Harvard Business manager: Sie schreiben seit Jahrzehnten über Motivation und gute Zusammenarbeit. Hat sich 2020 unsere Sicht darauf verändert, was gute Führung ausmacht?

Daniel Pink: Ich bin nicht sicher. Wenn ich zwischen Ja und Nein wählen müsste, würde ich eine Münze werfen. Der Optimist in mir sagt, dass sich die Dinge verändert haben. Es ist bemerkenswert: Vor 20 Jahren habe ich im Buch "Free Agent Nation" geschrieben, dass die Menschen künftig für sich selbst statt für Unternehmen arbeiten. Damals sagten alle, ich sei verrückt. CEOs erklärten, dass ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter niemals von zu Hause aus arbeiten würden. Die Idee des Homeoffice wurde über Jahrzehnte verschmäht. Dann kam Corona – und innerhalb von drei Tagen funktionierte es auf der ganzen Welt.

Was folgern Sie daraus?

Dass Führungskräfte ihren Mitarbeitern vertrauen sollten. Das sollte ihre Grundeinstellung sein – und nicht Misstrauen, wie es in den USA und Europa bisher oft der Fall war. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollten nicht erst beweisen müssen, dass man ihnen trauen kann – man sollte ihnen ganz grundsätzlich erst einmal vertrauen. Das würde die Arbeitswelt deutlich verbessern. Das Homeoffice war während der Pandemie eine Art riesiges internationales Vertrauensexperiment, in dem die Teilnehmer weltweit bewiesen haben, dass man ihnen vertrauen kann. Es wäre verrückt, jetzt wieder eine Rolle rückwärts zu machen.