Warum Spaziergänge wichtig sind Ab vor die Tür

Die frühlingshaften Temperaturen ziehen uns zum Spaziergang in die Natur. Raus dem Homeoffice, weg vom Schreibtisch, das klingt verlockend. Und das Beste: Sie können die Auszeit im Freien auch für Ihre Arbeit nutzen.
Foto: urbazon / Getty Images

Vor einigen Jahren sah ich einen Beitrag in der US-Fernsehsendung "Today Show", in dem es darum ging, Kindern und Jugendlichen zu helfen, gesunde Gewohnheiten zu entwickeln. Eine bekannte Ernährungsberaterin berichtete darin, dass ihre Kinder sich weigerten, Gemüse zu essen und Sport zu machen. Das einprägsamste Zitat kam von einem ihrer Kinder im Vorschulalter, das sagte: "Spazierengehen macht mich traurig".

Ich muss gestehen, stünde ich vor der Wahl, die Serie "The Crown" zu schauen oder spazieren zu gehen, so würde mich der Spaziergang auch traurig machen. Oder wenn ich stattdessen meine Lieblings-Triple-Chocolate-Brownies backen könnte oder online nach japanischen Pfannkuchenformen suchen könnte (sie kommen in zwei Tagen an). Wenn ich aber an den einfachsten und zugleich coronasichersten Weg denken soll, meinem Körper etwas Gutes zu tun, dann ist es Spazierengehen. Es erfordert keine Vorbereitung, kaum Aufwand, keine besondere Ausstattung, und ich kann so lange oder kurz gehen, wie ich gerade Zeit habe.

Immer wenn meine Rückenschmerzen wieder aufflammen, ist ein Spaziergang das Mittel der Wahl, um dem entgegenzuwirken. Sei es für den Kopf, den Körper oder den Geist, Spazierengehen tut mir in allen Bereichen gut.

Ich gehe knapp fünf Kilometer pro Tag, an den meisten Tagen der Woche. Und ich bin nicht die Einzige, die in den Genuss der physiologischen, mentalen und emotionalen Vorteile des Spazierengehens kommt. In seinem im "The New Yorker" erschienenen Artikel "Why Walking Helps Us Think" schreibt der Journalist Ferris Jabr, dass wir durch Spazierengehen neue Verknüpfungen im Hirngewebe bilden, die dessen altersbedingter Verkümmerung vorbeugen und die kognitive Leistungsfähigkeit erhöhen. Wir kommen auf bessere Ideen. Es erleichtert uns das Lernen und verringert Ängste, schreiben die US-Gesundheitsbehörden. Auch auf die Schlafqualität soll regelmäßige körperliche Aktivität einen positiven Einfluss haben

Wer sich dazu noch im Freien bewegt, kann seinen Nutzen aus körperlicher Bewegung weiter erhöhen. Laut Jo Barton, Dozent an der School of Sport, Rehabilitation and Exercise Sciences an der Universität von Essex, kann bereits ein fünfminütiger Aufenthalt in der Natur Stimmung und Selbstwertgefühl verbessern. Dass das so schnell funktioniert begründet Barton folgendermaßen: Sobald wir in Kontakt mit der Natur treten, hören wir auf, kräftezehrende gezielte Aufmerksamkeit auf Dinge zu richten und lassen unseren Fokus stattdessen schweifen. Dies erfordert weit weniger Energie und ermöglicht es uns, sich von geistiger Ermüdung zu erholen.

Charles Darwin, Friedrich Nietzsche, William Wordsworth und Aristoteles waren allesamt besessene Spaziergänger und nutzten den Rhythmus des Gehens, um Ideen zu entwickeln. Und da jede Form von Bewegung nachweislich das Gehirn aktiviert, ist Spazierengehen auch ein bewährter Kreativitätsbooster.

Natürlich ist mir bewusst, dass Gehen, so einfach es auch scheint, nicht jedem leichtfällt. Manche Menschen haben körperliche Einschränkungen, die das Gehen zu einer Tortur oder sogar unmöglich machen. Andere leben vielleicht in Gegenden, in denen man sich nicht sicher zu Fuß fortbewegen kann. Einige von uns haben zu Hause Verpflichtungen, die nur selten Zeit für Bewegung lassen, und andere leben vielleicht unter Wetterbedingungen, die Spaziergänge unangenehm oder riskant machen. Wenn Sie in eine oder mehrere dieser Kategorien fallen - oder in eine Kategorie, die ich übersehen habe - hoffe ich, dass Sie andere Wege finden, Ihre Ängste zu besiegen, Ihren Verstand scharf zu halten und Ihr körperliches Wohlbefinden zu bewahren.

Für jene von uns, die problemlos spazieren gehen können, sind hier fünf zusätzliche Gründe, dies zu tun:

  1. Zuversicht
    Wir leben in herausfordernden Zeiten. Die Pandemie hat uns allen viele Freiheiten genommen. Hiervon sollten wir uns jedoch nicht die Aussicht auf eine unbeschwerte Zeit nach Corona nehmen lassen. An Tagen, an denen ich diese Perspektive aus den Augen verliere, gehe ich spazieren und betrachte die Sonne, die Bäume oder das Wasser. Diese Ausblicke erinnern mich an die Weiten des Universums und die Schönheit der Natur. Und sie führen mir vor Augen, wie viel Welt es für mich noch zu erkunden gibt (sobald es die pandemische Entwicklung wieder zulässt).

  2. Kontakte
    Man kann zwar alleine gehen, muss es aber nicht. Gerade in heutigen Zeiten ist ein gemeinsamer Spaziergang eine der wenigen infektionssicheren Aktivitäten. Bevor ich von New York nach North Carolina zog, machte ich regelmäßig einen Sonntagsspaziergang mit meiner Nachbarin Leslie. Und obwohl wir jetzt über 900 Kilometer voneinander entfernt wohnen, machen wir unseren regelmäßigen Spaziergang immer noch – nur eben per Telefon. Laden Sie einen Freund oder ein Familienmitglied ein, sich Ihnen anzuschließen - persönlich, wenn es machbar, sicher und verantwortbar ist - und per Telefon, wenn nicht.

  3. Lernen
    So sehr ich es auch mag, meinen Kopf freizubekommen, so sehr mag ich es auch, ihn mit neuen und nützlichen Informationen zu füllen. Manchmal höre ich mir beim Spazierengehen einen Podcast, ein Hörbuch oder gar die Aufzeichnung eines Webinars an, für das ich mich angemeldet habe, an dem ich aber nicht teilnehmen konnte. Oder ich mache Fotos von einem Baum oder einem Tier, das ich nicht identifizieren kann (was für eine gebürtige New Yorkerin auf die allermeisten Bäume und Tiere zutrifft) und schlage sie später zu Hause nach.

  1. Dankbarkeit 
    Als jemand, der sowohl chronische als auch akute Rückenschmerzen kennt, spaziere ich oft im Gedanken daran, wie glücklich ich mich fühle, schmerzfrei gehen zu können. Auch bin ich dankbar für die Tatsache, mich als allein spazierende Frau (zumindest die meiste Zeit) sicher zu fühlen. Ich freue mich, dass am Ende des Spaziergangs eine heiße Dusche auf mich wartet und dass ich am Leben sein darf, während so viele Menschen gestorben sind.

  2. Produktivität
    Manchmal vereinbare ich ein Coaching oder ein Networking-Gespräch mit einem Kunden, der auch spazieren geht. Und manchmal diktiere ich sogar Brainstorming-Ideen oder einen neuen Artikel in mein Smartphone. Wenn ich dann nach Hause komme, darf ich einen weiteren Punkt von meiner To-do-Liste abhaken - zusätzlich zu meinem täglichen Spaziergang.

An einigen Tagen rücke ich von diesen Zielen ab und genieße einfach nur das Spazieren. Das kommt am häufigsten vor, wenn ich mit meiner Hündin Nash spazieren gehe und sie einem Eichhörnchen jagen will. Gehen Sie spazieren, wann und wo Sie können. Ihr Körper, Ihr Geist und Ihre Seele werden es Ihnen danken.

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