Management Schneller und besser entscheiden im Team

Nicht immer ist mehr auch besser: Das kollektive Wissen einer Gruppe ist nur dann von Vorteil, wenn es richtig eingesetzt wird
Foto: Tara Moore / Getty ImagesProbleme sind selten im Alleingang zu lösen. Wenn Sie im Unternehmen eine schwerwiegende Entscheidung treffen müssen, ist vermutlich eine ganze Gruppe an der Entscheidungsfindung beteiligt. Mehr Kollegen können schließlich auch mehr Wissen beisteuern und so am Ende eine bessere Lösung finden, oder? Nicht unbedingt. Einer Gründe dafür ist das Gruppendenken, in das viele Teams verfallen. Sie verlassen sich nur allzu gern auf die Meinung der Vorgesetzten und möchten Widersprüche verhindern: Statt sich in Diskussionen zu verheddern, möchten sie Entschlüsse lieber einträchtig fällen. So kommen Mehrheiten für Entscheidungen zustande, die letztlich kaum jemanden überzeugen. Kein Wunder, denn in Gruppen, die in erster Linie nach Harmonie streben, haben es falsch interpretiertes Expertenwissen und individuelle Vorurteile leicht, sich durchzusetzen.
Das bedeutet nicht, dass Entscheidungen nicht mehr von Teams gefällt werden sollten. Es bedeutet vielmehr, dass Sie den richtigen Entscheidungsprozess aufsetzen müssen. Basierend auf wissenschaftlichen Untersuchungen zur Verhaltens- und Entscheidungsforschung sowie unserer jahrelangen Erfahrung, haben wir sieben Maßnahmen entwickelt, die Entscheidungen in der Gruppe schneller und besser machen:
Halten Sie die Gruppe bei wichtigen Entscheidungen so klein wie möglich. Bei großen Gruppen ist die Wahrscheinlichkeit, dass vorurteilsgeprägte Entscheidungen getroffen werden, deutlich höher. Untersuchungen zeigen beispielsweise, dass Gruppen mit sieben oder mehr Mitgliedern anfälliger für Bestätigungsfehler sind. Anders gesagt: Je größer die Gruppe ist, desto eher neigen ihre Mitglieder dazu, sich auf Informationen zu stützen, die mit ihrem Kenntnisstand und ihren Überzeugungen übereinstimmen. Wenn Sie die Gruppe auf drei bis fünf Personen beschränken – eine gute Größe für intensive Gespräche –, können Sie dies vermeiden und dennoch von einer Vielfalt der Perspektiven profitieren.
Ziehen Sie (meistens) eine heterogene einer homogenen Gruppe vor. Verschiedene Studien zeigen, dass Gruppen vorurteilsbehafteten Entscheidungen neigen, wenn sie aus Personen mit homogenen Meinungen und Überzeugungen bestehen. Teams, die potenziell gegensätzliche Standpunkte vertreten, können Voreingenommenheit besser aushebeln. Dabei kommt es allerdings auf den Kontext an. Bei der Bewältigung komplexer Aufgaben, die unterschiedliche Fähigkeiten und Perspektiven erfordern, schneiden heterogene Gruppen wesentlich besser ab als homogene Gruppen. In diese Kategorie fallen wissenschaftliche Analysen oder die Entwicklung neuer Prozesse. Bei sich wiederholenden Aufgaben – wie der Kontrolle von Sicherheitsmaßnahmen in der Luftfahrt oder im Gesundheitswesen – erzielen homogene Gruppen jedoch oft deutlich bessere Ergebnisse. Chefs und Chefinnen sollten also vorab analysieren, um welche Art von Entscheidung es geht, bevor sie ein Team zusammenstellen.
Ernennen Sie den strategischen Gegenspieler (oder sogar zwei). Eine gute Möglichkeit, unerwünschtem Gruppendenken entgegenzuwirken, besteht darin, einen Gegenspieler zu ernennen. Diese Person hat die Aufgabe, einen konträren Standpunkt zum Gruppenkonsens zu entwickeln. Forschungen zeigen nämlich eindrücklich, dass Entschlüsse von höherer Qualität sind, wenn zumindest ein Teammitglied die Entscheidung der anderen hinterfragt. Bei Gruppen mit sieben oder mehr Mitgliedern sollten Sie mindestens zwei Gegenspieler ernennen. Andernfalls besteht die Gefahr, dass der Solist vom Rest der Gruppe als Nervensäge abgestempelt wird.
Sammeln Sie Meinungen anonym. Das kollektive Wissen einer Gruppe ist nur dann von Vorteil, wenn es richtig eingesetzt wird. Damit die unterschiedlichen Fähigkeiten Ihres Teams zur Geltung kommen, sollten Sie Meinungen einzeln einholen – und zwar bevor die Teilnehmenden ihre Gedanken in einer größeren Runde teilen. Hierzu bietet es sich an, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer darum zu bitten, ihre Ideen anonym in einem gemeinsamen Dokument festzuhalten. Danach soll die Gruppe die Vorschläge ebenfalls anonym bewerten. Durch diesen Prozess können Teams Vorurteilen entgegenwirken und dem Gruppendenken standhalten. Zudem stellt diese Maßnahme sicher, dass die Entscheidung unabhängig von Hierarchien, vermeintlichem Fachwissen oder verstecken Absichten getroffen wird.
Schaffen Sie einen sicheren Ort für Austausch. Damit Mitarbeitende ihre Einschätzungen offen äußern und sich an Diskussionen beteiligen, müssen sie sich darauf verlassen können, dass sie dafür nicht bestraft werden. Als Führungskraft sollten Sie deshalb Raum für einen respektvollen Austausch schaffen. Dafür sind drei Elemente grundlegend. Erstens: Bleiben Sie sachlich – konzentrieren Sie sich beim Feedback auf die Entscheidung oder diskutierte Strategie, nicht auf die Person. Zweitens: Eröffnen Sie Optionen – äußern Sie Kommentare als Anregung, nicht als Auftrag. Drittens: Zeigen Sie Wertschätzung – geben Sie Ihr Feedback so, dass es Einfühlungsvermögen beweist und zeigt, dass Sie die Teilnehmer für ihre Ansichten schätzen.
Verlassen Sie sich nicht zu sehr auf Experten. Fachleute können der Gruppe helfen, fundierte Entscheidungen zu treffen. Blindes Vertrauen in Experten kann eine Gruppe jedoch anfällig für unausgewogene Einschätzungen machen. Untersuchungen zeigen zudem, dass Teams dazu neigen, ihre Meinung an die des Experten anzupassen oder zu optimistische Urteile zu fällen. Bitten Sie Experten daher, ihre Meinung zu einem klar definierten Thema abzugeben, und positionieren Sie sie gegenüber der Gruppe als informierte Außenseiter.
Teilen Sie die Verantwortung. Die Entscheidungsfindung kann jedoch auch noch durch andere Elemente beeinflusst werden. Dazu zählt etwa die Wahl der Person, die die Entscheidung nach außen kommuniziert. Wir beobachten häufig, dass es eine einzige Führungskraft ist, die für alles verantwortlich ist. Sie muss die Gruppenmitglieder auswählen, die Organisation der Tagesordnung übernehmen und auch die Ergebnisse übermitteln. Dies führt dazu, dass die individuellen Vorlieben und Vorurteile dieses Menschen die Entscheidung des ganzen Teams beeinflussen. Die Forschung zeigt, dass sich dies vermeiden lässt, wenn unterschiedliche Gruppenmitglieder entsprechend ihren Fachkenntnissen Rollen übernehmen. Wirklich erfolgreich ist ein solcher Prozess allerdings nur dann, wenn sich alle Beteiligten für die getroffene Entscheidung verantwortlich fühlen. Ein Weg dahin sind Verantwortungserklärungen, die gemeinsam vom Team aufgesetzt werden. Dadurch verlieren Hierarchien innerhalb der Gruppe an Bedeutung, der Gedankenaustausch wird offener, und die Entscheidung wird auch von jenen mitgetragen, die vielleicht eine andere Option vorgezogen hätten.
Natürlich sind die hier beschriebenen Maßnahmen keine Garantie für eine perfekte Entscheidung. Aber je besser Sie den Entscheidungsprozess gestalten, desto besser ist die Interaktion zwischen den Gruppenmitgliedern – und desto größer sind die Chancen auf ein gutes Ergebnis. © HBP 2023