Wie man Dienstleistungsunternehmen effektiver führt Strategie in Dienstleistungsunternehmen
DAN R. E. THOMAS ist Assistenzprofessor für Business Administration an der Harvard Business School.
Vielen Managern von Dienstleistungsunternehmen ist genau bekannt, daß das Strategiemanagement (darunter verstehe ich den gesamten Prozeß der Auswahl und der Umsetzung einer Unternehmensstrategie) in ihren Unternehmen ganz anders geartet ist als in der Industrie. Dieser Artikel untersucht, wie Dienstleistungsunternehmen sich von produktionsorientierten Firmen unterscheiden und warum sie eine anders geartete Strategie erfordern. Ein Dienstleistungsunternehmen ist ein Unternehmen, in dem der Verkauf von Dienstleistungen den wesentlichen Geschäftszweck darstellt. Diese Definition erweist sich als wichtig, weil in fast allen Branchen bis zu einem gewissen Grad auch Dienstleistungen verkauft werden. In einem reinen Dienstleistungsunternehmen stellt aber die Übereignung eines körperlichen oder gegenständlichen Produkts lediglich eine Nebenleistung zur eigentlichen Dienstleistung dar - zum Beispiel der schriftliche Bericht eines Unternehmensberaters. Zu reinen Dienstleistungsunternehmen gehören Luftverkehrsgesellschaften, Banken, Computersoftware-Büros, Anwaltbüros, Klempnerbetriebe, Kinos und Unternehmensberater. Topmanager sollten zunächst an sich selbst folgende Fragen über das Strategiemanagement richten. Diese Fragen sind relativ allgemein gehalten, die Antworten fallen jedoch in jedem Dienstleistungsunternehmen anders aus. 1. Verstehen wir den speziellen Typ von Dienstleistungsunternehmen, in den wir tätig sind, in vollem Umfang? Obwohl Dienstleistungsunternehmen sich grundsätzlich von Produktionsbetrieben unterscheiden, hängt die Art des Unterschieds zu einem großen Teil von der speziellen Art des Dienstleistungsunternehmens ab. Ich werde ein Schema vorstellen, mit dessen Hilfe sich Dienstleistungsunternehmen in verschiedene wichtige strategische Dimensionen einteilen lassen. 2. Wie können wir unser Unternehmen vor der Konkurrenz schützen? Jedes Unternehmen muß sich überlegen, wie es eine starke Wettbewerbsposition aufbauen und schützen kann. Zu diesem Zweck muß man die wirtschaftliche Situation des Unternehmens sorgfältig analysieren. Dienstleistungsunternehmen erfordern sehr häufig andere Wettbewerbsstrategien als produktionsorientierte. Wenn man eine Organisation aufbauen will, die Bestand haben soll, muß man der Kostendegression durch optimale Betriebsvergrößerung, dem gewerblichen Rechtsschutz und dem Ansehen des Unternehmens ausreichend Aufmerksamkeit schenken. 3. Wie können wir den Betrieb kostengünstig organisieren? Industrieunternehmen können die Hebelwirkung, die von der Reduzierung der Fixkosten ausgeht, dadurch verbessern, daß sie zum Beispiel effektivere Maschinen anschaffen. Aber die meisten Dienstleistungsunternehmen sind nicht imstande, nach dieser Methode vorzugehen. Es müssen also auch andere Möglichkeiten untersucht werden. 4. Welches Prinzip liegt unserer Preisstrategie zugrunde? Die Preiskalkulation von Dienstleistungen befindet sich zumeist auf schwankendem Boden. Kostenbezogene Preise lassen sich schwer festlegen, und es gibt nur wenige Formeln für eine leistungsfähige, wertorientierte Preiskalkulation. Es ist sehr wichtig, die Preisstrategie genau zu analysieren und über die wirtschaftlichen und psychologischen Auswirkungen eines Wechsels dieser Strategie nachzudenken. 5. Welchen Prozeß benutzen wir zur Entwicklung und Erprobung neuer Dienstleistungen? Jedes Unternehmen ist darauf angewiesen, neue Marktlücken aufzuspüren. Ein Dienstleistungsunternehmen muß in diesem Punkt besonders achtgeben, weil es schwierig ist, Wettbewerbspositionen zu entwickeln, die sich schützen lassen. Der Prozeß der Entwicklung und Erprobung neuer Dienstleistungen muß von deren abstrakter und vergänglicher Natur ausgehen. 6. Soll das Unternehmen andere Unternehmen hinzukaufen - und wenn ja, welche? Im Dienstleistungssektor können sich Neuerwerbungen als gefährlich erweisen. Es haben bereits mehrere Firmen Dienstleistungsunternehmen aufgekauft und dabei nur die Auswahlkriterien benutzt, die beim Erwerb eines Industrieunternehmens sinnvoll wären. Diese Art der Analyse ist zwar erforderlich, reicht aber nicht aus.
Beschreibung
der Dienstleistungen
In Industrieunternehmen bietet die Beschaffenheit des Produkts eine einfache, aber ausdrucksstarke Grundlage für die Beschreibung des Unternehmens. Dienstleistungsunternehmen lassen sich viel schwerer beschreiben, weil Dienstleistungen abstrakter sind als greifbare Produkte. Zum Beispiel dürfte es schwierig sein, jemandem, der noch nie mit einem Unternehmensberater zu tun hatte, das Geschäft eines Unternehmensberaters zu beschreiben. Ein Weg, die Schwierigkeit der Beschreibung von Dienstleistungen zu überwinden, bestand bisher darin, so über sie zu sprechen, als handelte es sich um Produkte. G. Lynn Shostack, Vice-President der City Bank, zuständig für Unternehmensplanung und -analyse, merkte dazu an: "Banken setzen oft in großem Umfang Ressourcen für Aktivitäten ein, die sie als 'Entwicklung eines neuen Produkts' bezeichnen. Dieser Begriff ist so attraktiv, daß regelmäßig Gruppen für die Aufgabe ins Leben gerufen werden, solche 'neuen Produkte' zu schaffen. Diese Banken scheinen nicht zu der Erkenntnis zu kommen, daß es sich dabei gar nicht um Produkte handelt. Selbst Marketingexperten dieser Banken verstehen offensichtlich nicht, daß sie sich im schwierigsten und am wenigsten verstandenen Bereich der Wirtschaft befinden - nämlich der Entwicklung und Vermarktung von finanziellen Dienstleistungen." In der Wirtschaft ist die vorherrschende Vorstellung davon, "wie Dinge funktionieren", produktionsorientiert. Diese Vorstellung führt zu einer produktorientierten Sprache, und die wiederum schränkt die Kommunikation in der Weise ein, daß sich keine wirklich innovativen Methoden für das Management von Dienstleistungsunternehmen entwickeln lassen. Dienstleistungen werden oft in einen Topf geworfen, und deshalb häufig mißverstanden. Wie wir später sehen werden, unterscheiden sich Dienstleistungen sehr stark voneinander, und ein Verständnis für diese Unterschiede kann dem bedachten Manager dazu verhelfen, die Eigenart der strategischen Chancen besser zu verstehen. Die herkömmliche Vorstellung besagt, daß eine Dienstleistung unabänderlich und immer persönlich ist, da sie von Personen für andere Personen erbracht wird. Diese Anschauung ist unzutreffend. Automatische Autowaschanlagen, automatisierte Dienstleistungen von Banken und der Verkauf von Computerzeit sind nur drei der vielen Beispiele von Dienstleistungen, die von Automaten oder Maschinen erbracht werden. Die strategischen Erfordernisse sind hier offensichtlich anderer Art als in Unternehmen, wo Einzelpersonen Dienstleistungen für andere Einzelpersonen erbringen. Die Abbildung zeigt eine Methode, mit der man Dienstleistungsunternehmen in generelle Typen aufteilen kann, bei denen sich jeweils unterschiedliche Erfordernisse für das Strategiemanagement ergeben. An der Spitze der Pyramide steht die vom Unternehmen erbrachte Dienstleistung. Um ein bestimmtes Dienstleistungsunternehmen einzuordnen, muß man die folgenden Fragen beantworten: 1. Wie wird die Dienstleistung erbracht? 2. Welche Maschinen oder Menschen erbringen sie? Die Einordnung eines spezifischen Dienstleistungsunternehmens mag schwierig sein, aber zwei allgemeine Anmerkungen können diese Schwierigkeit mindern: 1. Nach ihrer Entstehung entwickeln sich Dienstleistungsunternehmen häufig vom personalintensiven zu automatisierten Unternehmen oder umgekehrt, und 2. viele Unternehmen erbringen mehr als nur eine Art von Dienstleistungen. So sind zum Beispiel fast alle Banken Unternehmen, die eine Vielzahl von Dienstleistungen erbringen. Einige dieser Dienstleistungen sind automatisiert, andere wiederum personalintensiv, wie zum Beispiel bei der Finanzierung von Häusern, Autos oder Unternehmen.
Errichtung von Barrieren
In Industrieunternehmen ist das Kapital die am häufigsten benutzte Barriere gegen den Zugang von Mitbewerbern. Wenn ein Industrieunternehmen wächst, kann es sich Kostenersparnisse durch optimale Betriebsvergrößerungen bei der Herstellung seines Produkts zunutze machen, in Technologien investieren, die patentrechtlich geschützt werden, und durch Produktentwicklung und Marketing ein differenzierteres Produkt anbieten. Diese Bemühungen zahlen sich im allgemeinen deshalb aus, weil sie sich auf ein einheitliches Produkt konzentrieren, das konkrete Dimensionen hat und als Paket verkauft wird. Dies alles wird dadurch ermöglicht, daß Produktion, Distribution und Verkauf des Produkts voneinander getrennt und oft sogar verschiedenen Unternehmen übertragen werden können. Dienstleistungsunternehmen können sich diesen Luxus nur selten leisten. Weil eine Dienstleistung abstrakt und vergänglich ist, muß sie von einem einzigen Unternehmen, ja sogar häufig von einer einzigen Organisationseinheit aus Maschinen oder Menschen produziert und geliefert werden. Das führt zu einer Dezentralisierung des Dienstleistungsproduktionsprozesses auf lokaler Ebene und zu einer Herabsetzung der Chancen einer Optimierung der Betriebsgröße zum Zwecke der Kostenersparnis.
Kostenersparnis
durch Betriebsvergrößerung
Manager von Dienstleistungsunternehmen sollten jedoch nicht denken, daß sie keine Chance hätten, durch optimale Betriebsvergrößerung Kostenersparnisse zu erzielen und damit eine Kapitalbarriere für den Zugang von Mitbewerbern aufzurichten. Es gibt im Gegenteil viele Beispiele für Kostenersparnisse durch optimale Betriebsvergrößerung, vor allem im Bereich der maschinellen Dienstleistungsunternehmen. Die Einführung von Großraumflugzeugen ermöglichte den Fluggesellschaften, doppelt soviele Passagiere bei gleichbleibender Anzahl von Piloten und Flugingenieuren zu befördern. Kostenersparnisse durch Reduzierungen des Wartungsund Bodenpersonals waren ebenfalls möglich, wenn auch nicht im selben Umfang. Ein weiteres Beispiel für Kostenersparnisse durch optimale Betriebsvergrößerung sind Kinocenter mit mehreren Kinos, wie man sie in Großstädten findet. Diese Kinocenter haben mehrere Kinos, von denen einige nicht unbedingt groß zu sein brauchen. Der Erfrischungsraum und die Kinokassen sind zentral gelegen, so daß für ihren Betrieb weniger Raum und Menschen erforderlich sind. In einigen Fällen gibt es nur einen einzigen Projektionsraum für mehrere Kinos, dessen Ausstattung fast vollständig automatisiert ist. Das ganze Gebäude ist an die Zentralheizung und die Klimaanlage angeschlossen. Es ist offensichtlich, daß die Betriebskosten für diesen Typ von Kinocenter viel niedriger sind als für dieselbe Anzahl einzelner Kinos. Auch die Nachfragemacht im Anzeigengeschäft ist ein Beispiel für Kostendegression durch optimale Betriebsvergrößerung, die Dienstleistungsunternehmen als eine Barriere für Konkurrenten einsetzen können. Wenn man eine Größe erreicht, die die Werbung auf regionaler und/oder nationaler Ebene wirtschaftlich möglich macht, kann ein Dienstleistungsunternehmen die Werbung als eine Waffe im Wettbewerb verwenden, einen Marktanteil zu erobern und zu verteidigen. O. J. Simpsons Werbung für Hertz ist ein naheliegendes Beispiel, aber auch andere Unternehmen wie zum Beispiel Orkin, John Hancock und FinanceAmerica setzen ebenfalls die Werbung effektiv ein. Kleinere Unternehmen haben hingegen nicht das Kapital, das für eine konkurrenzfähige Werbekampagne erforderlich ist. Kostenersparnisse durch optimale Betriebsvergrößerung sind in erster Linie in vorwiegend maschinellen, nicht aber in personalintensiven Dienstleistungsunternehmen möglich, wobei die Nachfragemacht in der Werbung wahrscheinlich die einzige Ausnahme darstellt. Wo sich Kostenersparnisse durch optimale Betriebsvergrößerungen schwer erreichen lassen, können zwei andere Zugangsbarrieren genutzt werden: patentrechtlich geschützte Technologien und/oder Dienstleistungsdifferenzierung.
Geschützte Technologien
In maschinenintensiven Dienstleistungsunternehmen werden patentrechtlich geschützte Technologien wahrscheinlich am häufigsten als Zugangsbarriere benutzt. In der Computersoftware-Branche ist eine Liste "vorgefertigter" Programme, die ein Unternehmen anbietet, entscheidend für den Vertriebserfolg. Die sogenannte reine Computerzeit ist eine Ware, die von vielen Unternehmen angeboten wird. Der Käufer der Dienstleistung eines Teilnehmerrechensystems will im allgemeinen wissen, welche anderen Dienstleistungen das Unternehmen noch anzubieten hat, die gegenüber dessen Mitbewerbern technologisch fortgeschritten sind. Die Software, die von einem Unternehmen geliefert wird, muß technologisch auf dem neuesten Stand sein. In personalintensiven Dienstleistungsunternehmen, vor allem in solchen, die hochqualifizierte Dienstleistungen anbieten, ist die Entwicklung von patentrechtlich geschützten Technologien weniger von Bedeutung. Die Boston Consulting Group hat jedoch zum Beispiel verschiedene urheberrechtlich geschützte Technologien im Zusammenhang mit ihrem Konzept der Erfahrungskurve entwickelt. Dazu gehören Marktsegmentierung und strategische Anlagenanalysen.
Dienstleistungsdifferenzierung
Produktdifferenzierung oder, wie ich es genannt habe, Dienstleistungsdifferenzierung ist eine weitere Barriere für den Zugang von Mitbewerbern. In produktionsorientierten Unternehmen wird das Produkt in der Form entwickelt und angeboten, daß es auf dem Markt anhand seiner Markenbezeichnung identifiziert wird. In einigen besonders erfolgreichen Fällen ist die Markenbezeichnung des Produkts fast zu einer Produktgattungsbezeichnung geworden - zum Beispiel Bic, Coke und Xerox. Hingegen sind nur sehr wenige Dienstleistungen auf diesem Wege identifiziert worden. Statt dessen muß ein Dienstleistungsunternehmen einen "guten Ruf" für die Qualität seines Angebots entwickeln. Je abstrakter und komplexer die Dienstleistung ist, desto dringender ist das Bedürfnis und desto größer sind die Chancen der Entwicklung eines "guten Rufs", der ebenfalls als eine Zugangsbarriere füngiert. Beratungsunternehmen sind ein Beispiel dafür, wie der Ruf zu einer Zugangsbarriere werden kann. Es gibt viele Managementprobleme, die von jedem beliebigen Beratungsunternehmen effektiv gelöst werden könnten. Die Großen haben es jedoch geschafft, einen einzigartigen Ruf zu erwerben, so daß nur sie bei bestimmten Problemen zu Rate gezogen werden. Ein derartiger Ruf dient hier als eine Art Zugangsbarriere für andere Beratungsunternehmen. Die Errichtung von Zugangsbarrieren ist im Dienstleistungsgeschäft allgemein schwieriger und muß zumindest auf andere Art und Weise unternommen werden als in produktionsorientierten Unternehmen. In diesem Fall müssen Manager weniger über die Identifizierung von Marken und mehr über den Ruf des Unternehmens nachdenken. Sie müssen nach Gebieten suchen, in denen sich Kostenersparnisse durch optimale Betriebsvergrößerungen verwirklichen lassen, und darüber hinaus nach Methoden zur Entwicklung von patentrechtlich geschützten Technologien Ausschau halten.
Kostenbeschränkungen
Ein weitverbreiteter Irrtum über Dienstleistungsunternehmen besagt, daß es nahezu unmöglich ist, den Hebel bei der Reduzierung der Fixkosten anzusetzen und damit die Gewinnspanne zu verbessern. Der Ersatz von Arbeit durch Kapital ist eine klassische Methode zur Reduzierung von Fixkosten - sowohl in Produktions- als auch in Dienstleistungsunternehmen. Kapital wird zum Kauf von Maschinen verwandt, die Produkte oder Dienstleistungen, bei beständiger Qualität, schneller produzieren können. Viele Dienstleistungsunternehmen sind diesem Weg der Entwicklung gefolgt. Vor zwanzig Jahren setzten fast alle Autowaschunternehmen noch ungelernte Arbeitskräfte ein; heute sind die meisten Anlagen automatisiert. Wenn Aufgaben nicht automatisierbar sind, weil es auf eine Beurteilung durch Menschen ankommt, wird teures Personal häufig durch billiges ersetzt, um die Fixkosten zu reduzieren. Dies geschieht zumeist in personalintensiven Dienstleistungsunternehmen, wobei Anwaltbüros auf diesem Gebiet geradezu Experten sind, denn ein großer Teil ihrer Tätigkeit besteht aus Routineaufgaben und fordert nur geringe juristische Erfahrung. Andere Dienstleistungsunternehmen verwenden dieselbe Grundtechnik auf andere Weise. Consultingunternehmen setzen ganze Teams von Beratern ein, die entsprechend ihren Fähigkeiten verschiedene Aufgaben wahrnehmen. Viele Versicherungen teilen ebenfalls ihr Geschäft in verschiedene Einzelaufgaben auf - den Erstkontakt, die Präsentation und den Vertragsabschluß - , die jeweils von verschiedenen Personen wahrgenommen werden. In jedem Fall wird die Dienstleistung in kleinere Einheiten zerlegt, und die Einzelbereiche, die von weniger teurem Personal übernommen werden können, werden identifiziert. Das teure Personal hat dann Zeit, sich um die wesentlichen Aufgaben zu kümmern, die dem Unternehmen zu Gewinnen verhelfen.
Wertgestaltung
Der Prozeß der Wertgestaltung ("value engineering") ist in vielen Industrieunternehmen im letzten Jahrzehnt populär geworden. Mit Hilfe der Wertgestaltung läßt sich feststellen, welche Veränderungen im Design und/oder im Produktionsprozeß vorgenommen werden können, um die Produktionskosten zu reduzieren, ohne den Wert des Produkts zu mindern. Ein ähnlicher Prozeß kann für Dienstleistungen verwandt werden. Auch hier muß die Dienstleistung in ihre Einzelteile zerlegt werden. Jetzt ist der Zweck jedoch nicht die Bestimmung der Präsentation, sondern vielmehr die Frage, welche Dienstleistung geliefert wird. Das Ziel besteht darin festzulegen, welche Bestandteile der Dienstleistung essentiell sind oder gestrichen werden können und welche geringfügigen Zusätze die Dienstleistung in großem Umfang verbessern könnten. Viele Dienstleistungsunternehmen haben diese Technik verwandt, wenn auch unter anderem Namen. Der Erste-Klasse-Service bei Fluggesellschaften ist ein gutes Beispiel. Vor zehn Jahren war der Qualitätsunterschied zwischen dem Service der ersten Klasse und der Touristenklasse noch signifikant. Heute erhält ein Passagier der ersten Klasse lediglich einen etwas größeren Sitzplatz, zwei kostenlose Drinks und geringfügig besseres Essen, obwohl ein Erste-Klasse-Ticket über 50 Prozent teurer ist. Trotzdem werden immer noch Erste-Klasse- Tickets verkauft. Offensichtlich bedeutet Erste- Klasse keinen persönlichen Service, sondern Status. Bei Dienstleistungen ist die Wertgestaltung schwieriger als bei Produkten, weil die Beschaffenheit eines Produkts zuläßt, daß man seine äußere Erscheinung und seine Funktion ständig überprüft. Bei einer Dienstleistung ist oft nur schwer festzustellen, welche Eigenschaft bei der Kaufentscheidung des Kunden die größte Rolle spielt. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß es wahrscheinlich in Dienstleistungsunternehmen problematischer ist, die Fixkosten zu reduzieren, und zwar besonders in den Dienstleistungsbetrieben, die personalintensiv sind. Die Chance zur Reduzierung der Fixkosten besteht, aber sie erfordert andere Denkweisen über die Betriebsabläufe als in Produktionsunternehmen.
Preiswettkampf
Fast alle Produktionsunternehmen verfügen über Methoden, um den Stückpreis ihres Produkts bei unterschiedlichen Produktionsvolumen zu bestimmen. Ein Teil ihres strategischen Plans besteht darin, ein Billigproduzent zu werden und diese Position als Waffe im Wettbewerb zu nutzen. Andere Preisstrategien stehen selbstverständlich ebenfalls zur Verfügung, wie zum Beispiel die Hochpreisstrategie für hochwertige Produkte. In dienstleistungsorientierten Unternehmen läßt sich oft schwieriger festlegen, worin ein "Teil" einer bestimmten Dienstleistung besteht, und noch viel schwieriger, wie hoch seine Kosten sind. Im allgemeinen lassen sich die Kosten in maschinellen Dienstleistungsunternehmen leichter bestimmen als in personalintensiven. Um aber aus einer personalintensiven Dienstleistung eine maschinenintensive zu machen, muß sie zunächst einen gewissen Routinecharakter bekommen, den man analysieren kann. Personalintensive Dienstleistungsunternehmen sind jedoch viel komplexer. Bis die Theoretiker und Praktiker, die sich mit der Bewertung menschlicher Dienstleistungen beschäftigen, einen zufriedenstellenden Wissensstand erreicht haben, wird es schwierig sein, die Kosten von personalintensiven Dienstleistungen genauer als auf einer Gesamtgrundlage zu bestimmen. Die Preiskalkulation für Dienstleistungen beruht in der Regel eher auf deren Marktwert als auf deren Kosten. Der Wert wird im allgemeinen von den Kunden und nur zu einem Teil von den Konkurrenten bestimmt, denn Kunden haben ein ungefähres Gefühl dafür, was sie für eine bestimmte Dienstleistung zu zahlen haben. Jedoch bleibt die Grundlage für dieses Gefühl oft unklar, weil ein Preisvergleich häufig schwierig ist. Kunden zahlen im allgemeinen den Preis, den ihrer Meinung nach die Dienstleistung wert ist; deshalb basiert die Preisgestaltung in vielen Dienstleistungsunternehmen auf dem Niveau des Markts. Auf dem Preissektor wird ein interessantes Spiel gespielt. Ich habe noch nie einen Geschäftsmann getroffen, der damit prahlte, daß er soeben den billigsten Unternehmensberater engagiert hätte. Personalintensive Dienstleistungsunternehmen, deren Leistungen von Akademikern erbracht werden, können durch zu niedrige Preise ein Image erzeugen, das dem eines hochqualifizierten Betriebes, der wettbewerbsfähig bleiben will, widerspricht. Jeder gute Unternehmensberater weiß, daß ein guter Rat teuer sein muß. Über die Verwendung von Preisen als strategische Waffe im Dienstleistungsgeschäft weiß man wahrscheinlich weniger als über jede andere strategische Variable. Eine Tatsache ist jedoch klar: Der Manager eines Dienstleistungsunternehmens muß Marketingmethoden einsetzen, die den vom Kunden wahrgenommenen Wert der Dienstleistung verbessern.
Die Entwicklung
neuer Dienstleistungen
Fast alle Industrieunternehmen haben in irgendeiner Form eine Forschungs- und Entwicklungsabteilung, die für die Gestaltung und Erprobung neuer Produkte und/oder Modifizierung bestehender Produkte verantwortlich ist. In Dienstleistungsunternehmen sind die F + E-Auf gaben anders geartet, weil sie durch die Abwesenheit eines gegenständlichen Produkts kompliziert werden. Eine Dienstleistung kann vor allem in personalintensiven Branchen jedesmal anders ausfallen. Der gesamte Prozeß der Schaffung neuer Dienstleistungen hat eher mit Konzepten als mit Gegenständen zu tun. Der Erprobungsprozeß variiert je nach dem, ob die Dienstleistung von Maschinen oder Personen erbracht wird, aber in jedem Fall ist es schwer, auf einen Markttest oder andere Formen von Marktforschung zurückzugreifen. Man muß die Kunden dazu bringen, Erfahrungen mit den Dienstleistungen zu machen; und dies erfordert größte Marketingbemühungen. Deshalb können die Einführungskosten für eine neue Dienstleistung ziemlich hoch sein, weil sich schwer vorhersagen läßt, welche Konzepte für die Kunden verständlich und attraktiv sind. Ein Beispiel für die Entwicklung einer neuen Dienstleistung, der nach Ansicht vieler Beobachter - zumindest für die nächsten Jahre - kein Erfolg beschieden ist, ist die elektronische Banküberweisung. Warum bleibt sie erfolglos? Die Ursachen sind offensichtlich komplex und unter anderem politischer, juristischer und wirtschaftlicher Natur. Am wichtigsten dürfte jedoch der Widerstand der Kunden gewesen sein, der von Ängsten vor Computerfehlern, Eingriffen in die Privatsphäre und einer Veränderung des Lebensstils genährt wird. Man sollte hervorheben, daß es hier nicht um das Versagen einer Technologie geht. Die für die Schaffung der sogenannten bargeldlosen Gesellschaft erforderliche Technologie ist vorhanden, aber die Verbraucher akzeptieren diese Dienstleistung nicht. Das Beispiel verdeutlicht einen wesentlichen Unterschied zwischen Industrie- und Dienstleistungsunternehmen auf dem Gebiet der F + E. Die Schwierigkeiten mit Markttests können sich jedoch auch als vorteilhaft erweisen. Dienstleistungskonzepte sind - vor allem bei personalintensiven Unternehmen - durchaus flexibel und lassen sich auch nach ihrer Einführung auf dem Markt verändern, zumal die Kosten dieser Änderungen oft ziemlich niedrig sind. Jedes Unternehmen muß neue Dienstleistungen entwickeln, wenn es überleben will. Diese Aufgabe ist anders geartet als die Entwicklung neuer Produkte. Sie ist höchst abstrakt, und die entwickelten Dienstleistungen erfordern mühsame und kostspielige Tests auf dem Markt. Daher gibt es kaum wirkliche Innovationen, aber viele Imitationen im Dienstleistungsbereich. Fluggesellschaften und Banken sind zum Beispiel für ihre Imitationen berüchtigt
Wachstum durch Firmenkäufe
Was kauft man, wenn man ein Dienstleistungsunternehmen erwirbt? Auf diese Frage gibt es viele Antworten - je nach dem, von welcher Art die Dienstleistungsbranche ist. Viele Manager, vor allem Manager mit Industrieerfahrung, fühlen sich am zufriedensten, wenn sie ein maschinenintensives Dienstleistungsunternehmen erwerben. Dann umfaßt der Erwerb auch das Sachvermögen, das sehr wertvoll sein kann, wenn man dafür weniger als für vergleichbare neue Gegenstände bezahlt, falls diese nur im beschränkten Umfang lieferbar sind, oder wenn sich das Unternehmen an strategisch wichtigen Standorten befindet (zum Beispiel ein Mietwagenunternehmen oder eine Kette von Selbstbedienungswaschsalons). Bei personalintensiven Dienstleistungsunternehmen ist der Erwerb riskanter, weil der eigentliche Kauf gegenstand aus Menschen und Tätigkeiten besteht. Es gibt immer das Risiko, daß Menschen das Unternehmen verlassen und damit ihre Fähigkeiten verlorengehen, und zwar ohne Rücksicht auf den Arbeitsvertrag und die zusätzlichen Leistungen. Diese Erfahrung mußte ein bekanntes Beratungsunternehmen machen. Es war im Nordosten der USA sehr erfolgreich gewesen. Der Geschäftsführer, der die Trends sorgfältig beobachtete, erkannte, daß sich im Süden des Landes ein reges Wirtschaftswachstum vollzog. Er entschied, daß es besser sei, ein kleines Beratungsunternehmen in Dallas mit einer exzellenten Kundschaft zu kaufen, als selbst viele Jahre und größere Geldbeträge für den Aufbau einer Niederlassung zu verwenden. Der Kauf fand statt, und der Geschäftsführer des gekauften Unternehmens sowie seine Stellvertreter erhielten Anstellungsverträge. Aber bald verließen sie das Unternehmen, gründeten ihre eigene Firma und hatten innerhalb von 18 Monaten 40 Prozent der Kundschaft ihres früheren Arbeitgebers wieder zu sich herübergezogen. Wenn man den Erwerb eines personalintensiven Dienstleistungsunternehmens in Betracht zieht, ist immer die Frage geboten: Was ist das Unternehmen ohne die Schlüsselpersonen wert? Es gibt einige Fälle, in denen der Zugang zum Markt den Preis des Unternehmens aufwiegt. In anderen Fällen beinhalten die angebotenen Dienstleistungen einige Aspekte, die dem gewerblichen Rechtsschutz unterliegen, auch wenn das gesamte Personal das Unternehmen verlassen würde. Oft lautet jedoch die Antwort auf jene Frage, daß alles, was man kauft, letztlich Personen sind. Wenn dies der Fall ist, kommt es im allgemeinen billiger zu versuchen, die besten Leute dieses Unternehmens abzuwerben. Wachstum durch Aufkauf von Firmen ist im Dienstleistungsbereich ein riskantes Unterfangen, aber das Risiko ist nicht immer gleich groß. Es ist im allgemeinen höher, wenn man sich innerhalb des Spektrums der Dienstleistungsunternehmen mehr zu den personalintensiven hinbewegt. Es erhöht sich noch mehr in personalintensiven Dienstleistungsunternehmen, wenn die Dienstleistung von Akademikern oder hochqualifiziertem Personal erbracht wird. Jeder, der ein Dienstleistungsunternehmen aufkaufen will, muß dafür sorgen, daß für seine Leitung Manager mit Erfahrungen im Dienstleistungsbereich zur Verfügung stehen.
Schlußbemerkung
Während der letzten 100 Jahre ist die Industrieproduktion die vorherrschende wirtschaftliche Kraft gewesen, und die meisten Manager sind entweder aufgrund ihrer Erfahrung und/oder ihrer formalen Ausbildung dazu erzogen worden, beim Strategiemanagement produktbezogen zu denken. Leider ist ein großer Teil dieser Erfahrung für das Management vieler Dienstleistungsunternehmen irrelevant. Der Manager eines Dienstleistungsunternehmens muß eine gesunde Skepsis über seine Vorgehensweise oder die anderer Leute im Hinblick auf diese Strategie an den Tag legen. Eine der besten Methoden, die Denkweisen der Manager zu verändern und damit die krampfhafte Anwendung produktbezogener Managementtechniken in Dienstleistungsunternehmen zu vermeiden, besteht darin, die Sprachregelung zu verändern. Wenn Manager von Dienstleistungen anstatt von Produkten sprechen, dann denken sie auch an Dienstleistungen und Charakteristika, die nur für Dienstleistungen zutreffend sind. Copyright: © 1983 President and Fellows of Harvard College; ursprünglich veröffentlicht in "Harvard Business Review" unter dem Titel "Strategy is different in Service business"