin) und Antonia (Götsch, Chefredakteurin des Harvard Business manager) – deshalb Team A – leiten seit Jahren Teams. Sie sprechen alle zwei Wochen mit Gästen aus Unternehmen und Universitäten offen über starke Führung und das, was Managerinnen und Manager umtreibt.
Kellermann offenbarte ihre Identität, Transfrau zu sein, eher zufällig kurz nach ihrer Beförderung zur Studioleiterin, als sie 2019 auf dem Weg in den Urlaub einer Kollegin begegnete. "Ab dieser Sekunde war Georg begraben. Er war weg, vorbei, es ging nicht mehr", so Kellermann im Podcast-Gespräch. Nach dem Urlaub kehrte Georgine zurück ins Büro.
Angelehnt an repräsentative Befragungen in den USA, geht die Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität e. V. davon aus, dass mindestens 0,6 Prozent der Menschen in Deutschland trans sind. Das käme einer Kleinstadt gleich. In den Büros, Kantinen oder Werkshallen hierzulande sieht man sie allerdings kaum. Das liegt nicht zuletzt am Arbeitsklima in Deutschland.
Doppelleben, um die Karriere nicht zu gefährden
Laut einer Studie der Harvard Business Review unter Transmenschen und gender-nonkonformen Mitarbeitenden trauen sich hierzulande nur 23 Prozent der Befragten, sich bei der Arbeit zu outen. Deutschland schneidet dabei unter den untersuchten Ländern mit am schlechtesten ab. Zum Vergleich: In Brasilien liegt die Quote bei 43 Prozent. Nur in Frankreich ist die Angst vor Diskriminierung noch größer. "Die deutsche Industrienorm ist auch eine Gesellschaftsnorm", sagt Kellermann im Gespräch.
Um ihre Karriere nicht zu gefährden, führte Kellermann selbst über Jahrzehnte ein Doppelleben. Bei der Arbeit, vor der Kamera und hinter dem Mikrofon gab sie sich als Mann. Zu Hause zeigte sie sich gegenüber Freunden und Freundinnen so, wie sie sich selbst empfand – als Georgine: "Ich habe Sorge gehabt, dass, wenn ich werde, wie ich bin, ich nicht mehr tun kann, was ich liebe." Heute ist die Journalistin eine der bekanntesten Transaktivistinnen in Deutschland.
Ihr Arbeitgeber, der WDR, habe sie nach ihrer Offenbarung 2019 "wertschätzend unterstützt". Hilfe sei damals "von allen, die Verantwortung für mich getragen haben", gekommen. Kellermann habe etwa sofort neue Visitenkarten, eine neue E-Mail-Adresse und viel Unterstützung bei allen organisatorischen und bürokratischen Aufgaben bekommen.
Wie wir inklusive Arbeitsplätze frei von Stereotypen und Geschlechternormen aufbauen können, darüber spricht Kellermann in der neuen Folge von Team A. Sie ist überzeugt, dass bei dem Thema Inklusion "viele Menschen in Deutschland schon sehr viel weiter sind, als manche Studie das belegt". Das gelte allerdings nicht unbedingt fürs Topmanagement: "Je höher die Menschen aufsteigen in der Hierarchie, desto mehr brauchen sie Normen wie eine Reling, um sich daran festzuhalten."
Das ganze Gespräch hören Sie hier in der aktuellen Folge von Team A.
Im ehrlichen Führungspodcast Team A sprechen die Chefredakteurinnen Antonia Götsch (Harvard Business manager) und Astrid Maier (Xing News) alle zwei Wochen mit Managerinnen und Managern, Gästen aus der Wissenschaft und dem Sport über Führung, Strategie und Management. Team A erscheint 14-täglich hier sowie auf Spotify und Apple im Podcast.