Stationäre Einzelhändler greifen im Zeitalter des Onlineshoppings in ihrem Kampf ums Überleben auf eine althergebrachte Strategie zurück: Sie kürzen die Personalausgaben. So ist die Zahl der Mitarbeiter pro Ladengeschäft in US-Warenhäusern in den vergangenen zehn Jahren um mehr als 10 Prozent gesunken. Parallel dazu fielen die Lohnkosten je Mitarbeiter um 4 Prozent.
Und es sind nicht nur die Löhne, die zurechtgestutzt werden: Auch die Budgets für Aus- und Weiterbildungen wurden ausgedünnt. Wie eine Umfrage des Schulungssoftwareherstellers Axonify belegt, erhält fast ein Drittel der Mitarbeiter im Einzelhandel keine formale Ausbildung. Das ist das größte Defizit aller untersuchten Branchen. Läden knapp zu besetzen und Mitarbeiter schlecht auszubilden war noch nie eine gute Idee. In der gegenwärtigen Situation hat diese Praxis allerdings besonders schwerwiegende Folgen. Schließlich schwindet damit der größte Vorteil, den traditionelle Ladengeschäfte gegenüber Internethändlern haben: der Kontakt zu echten Menschen, mit denen sich Kunden von Angesicht zu Angesicht austauschen können.
Die Wurzel des Problems ist mangelnde Information: Die meisten Einzelhändler wissen gar nicht, wie sie den optimalen Bedarf an Personal und Weiterbildung für ihre Läden bestimmen können. In diesem Artikel stellen wir eine Methode vor, um das Problem zu lösen. Mit ihrer Hilfe lässt sich der Umsatz bereits bestehender Läden um bis zu 20 Prozent steigern – vorausgesetzt, sie wird systematisch angewandt. Das zeigen unsere Untersuchungen.
Dabei verursacht die Umsatzsteigerung keine oder nur sehr geringe Mehrkosten, wenn die Aufstockung beim Personal in ausgewählten Läden durch eine Personalreduzierung in anderen Geschäften flankiert wird – und wenn die Hersteller die Kosten für Produktschulungen übernehmen. Der größte Teil der durch die Verbesserungen erreichten Bruttogewinne bleibt also unterm Strich erhalten.
Die Mängel bisheriger Methoden
Es ist durchaus nachvollziehbar, dass stationäre Händler ihre Personalkosten als unnötigen und variablen Posten betrachten: Bei den allermeisten ist die Kostenposition für Mitarbeiter die zweithöchste überhaupt. Und sie lässt sich schnell drücken, indem Unternehmen ihren vielen Teilzeitkräften einfach weniger Arbeitsstunden zuteilen. Dabei gerät jedoch nur allzu schnell aus dem Blick, dass es die Verkäufer sind, die den Verkauf ankurbeln. Für jeden Dollar, den ein Einzelhändler beim Personal spart, gehen ihm womöglich mehrere Dollar Umsatz und Bruttogewinnspanne verloren. Etwa dann, wenn Kunden das Geschäft mit leeren Händen verlassen, weil sie keinen sachkundigen Mitarbeiter finden konnte, der sie berät. Daraus kann sich leicht eine gefährliche Abwärtsspirale entstehen: Durch die dünnere Personaldecke verschlechtert sich der Kundendienst; der Umsatz sinkt, und das Unternehmen reagiert darauf mit weiteren Einsparungen beim Personal. So geht es immer weiter, bis Läden schließen müssen. Im Jahr 2017 blieben in den USA so viele Einzelhandelsgeschäfte wie noch nie auf der Strecke: 7795 Läden schlossen für immer ihre Türen.
Hinter dieser verlustreichen Personalstrategie steckt irregeleitetes Denken, das an den Business Schools beginnt. Wir bringen unseren Studenten bei, Unternehmen über Zahlen zu steuern. Das ist prinzipiell kein schlechter Ansatz. Allerdings verführt er Geschäftsleute dazu, sich zu sehr auf Dinge zu konzentrieren, die leicht zu bemessen sind, und sich zu wenig mit Sachverhalten zu beschäftigen, die sich nicht so ohne Weiteres fassen lassen.