Topmanager im Gespräch
Wie sieht die neue Normalität aus?
In einem virtuellen Roundtable-Interview sprechen fünf Chefs namhafter Unternehmen über die neue Geschwindigkeit im Management, die wahrscheinlichen Gewinner der Krise und Videocalls mit Haustieren.
Geoff Martha, CEO von Medtronic (l.) und Tory Burch, Gründerin, Designerin und Executive Chairman bei Tory Burch
Illustrationen: Nigel Buchanan
Noch nie haben wir für dieses Magazin eine Roundtable-Diskussion vollständig digital abgehalten. Damit passt die Interviewform perfekt zu den merkwürdigen vergangenen Wochen. Während des Gesprächs scherzte die Modeschöpferin und Unternehmerin Tory Burch, dass sie sich für den Videocall nach Wochen in Jogginghosen endlich mal wieder aufgebrezelt habe. McKinsey-Chef Kevin Sneader erreichten wir am Küchentisch seiner Schwiegereltern. Nancy McKinstry, CEO des niederländischen Informationsdienstleisters Wolters Kluwer, und Geoff Martha, Chef des Medizintechnikanbieters Medtronic, hatten Schwierigkeiten mit der Internetverbindung. Glücklicherweise konnte Chuck Robbins, CEO von Cisco Systems (dem der Videokonferenzanbieter Webex gehört), spontan technische Hilfe leisten. Zusammengenommen führen diese fünf CEOs rund 217.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in aller Welt.
Das Gespräch fand im April statt, vieles erscheint heute schon ein Stück entfernt. Dennoch fanden wir die Diskussion so spannend, lehrreich und intim, dass wir sie mit Ihnen teilen wollen.
Dies ist ein außergewöhnlicher Moment in der Geschichte. Welche Eigenschaften braucht eine erfolgreiche Führungspersönlichkeit jetzt?
Kevin Sneader: Sie sollte größeren Wert auf Offenheit legen als auf Charisma. Das ist manchmal schwer zu ertragen. Ich würde gern optimistisch sein, aber es gibt Dinge, die wir nicht wissen, und Dinge, die passieren könnten oder auch nicht. Daher habe ich momentan immer den Begriff "begrenzter Optimismus" im Kopf. Das ist auch eine Chance, dem Chaos einen Sinn zu verleihen.
Chuck Robbins: Die Leute wollen sehen, dass Unternehmensführer sich menschlich verhalten. Ich sage das meinem Team immer wieder: Jetzt ist die Zeit für Führung, nicht für Management. Bleibt ruhig, strahlt realistischen Optimismus aus, zeigt euch und seid sichtbar.
Sneader: Ich stimme Ihnen zu, was die Menschlichkeit angeht. Als die Krise losging, habe ich im Unternehmen jede Menge Botschaften rausgeschickt, die mit Informationen vollgepackt waren. Aber als meine Mutter in dieser Zeit ihren 80. Geburtstag feierte, habe ich ein Foto von ihr mit ihrer Geburtstagstorte angehängt. Dadurch fühlten sich andere Mitarbeiter ermutigt, Bilder zu schicken, und alle waren anschließend viel engagierter. Eine Gruppe von Mitarbeitern hat für ein Videomeeting sogar ihre Haustiere zusammengeschaltet. Ich bin mit meinen beiden Katzen aufgetaucht, aber gegen den Typen mit dem Pferd hatte ich keine Chance! So haben wir einander auf ganz neue Art kennengelernt. Daher fühle ich mich auf gewisse Weise stärker mit den Kolleginnen und Kollegen verbunden, als wenn wir uns physisch getroffen hätten.
Tory Burch: Wir müssen unsere Strategie beibehalten, aber gleichzeitig flexibel und agil sein. Für Führungskräfte ist es wichtig, sich verletzlich und gleichzeitig optimistisch zu zeigen – und einzugestehen, dass diese Situation für alle schwer ist. Die derzeitige Unsicherheit wirft die Leute wirklich aus der Bahn. Aber es hilft ihnen, wenn sie ein fokussiertes Managementteam erleben, das regelmäßig kommuniziert. Die Menschen wollen einen authentischen Dialog und Transparenz.
Nancy McKinstry: Hier bei Wolters Kluwer steht beim Thema Führung vor allem die Kommunikation im Mittelpunkt. Gerade befinden wir uns in einer Phase, in der wir fast zu viel mit unseren Mitarbeitern und Kunden kommunizieren. Wir wollen, dass alle auf dem Laufenden bleiben, dass sie wissen, welche Richtung wir einschlagen und dass wir auf Probleme eingehen. An zweiter Stelle geht es um Prioritäten. In den Gesprächen mit meinem Führungsteam diskutieren wir nicht in erster Linie über Kostensenkungen oder Markteintrittsstrategien, sondern darüber, wie wir alle dazu bekommen, sich auf die strategischen Prioritäten zu konzentrieren. Und drittens geht es darum, anpassungsfähig zu bleiben. Die Welt verändert sich jeden Tag, und wir müssen uns immer wieder fragen: Wie können wir unsere Kundinnen und Kunden unterstützen? Wie können wir unser Gemeinwesen unterstützen? Wir müssen Bürokratie abbauen, die Dinge sehr schnell angehen und operativ agil handeln.
Geoff Martha: Ähnlich wie bei den anderen hier ist Kommunikation auch bei Medtronic ein wichtiger Faktor. Wir haben die Krise in drei Phasen unterteilt: den Shutdown, die Erholungsphase und die neue Normalität. Für jede Phase haben wir klare Prioritäten und einen Entscheidungsrahmen entwickelt. Wir können schließlich nicht alles an der Spitze entscheiden, daher ist es wichtig, eine solche Hilfestellung anzubieten.
„Nicht um die Welt zu fliegen und jede Nacht im selben Bett zu schlafen war eine außergewöhnliche Erfahrung für mich.“
Chuck Robbins, Chairman und CEO von Cisco Systems
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Geoff Martha, CEO von Medtronic (l.) und Tory Burch, Gründerin, Designerin und Executive Chairman bei Tory Burch
Illustrationen: Nigel Buchanan
Nancy McKinstry, CEO Wolters Kluwer
Foto: Illustration: Nigel Buchanan
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8/2020
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