Best Practice Die Ausnahmen und die Regel

Eine Strategie zu entwickeln ist vergleichsweise einfach. Sie umzusetzen artet jedoch fast immer in mühsame Kleinarbeit aus. Unsere fünf Gesprächspartner von E-Plus, Bayer, MVV Energie, BMW und FriendScout24 können ein Lied davon singen: Sie sind in ihren Unternehmen dafür verantwortlich, dass aus neuen Ideen handfeste Projekte und effizientere Prozesse werden. Wie schwierig diese Aufgabe ist, beweist eine aktuelle Studie des Instituts für die Entwicklung zukunftsfähiger Organisationen an der Universität der Bundeswehr München und des Beratungsunternehmens Mutaree: 44 Prozent aller Change-Projekte scheitern demnach ganz oder teilweise – vor allem weil die Wahrnehmung zwischen Management und Mitarbeitern stark auseinandergeht. Wie gehen unsere Gesprächspartner mit diesem Dilemma um? Und inwieweit orientieren sie sich an John P. Kotters Vision einer sich permanent wandelnden Organisation? Lesen Sie selbst!
ist Leiterin der Abteilung Change-Management.
Unternehmen: E-Plus
Branche: Telekommunikation
Umsatz 2011: 3,23 Mrd. Euro
Mitarbeiter: 4650
Im Chaos des Wandels setzt der Mobilfunknetzbetreiber E-Plus vor allem auf Aufklärung und Beteiligung. Bei der Einführung eines neuen Computersystems wirken Mitarbeiter aktiv mit. Sie sind so besser vorbereitet – und teilen im Gegenzug ihr Fachwissen.
Die Anforderungen, die an Change-Manager gestellt werden, sind paradox: Einerseits sollen wir Veränderungen vorantreiben, andererseits muss das Alltagsbusiness weitergehen. Der ständige Rollenwechsel zwischen Geburtshelfer und Herbergsvater ist eine Herausforderung. Nehmen Sie unser aktuelles Change-Projekt: Um fit für die Zukunft zu sein, baut E-Plus in drei Jahren seine gesamte IT-Landschaft um. Es ist ein Business-Transformationsprojekt mit deutlichen Auswirkungen auf Arbeitsabläufe und Verantwortlichkeiten. Natürlich lösen die Veränderungen teilweise Verunsicherung bei den Mitarbeitern aus, trotzdem führt kein Weg daran vorbei. Und genau hier kommen wir ins Spiel: Unsere Aufgabe ist es, der Belegschaft schon im Vorfeld Ängste zu nehmen, Chancen aufzuzeigen und die Voraussetzungen zu schaffen, die die Umstellung nachhaltig im Unternehmen verankern.
Für mich sind im Change-Management zwei Aspekte besonders wichtig: Zum einen funktionieren Veränderungen immer nur mit den Menschen, nie ohne sie. Deshalb geht auch kein Weg an einer großen Teilhabe – im Idealfall über alle Hierarchien hinweg – vorbei. Auch wenn die Verantwortung für die Umsetzung einer neuen Strategie auf den oberen Etagen verankert ist: Ohne die Unterstützung der Belegschaft kann ein Chef noch so sehr neue Werte predigen – passieren wird wenig. Ein Unternehmen ist immer nur so fortschrittlich, innovativ oder wandlungsfähig wie die Summe seiner Teile. Zum anderen brauchen wir in unserer heutigen volatilen Welt neue agile Methoden, um Strategien umzusetzen.
Ein Beispiel ist die Projektmanagementmethode Scrum, deren Prinzipien auch auf das Gesamtunternehmen angewendet werden können und sich im "radical management" wiederfinden. Sie erinnern an die Arbeitsprozesse des von John Kotter skizzierten agilen Strategienetzwerks. Die Grundzüge: Scrum funktioniert ohne die klassischen Hierarchien. Es gibt keine typischen Projektleiter, sondern selbst organisierte Teams. Der Scrum-Master sorgt nur dafür, dass das Team arbeitsfähig ist. Die Ziele werden von einem Productowner vorgegeben. Das geht in die Richtung von Leadership, die Kotter einfordert. Und solche Werkzeuge brauchen wir, wenn Menschen jenseits der traditionellen Grenzen von Organisationen und Hierarchien zusammenarbeiten und kurzfristig Neues etablieren sollen. Solche Formen der Zusammenarbeit rütteln jedoch in vielen Unternehmen am Sockel der etablierten Unternehmens- und Führungskultur.
Wichtig ist hier, die Change-Management-Instrumente an das jeweilige Unternehmen anzupassen. Als ich im März 2012 zu E-Plus kam, war ich beeindruckt, wie engagiert und zahlreich sich die Kollegen an unserem Projekt beteiligten. Insofern ist Kotters "Armee der Freiwilligen" auch so etwas wie ein Gradmesser für die Beteiligung. Aber man darf an diesem Punkt nicht aufhören, sondern muss darüber hinaus auf alle Stakeholder, auch in den Führungsebenen, zugehen. Bei uns hat jeder Mitarbeiter, für den sich unmittelbar eine Veränderung ergibt, einen persönlichen Coach und Ansprechpartner, der ihm bei der Umsetzung hilft. Wenn man Change-Management als Methode begreift, um auf Arbeitsebene Veränderungen zielgerichtet zu ermöglichen, dann entscheidet sich daran der Erfolg neuer Strategien. Es geht dabei zwar auch um Befindlichkeiten, aber genauso wichtig ist es, auf operativer Ebene die technischen und organisatorischen Voraussetzungen für Veränderungen im Business zu schaffen und den Benefit nachzuweisen. Nur dann ergibt sich aus der Change-Management-Disziplin ein direkter Nutzen für das Unternehmen.
ist Vice President and Global Head of Change Management.
Unternehmen: Bayer
Branche: Chemie/Pharma
Umsatz 2011: 36,5 Mrd. Euro
Mitarbeiter: 112 000
Der Bayer-Konzern hat sich im vergangenen Jahrzehnt grundlegend gewandelt. Nach der Lanxess Abspaltung und dem Aufkauf von Schering steht derzeit die Expansion in Asien auf dem Programm Um die Herausforderungen zu meistern, setzt das Unternehmen auf den Kaskadeneffekt.
Unser Ansatz hat zwei Schwerpunkte: Zunächst entwickeln wir eine klare und überzeugende Argumentation für die Veränderung – warum sie notwendig ist und wie sie zur langfristigen Unternehmensvision passt. Diese Begründung kommunizieren die Manager kaskadenförmig in alle Ebenen. So wollen wir Offenheit und Unterstützung für die notwendigen Veränderungsprozesse schaffen. Wir starten mit einem Workshop auf der Senior-Executive-Ebene. Dann folgen die nächsten Stufen in der Organisation. Die Vorgesetzten erläutern ihren Mitarbeitern ausführlich, warum der Wandel notwendig ist und wie er realisiert werden soll. Ich habe während eines solchen Prozesses großartige Dinge erlebt: Wenn Mitarbeiter sehen, dass ihr Chef Verantwortung übernimmt und sich persönlich einsetzt, wollen sie ebenfalls ihren Teil beitragen.
So wird das freiwillige Engagement immer größer. Meines Erachtens ist im Change-Prozess entschlossene Führung entscheidend. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass der größte Treiber für erfolgreiche Veränderungen das persönliche Engagement einer Führungskraft ist. Und da Mitarbeiter in einer persönlichen Beziehung zu ihrem Vorgesetzten stehen, gewinnen Veränderungen, die eine enthusiastische Führungspersönlichkeit vorantreibt, auch schnell Unterstützer. Jeder soll sich mit eigenen Ideen in den Prozess einbringen können – spezielle Workshops bieten dafür einen idealen Rahmen. Eine Besonderheit unseres Ansatzes sind Diskussionsveranstaltungen, in denen der erreichte Fortschritt untersucht und weiterer Veränderungsbedarf ermittelt wird.
Wir fragen die betroffenen Mitarbeiter: Welche Probleme gibt es, und was braucht ihr, um diese zu lösen? Insgesamt streben wir eine offene, kommunikative Atmosphäre an. Die beteiligten Führungskräfte übernehmen als Change-Agents die Hauptverantwortung im Veränderungsprozess. Human Resources (HR) verstärkt das Projektteam und hilft den Managern bei der Veränderungskommunikation. HR ist zudem entscheidend dafür verantwortlich, dass die erreichten Erfolge langfristig erhalten bleiben. Wir versuchen deshalb, die angestrebten Veränderungen auch in unseren HR-Systemen wie dem Performance-Management zu verankern und beispielsweise auch Beförderungen von einem erfolgreichen Veränderungsprozess abhängig zu machen.
In unserem Ansatz gibt es drei Erfolgsfaktoren: Wir legen Wert auf eine unmittelbare Wirkungsanalyse im Dialog mit den Beteiligten. Wir schaffen globale Change-Communities. Und wir fördern den direkten Austausch, indem wir die gesamte Hierarchie verpflichten, eine aktive Führungsrolle zu übernehmen. So vermeiden wir die Ausgrenzung des mittleren Managements. Ich selbst habe kein formelles Change Management-Team, sondern trage als Berater und Coach die Erfahrungen anderer zusammen. Dabei arbeite ich mit den Change-Spezialisten unserer Inhouse Consulting und unserer Trainingsabteilung zusammen. Aber die eigentliche Veränderungsarbeit leisten die Manager und die Mitarbeiter in der Linienorganisation. Letztlich geht es darum, Leidenschaft zu entfachen und Leute zu begeistern – für den Wandel.
ist Leiterin Personalentwicklung.
Unternehmen: MVV Energie
Branche: Versorger
Umsatz 2011: 3,6 Mrd. Euro
Mitarbeiter: 5900
Die Energiewende zwingt Stromversorgern ein neues Geschäftsmodell auf – und bringt hohe Belastungen für die Beschäftigten mit sich. Beim Mannheimer Anbieter MVV Energie tüfteln die Mitarbeiter selbst Lösungen aus. Ein wachsendes Netzwerk ausgebildeter Change-Agents unterstützt sie dabei.
Damit Veränderungen Erfolg haben, müssen wir die Mitarbeiter mitnehmen. Dazu brauchen wir Menschen vor Ort, auch im mittleren Management. Doch wie funktioniert das? Unsere Antwort: Wir bauen ein Netzwerk von Change-Agents auf. Dafür haben wir eine eigene Ausbildung eingerichtet:In neun Monaten bilden sich Mitarbeiter an 16 Schulungstagen weiter. Sie bearbeiten Fallstudien und erlernen neue Kompetenzen. Sie müssen mentale Modelle erkennen können, ihre eigenen und die der Kollegen. Auf dem Programm stehen auch Selbstorganisation, Konfliktmanagement und Glaubenssatzarbeit – wie eigene Überzeugungen beim Umgang mit Menschen helfen oder im Weg stehen.
Die Change-Agents bilden ein wachsendes Netzwerk im Unternehmen. Die Teilnehmer kommen aus allen Bereichen, etwa aus der Revision, der Innovationsabteilung, dem Einkauf oder dem Personalrat. Mitarbeiter können sich um einen Weiterbildungsplatz bewerben. Manche sprechen wir an, weil sie an Schnittstellen zwischen den Geschäftsfeldern sitzen. Oft empfehlen auch Führungskräfte geeignete Mitarbeiter. Die Change-Agents haben bei uns große Freiheiten. Sie arbeiten auf ihrem alten Posten weiter, nehmen aber eine neue Haltung zum Unternehmen ein. Sie unterstützen Führungskräfte bei Veränderungsprozessen. Es gibt auch regelmäßige Treffen, auf denen sie Erfahrungen austauschen. Ihr Netzwerk überbrückt so Hierarchien. Das Wichtigste ist für mich die Neutralität der Change-Agents. Nur so können sie glaubhafter als Führungskräfte vermitteln, dass auch Unkenrufe und Kritik willkommen sind.
Denn ihre Aufgabe ist es, aus Betroffenen Beteiligte zu machen. Sie sind es auch, die Multiplikatoren über sogenannte Sounding Boards rekrutieren. Das sind Freiwilligen-Workshops, die als Stimmungsbarometer dienen. Die Change-Agents laden wichtige Mitarbeitergruppen ein und moderieren die Veranstaltungen. Sie sorgen dafür, dass sich alle Teilnehmer einbringen können. Wandel geschieht permanent, Change-Management ist eine ständige Aufgabe. Ich würde daher nicht von einer Aneinanderreihung von Projekten sprechen. Die Realität ist: Sobald wir eines beenden, haben schon fünf weitere begonnen. Ich halte aber wenig von Plattitüden wie: Das einzig Konstante ist die Veränderung.
Nicht jeder Wandel ist gut, vieles ist bewahrenswert. Veränderung um der Veränderung willen darf nicht sein. Ich finde, es muss Zeit für Reflexion bleiben. Diesen Platz bieten die Sounding Boards. Beim Change-Management darf ich nicht den Eindruck erwecken, dass die Unternehmensspitze von oben herab Veränderungen diktiert. Um dieses Verständnis dem Topmanagement nahezubringen, haben wir unser Konzept in das Führungskräfte-Entwicklungsprogramm integriert. Außerdem laden wir Vorstände ein, bei Workshops mitzudiskutieren. Seit November 2011 läuft bei uns im Bereich Technik ein Betriebsoptimierungsprogramm. Die Change-Agents mobilisieren die Mitarbeiter und strukturieren ihre Mitwirkung. Sie reden mit den Kollegen, damit die Gerüchteküche nicht überhandnimmt, und leiten Workshops. So gewinnt der Veränderungsprozess an Zustimmung. Mit 47 Change-Agents ist der Sättigungsgrad für mich noch lange nicht erreicht. Doch der Ansatz zahlt sich schon jetzt aus.
ist Leiterin Change-Management, Konzepte und Methoden.
Unternehmen: BMW
Branche: Automobil
Umsatz 2011: 68,82 Mrd. Euro
Mitarbeiter: 104 000
Vernetzen ja, aber nicht um des bloßen Vernetzens willen. Beim bayerischen Automobilhersteller BMW ist Change Management eine Führungsaufgabe. Deswegen setzt das Unternehmen auf disziplinübergreifende Führungskoalitionen.
Das eine und immer gültige Change-Management-Vorgehen existiert meiner Meinung nach nicht. Wie auch? Es gibt die unterschiedlichsten Auslöser für Veränderungsprozesse. Sie können als Reaktion auf externe Anforderungen des Marktes erfolgen oder aus der Organisation kommen, etwa durch Innovations- oder Kooperationsprojekte. Eines vereint jedoch alle Initiativen: Change-Management ist aus unserer Sicht eine klare Führungsaufgabe. Die Verantwortung für die Umsetzung liegt in den Chefetagen. Dafür ist zunächst ein gemeinsames Bewusstsein für die Notwendigkeit und die Ziele der Veränderung zu schaffen. Mitarbeiter zu Change-Agenten zu ernennen ergibt nur Sinn, wenn die Führung hinter ihnen steht.
Das heißt jedoch nicht, dass wir bei der Umstellung auf eine neue Strategie nur den klassischen Weg über die Hierarchie wählen. Das ist – in einem sich immer schneller wandelnden Umfeld – zu langsam. Wir setzen auch auf interdisziplinäre Netzwerke. Als wir etwa unsere Unternehmensstrategie "Number ONE" implementierten, haben wir neben der klassischen Kommunikation ein neues, innovatives Vernetzungsformat für Führungskräfte entwickelt, die "Number ONE on Tour". In mehr als 75 ganztägigen Workshops hatten weltweit über 8000 Führungskräfte aller Ebenen und Funktionsbereiche die Chance, das neue Selbstverständnis – vom Automobilproduzenten zum Mobilitätsanbieter – vertieft und erlebnisorientiert kennenzulernen.
Erste Ergebnisse der Strategie lagen zum "Anfassen" bereit, Umsetzungsideen und -beiträge wurden diskutiert und vernetzt. Das Besondere war, dass die Workshops direkt in ressort- und hierarchieübergreifenden Managementteams vorbereitet und präsentiert wurden. Die hohe Diskussionsqualität, die entstandene Aufbruchstimmung und das Commitment zur Strategie waren auch ein Resultat der intensiven und zeitlich dichten Vernetzung. Im Arbeitsalltag bleibt dafür oft zu wenig Zeit. Dieses Commitment – man kann von einer Führungskoalition sprechen – war entscheidend, um die Strategieinhalte und den "Spirit" für eine erfolgreiche Zukunft gemeinsam mit den Mitarbeitern in der richtigen Mischung aus Mut, Herz und Verstand zu gestalten. Die Art der Auseinandersetzung mit der Unternehmensstrategie hat Einfluss auf deren spätere Umsetzung. Nur wenn Führungskräfte und Mitarbeiter ein gemeinsames Verständnis von der Unternehmensstrategie haben, können sie diese unterstützen und sich selbst organisiert vernetzen.
Komplexe Veränderungsthemen können nicht nur über die klassischen Wege in Organisationen gebracht werden. Was das Change-Management bei BMW von dem in anderen Konzernen unterscheidet? Zum einen schauen wir uns ab einer gewissen Komplexität und Größenordnung gemeinsam mit der Konzernstrategie und der Organisationsentwicklung die einzelnen Veränderungsinitiativen an, um zu entscheiden, welche unserer Unterstützung bedürfen und wo sich unsere Beratung als Return-on-Invest lohnt. Zum anderen wird Change-Management nicht als "nice to have", sondern als notwendige Unterstützung zur Zielerreichung angesehen. Ich halte wenig von Change-Management nach dem Gießkannenprinzip. Wir – insgesamt sind wir 28Kollegen – setzen unsere Beratung sehr gezielt ein: mit einem ganzheitlichen Ansatz, ausgerichtet an den zu erzielenden Geschäftsergebnissen und auf Basis unserer Unternehmenswerte und Stärken.
CEO
Unternehmen: FriendScout24
Branche: Online-Partnerbörse
Umsatz 2011: keine Angabe
Mitarbeiter: 150
Kein Wirtschaftszweig ist so schnelllebig wie die Internetbranche. Wer sich in selbstzufriedener Harmonie ausruht, verliert im Wettbewerb rasch den Anschluss. Friendscout24 trimmt die Belegschaft daher auf permanenten Wandel. Das bringt Verantwortung für die Mitarbeiter mit sich.
Wenn John Kotter permanenten Wandel fordert, spricht er mir aus der Seele. Zwar richtet er den Blick auf Konzerne, doch die gleichen Grundsätze gelten erst recht für kleine und mittlere Unternehmen. Früher verstand man Change-Management als Prozess, heute greift diese Definition zu kurz. Ein Prozess hat einen Anfang und ein Ende. Doch für mich ist Veränderung ein Dauerzustand. Als ich im April 2008 Geschäftsführerin bei FriendScout24 wurde, war das Unternehmen noch stark von der romantischen Post-Start-up-Phase geprägt: Flache Hierarchien, Zufriedenheit mit dem Erreichten, Harmonie. Das Unternehmen war Marktführer, der Umsatz stieg – Veränderungen schienen nicht nötig zu sein.
Nur wer genau hinsah, erkannte, dass dieser Zustand nicht von Dauer sein konnte. In der Online-Branche entwickeln sich Trends, Technologien und die Globalisierung des Wettbewerbs in rasantem Tempo. Dieser Dynamik waren unsere Arbeitsprozesse nicht gewachsen, schließlich gelang es uns nur einmal im Quartal, neue Produkte online zu stellen. Eindeutig zu langsam. Um an Tempo zu gewinnen, mussten wir die Start-up-Romantik hinter uns lassen, klare Strukturen einführen und Verantwortung verorten. Zentral war der Aufbau eines mittleren Managements, einer Führungscrew, die den stetigen Wandel dynamisch voranbringt.
Mit diesem Team konnten wir den Produktionsprozess neu denken: Wir haben uns vom Wasserfallmodell verabschiedet und mit Scrum und Kanban agile Arbeitsweisen eingeführt. In integrierten Teams zusammenzuarbeiten bedeutete für die Mitarbeiter eine gewaltige Umstellung. Plötzlich saßen IT, Produktentwicklung, Marketing und Business Intelligence an einem Tisch. Veränderung empfindet nicht jeder als positiv. Manche sind deshalb gegangen. Stabilität ist für Menschen oft ein wichtiger Wert. Doch die kreative Unruhe hat nicht nur neue Ideen entstehen lassen, sondern auch Persönlichkeiten. In unserer Branche müssen nicht nur 10 Prozent der Mitarbeiter Change-Agents sein, sondern 90 Prozent. Um das zu erreichen, investierten wir stark in Weiterentwicklung. Jeder Mitarbeiter verbringt heute im Schnitt fünf Tage in Schulungen und Coachings.
Damit Mitarbeiter im Wachstum zu Beteiligten werden, muss ein Unternehmen Orientierung geben. Wir informieren in regelmäßigen Meetings über Geschäftszahlen, Erfolge und Misserfolge sowie unsere Strategie. Durch die transparente Kommunikation weiß jeder, dass sein Beitrag bedeutsam ist. In dem Moment, in dem sich Mitarbeiter als Mitunternehmer fühlen, übernehmen sie Verantwortung, bringen sich ein und halten auch Kontroversen aus. Eine offene Diskussionskultur ist meines Erachtens ein wichtiger Motor für Fortschritt. Wir sind gut mit unserer Kultur des permanenten Wandels gefahren: Beim Mitarbeiter-Commitment Index liegen wir inzwischen im Spitzenfeld deutscher Unternehmen. Kotters Forderung nach permanentem Wandel ist bei uns gelebte Realität: Change ist zur DNA von FriendScout24 geworden.
© 2012 Harvard Business Manager
Dieser Artikel erschien erstmals in der Dezember-Ausgabe 2012 des Harvard Business managers.
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