Schon bald wird die Straße selbstfahrenden Autos gehören. Die neue Technologie wird Fahrfehler reduzieren und dadurch Leben retten. Unfälle wird es jedoch weiterhin geben. Die Computer, die die Fahrzeuge steuern, müssen schwierige Entscheidungen treffen: Was ist, wenn ein Zusammenprall unausweichlich ist? Soll das Fahrzeug dann den Einzelnen retten, der es gerade nutzt, oder fünf Fußgänger? Sollte das Auto eher ältere oder jüngere Menschen verschonen? Zählt eine Schwangere für zwei Personen? Automobilhersteller müssen sich im Vorhinein mit solch schwierigen Fragen auseinandersetzen und die Autos für die entsprechende Reaktion programmieren.
Meiner Ansicht nach sollten sich Entscheider bei ethischen Fragen wie diesen von dem Ziel leiten lassen, den größtmöglichen Wert für die Gesellschaft zu schaffen. Diese Sichtweise, die sich auf die Werke von Philosophen wie Jeremy Bentham, John Stuart Mill und Peter Singer stützt, kann Managerinnen und Manager bei einer Vielzahl wichtiger Entscheidungen die notwendige Klarheit verschaffen. Einfache ethische Regeln wie "Du sollst nicht lügen" oder "Du sollst nicht betrügen" reichen dafür allerdings nicht aus.
Jahrhundertelang haben Philosophen darüber diskutiert, was moralisches Handeln ausmacht. Dabei haben sie Theorien aufgestellt, was Menschen tun sollten. In neuerer Zeit haben Verhaltensethiker aber untersucht, was Menschen tatsächlich tun, wenn sie vor einem ethischen Dilemma stehen. Diese Sozialwissenschaftler haben gezeigt: Unsere Umgebung und psychologische Prozesse können uns dazu verleiten, dass wir uns ethisch fragwürdig verhalten, sogar wenn wir mit diesem Verhalten unsere eigenen Wertvorstellungen verletzen.
Wir sind uns dessen oft nicht bewusst, wenn wir uns aus Eigeninteresse unethisch verhalten – ein Phänomen, das als "motivated blindness" bekannt ist (etwa "interessengeleitete Blindheit", eine Form selektiver Wahrnehmung – Anm. d. Red.). So behauptet ein Teammitglied beispielsweise, mehr zu Gruppenaufgaben beizutragen, als er oder sie es tatsächlich tut. Meine Kollegen und ich haben zudem zeigen können, dass Führungskräfte dazu neigen, unbewusst über schwerwiegendes Fehlverhalten hinwegzusehen, wenn es ihnen selbst oder dem Unternehmen nützt.
Wert maximieren
Mein Ansatz zur Verbesserung ethischer Entscheidungsfindung verbindet philosophische Gedanken mit wirtschaftswissenschaftlichem Pragmatismus. Grundsätzlich stehe ich zu den Grundsätzen des Utilitarismus, einer ursprünglich von dem englischen Sozialreformer Jeremy Bentham eingeführten philosophischen Richtung, die behauptet, ethisches Verhalten sei jenes Verhalten, das die "Nützlichkeit" in der Welt steigert – für die ich hier den Begriff "Wert" verwenden werde. Dazu gehört, das Wohlergehen insgesamt zu maximieren und den Schmerz insgesamt zu minimieren.
Diese Ziele lassen sich erreichen, wenn die Entscheidungsfindung effizient ist und moralische Entscheidungen ohne Rücksicht auf Eigeninteressen und ohne Stammesverhalten (wie Nationalismus oder Parteilichkeit) fallen. Vermutlich werden Sie im großen Ganzen diese Ziele teilen, auch wenn Sie eher zu philosophischen Richtungen neigen, die die Rechte des Einzelnen, Freiheit, Liberalismus und Selbstbestimmung im Blick haben. Selbst wenn Sie eine andere Sichtweise vertreten: Sie sollten innerhalb der Grenzen dieser Einstellung das Ziel anerkennen, so viel Wert wie möglich zu schaffen.